Sonntag, 17. Februar 2013

Sechs Wochen anders leben ebl

Predigt im Lichtblick am 17.02.2013, Elfriede Bezold-Löhr

„Liebe Leute,
schon lange macht mich schwer unzufrieden, dass ich abends, wenn der Alltag geschafft ist, vor dem Fernseher versumpfe. Es ist eine Sucht, nicht abschalten zu können, ein Nicht-hinspüren-wollen, was mich bewegt, was mir Angst macht. Dabei wünsche ich mir Zeit, um zu regenerieren, vielleicht einen Brief zu schreiben, eine schöne Musik zu hören … Warum fällt es mir so schwer, achtsam mit mir zu sein? Ich fühle mich gerade so als Erstklässler in dieser Lebensschule … Zwei Abende habe ich es nun schon geschafft (trotz großer Versuchung, denn ich schiele ja doch ins Fernsehprogramm). Am ersten Abend habe ich mir eine Kerze angezündet, euren ersten Fastenbrief gelesen und Zeit gefunden, zwei Freunde anzurufen.
Herzliche Grüße, Mechthild“
Mechthild macht mit bei der Aktion ‚Sieben Wochen anders leben‘. Dahinter steht der Verlag ‚Andere Zeiten e.V.‘ aus Hamburg. Dort arbeiten Christinnen und Christen, die anderen Mut machen wollen, ihren Glauben alltäglich zu leben. Wer will, kriegt in diesen Wochen immer wieder einen ermutigenden Fastenbrief. Das ist ein Angebot, auf dem Segen liegt.
Ich bin eigentlich keine Freundin von Foren. Aber es ist berührend, in dem ‚Fastenforum‘ auf ‚www.anderezeiten.de‘ zu lesen, was Menschen in diesen Wochen erleben. Viele verzichten auf etwas, was sie sonst genießen: zum Beispiel auf Süßes. Oder auf Alkohol. Einer will auf Trendwörter verzichten, die er eigentlich völlig blöd findet. Sven versucht, auf Pornos aus dem Internet zu verzichten.
Andere beschenken sich in dieser Zeit: Barbara gönnt es sich, in der Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostersamstag pünktlich zu sein. Sie verzichtet „auf zeitliche Unordnung“. Anja beschenkt sich mit einem einstündigen täglichen Spaziergang. Sie merkt, „dass durch diese Spaziergänge etwas passiert, sich etwas entwickelt, etwas entsteht“.
Sehr offen erzählen die Männer und Frauen, was ihnen gelingt und sie freut. Genau so ehrlich erzählen manche, dass sie schon am ersten Tag an ihren guten Vorsätzen gescheitert sind. Und immer wieder ist von Gott die Rede. Und von der Sehnsucht, ihm zu begegnen, indem man ‚anders lebt‘. Geht das? Was sagt die Bibel dazu? Was bringt uns Jesus zu diesem Thema bei? Nach dem Gebet und dem Lobpreis dazu mehr.
Fasten in der Bibel
Schon im Alten Testament ist vom Fasten die Rede. Vor besonderen Festtagen wie dem großen Versöhnungstag sollen die Israeliten fasten (3.Mo.16, 29). König David fastet tagelang, als sein Sohn schwer krank wird. Er hofft, Gott damit gnädig zu stimmen (2.Sam.12). Im Buch des Propheten Jesaja findet sich ein ganzes Kapitel über das falsche und über das echte Fasten. Da ‚wettert‘ Gott richtiggehend: „Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter! Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein. Ihr sollt nicht so fasten, wie ihr jetzt tut, wenn eure Stimme in der Höhe gehört werden soll. Soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag, an dem man sich kasteit, wenn ein Mensch seinen Kopf hängen lässt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet? (…) Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg!“  (Jes.58, 3b – 6) Fasten hat also nichts mit bedripstem oder gar aggressivem Gehabe zu tun. Fasten ist in allererster Linie etwas Befreiendes.
Jesus knüpft da nahtlos an. In seiner Bergpredigt bekommen wir mit, was ihm zum Thema ‚fasten‘ wichtig ist. „Manche von euch“, so sagt er dort, „fasten scheinbar aus religiösen Beweggründen. In Wirklichkeit möchten sie nur gewisse fromme Kreise beeindrucken. Wenn dann nach einem beiläufigen Hinweis auf die Dauer ihres Fastens ein Raunen durch die Reihen geht, sind sie restlos zufrieden. Ich sage euch: Wenn ihr fastet, vergesst eure säuerliche Mine. Macht euch frisch und begegnet den Menschen wie sonst auch. Versagt es euch, mit irgendeinem Wort anzudeuten, was ihr gerade aus Liebe zu Gott tut. Er wird mit Sicherheit nicht übersehen, wie ernst ihr es meint, wenn ihr mit Fasten eurem Gebet mehr Nachdruck verleihen wollt! (Mt.6, 16 – 18)
Nur einmal wird davon erzählt, dass Jesus selber gefastet hat – da dann gleich vierzig Tage lang. Vierzig Tage hält er sich in wüstenähnlicher Landschaft auf und lernt dort viel über Macht und Ohnmacht. Danach beginnt er sein Leben als Wanderprediger.
Warum fasten?
Fasten ist in der Bibel kein Selbstzweck. Manchmal hat es einfach nur die Aufgabe, Menschen auf ein Fest vorzubereiten. Essen fasten vor dem Feiern? Das macht durchaus Sinn. Denn ganz banal: Wenn ich hungrig bin, schmeckt das Essen am besten.
Wer es sich antut und nur zwei oder drei Tage völlig auf’s Essen verzichtet, macht eine wunderbare Entdeckung: Die Geschmacksnerven werden extrem empfindsam. Schon ein Bissen Apfel ist eine wahrhaftige Explosion von Aromen im Mund! Wie viel köstlicher sind dann noch der Schweinsbraten und die Klöße und der frische Salat! Fasten vor dem Feiern, um dann umso intensiver und dankbarer genießen zu können – ein guter Grund.
Wer fastet, das lernen wir aus der Bibel, sollte die Chance nutzen und aus seinem Alltagstrott aussteigen. Nur nicht essen und trotzdem ‚business as usual‘ treiben – das ist schwierig. Könnte sein, dass es uns sogar schlecht gelaunt macht und wir es dann an anderen auslassen.
Gepflegt, ‚entschleunigt‘ und doch aufmerksam durch einen Fastentag gehen – das könnte uns gut tun, wie Jesus meint.
Wer fastet, hat plötzlich Zeit, die vorher nicht da war. Wenn ich nicht einkaufen und kein Mittagessen kochen muss, keine Essenszeit habe und danach keine Küche aufzuräumen ist, sind das schnell zwei oder sogar drei Stunden. Diese Zeit ist mir geschenkt, wenn ich faste. Da kann ich im Winter ein Bad nehmen. Oder spazieren gehen. Oder mich mit dem Buch hinsetzen, das ich schon lange lesen will. Ich kann eine ‚Expedition zum Ich‘ mit Klaus Douglass und Fabian Vogt unternehmen. Mir ein ‚Filetstück‘ aus der Bibel durchlesen, von Fabian Vogt sehr schön in unsere Zeit übersetzt. „Wer bin ich wirklich?“ „Was bestimmt mein Handeln?“ „Wie bekomme ich eine Beziehung zu Gott?“ Wichtige Fragen für mich und für mein Leben. Es ist gut, wenn ich mir die Zeit gönne und darüber nachdenke. Fastentage machen’s möglich. --- Wer von uns Frauen jetzt denkt: „Und was mache ich mit meinem Mann und mit den Kindern?“ Diejenigen erinnere ich daran: Es gibt in vielen Metzgereien eine heiße Theke. Schicken Sie Ihre Lieben da mit ruhigem Gewissen hin, wenn kein anderer außer Ihnen den Kochlöffel übernimmt. Es geht oft leichter, als wir Frauen denken J
Ein ähnlicher Effekt – denken wir an den Brief von Mechthild am Anfang der Predigt – träte mit einem ‚Bildschirm-Fasten‘ am Abend ein. Wie viel Zeit wäre plötzlich frei, wenn der Bildschirm  dunkel bliebe? In vielen Leben ist es sicher eine ganze Stunde am Tag. Oder sogar zwei oder noch mehr. Welche Möglichkeiten tun sich da auf, diese Zeit geistlich zu füllen!
Das Herz auslüften
Fasten soll, so wünscht Gott es sich, für uns trotz und gerade im Verzicht etwas Befreiendes haben. Es soll Dinge möglich machen, die so sonst nicht passieren würden. Da kann es helfen, wenn wir uns austauschen. Mit einem Menschen, der uns gut tut, der unsere Gedanken versteht und uns inspiriert. In der Bibel ist das Fasten ganz oft mit Gebet verbunden. Ich kann mich an einem Fastentag bewusster als sonst ‚rückbinden‘ an Gott. Da eröffnet sich ja plötzlich die Zeit, im Stillen mit Gott zu reden. Oder ein Lobpreis-Lied anzuhören, das mir aus der Seele spricht.
„Das Herz ‚auslüften‘ ist anstrengend, aber auch befreiend“, schreibt Annette im Fastenforum von ‚Andere Zeiten‘. Sie hat Recht. Jetzt haben wir die große Chance, solche befreienden Erfahrungen zu machen. Die sechs Wochen, die vor uns liegen, sind eine besondere Zeit. Wir sind auf dem Weg hin zum Osterfest. Wir machen uns mit Jesus ein letztes Mal in Richtung Jerusalem auf. Wir gehen mit ihm seiner Kreuzigung entgegen. Und wir haben in uns den Keim Hoffnung auf die Auferstehung. Nur in einer Sache Verzicht zu üben in diesen sechs Wochen – das kann für mich und für dich und für Sie vieles verändern. Trauen Sie sich. Amen.

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