Sonntag, 1. Dezember 2013

Offen für Gott hl

Predigt im Lichtblickgottesdienst am 1. Advent von Hans Löhr

Bibelwort zur Predigt: Lukas 1, 26-31

Liebe Freunde,
sie war vielleicht 15 oder 17, aber schon verlobt wie es in ihrer Kultur üblich war. Sie ist weder positiv noch negativ besonders aufgefallen. Sie war ein ganz normales Mädchen wie wohl die meisten von euch Frauen hier. Und dann passierte das: Ein Engel erscheint ihr und sagt: »Sei gegrüßt, Maria, Gott ist mit dir! Du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Jesus soll er heißen. Er wird mächtig sein und man wird ihn Gottes Sohn nennen.« (Lukas 1, 26-31) Und Maria? Zuerst erschrickt sie. Und dann sagt sie »Ja«. Das ist in wenigen Worten die zentrale Adventsgeschichte aus der Bibel.
Ihr, die katholischen Frauen hier unter uns, habt in den Rosenkranz-Gebeten schon oft diese Worte des Engels gebetet, mit denen die biblische Adventsgeschichte beginnt: »Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnaden, der Herr ist mit dir.« Aber ist euch auch bewusst, dass ihr jedes Mal, wenn ihr so betet, selbst zum Engel werdet. Ihr verkündet mit seinen Worten das Evangelium, die gute Nachricht, dass Gott seine Menschen nicht im Stich lässt, sondern uns seinen Sohn Jesus Christus sendet, um dir und mir zu helfen. Denn das bedeutet ja der Name ‚Jesus‘ auf Deutsch: ‚Gott hilft!‘
Mit diesen Worten hat der Engel, der Bote Gottes, die Maria total überrascht: »Ich«, sagte sie, »ausgerechnet ich kleine, junge, unbedeutende Frau?« Ja, ausgerechnet zu so einer kleinen, unbedeutenden Frau in der hintersten Provinz des römischen Reiches in einem Kaff namens Nazareth sendet Gott seinen Boten mit der wichtigsten Botschaft, die die Welt jemals gehört hat: Gott kommt in seinem Sohn Jesus als kleines Kind zu euch Menschen, um euch zu helfen, denn euch gehört sein Herz.
Maria war die erste, die diese Botschaft gehört hat. Sie hat sich dieser Nachricht geöffnet, hat sie sich zu Herzen genommen. Das war damals vor 2000 Jahren. Und heute passiert es wieder. Jetzt, da ihr die Worte aus der Bibel hört, gelten sie euch. Jetzt werdet ihr von Gottes Engel angesprochen und er sagt: ‚Gegrüßet seist du, Erika, der Herr ist mit dir. Gegrüßet seist du Renate und Petra, Evi und Hanne, Monika und Ulrike – der Herr ist mit dir.‘ Und du denkst vielleicht: „Ich? Bin wirklich ich gemeint? Grüßt der Engel auch mich? Ist der Herr auch mit mir?“ Und ich sage: Ja, du bist gemeint. Denn für dich ist das alles geschehen und geschrieben. Damals hieß die Frau, zu der der Engel kam, Maria. Und heute kommt er aus der Bibel zu dir. Und er kommt im Grunde mit der gleichen Botschaft: Du bist auserwählt, um das Jesus-Kind zu empfangen, diesen „Gott hilft!“. Ihn sollst du in dir aufnehmen und in dein Herz lassen. In dir will er wachsen und groß werden. Und du sollst ihn zur Welt bringen. Und wie? In dem du dir Zeit für ihn nimmst. Indem du betest und deine Wohnung schmückst und Musik hörst, die dich auf Weihnachten einstimmt. Aber du sollst ihn auch dadurch zur Welt bringen, wie du redest und handelst. In dem, wie du dich verhältst und lebst soll Jesus heute wirken. Aus deinen Augen soll er schauen, mit deinem Mund reden, mit deinen Füßen soll er zu anderen Menschen gehen, mit deinen Händen soll er ihnen helfen.
Ich gebe zu, das ist ein kühner Gedanke, dass der Engel auch heute zu euch Frauen kommt und sagt: Nimm das göttliche Kind in dir auf. Lass es in dir groß werden. Trage es in dir zu anderen Menschen und lass es da zur Welt kommen in dem, wie du bist.
Und der Gedanke wird noch kühner, wenn ich jetzt sage: Das gilt für euch Männer in gleicher Weise: Auch ihr sollt das göttliche Kind in eurem Herzen aufnehmen und es da zur Welt kommen lassen, wo ihr lebt und arbeitet. Auch an euch soll man erkennen, dass dieser Jesus in euch lebt, durch den Gott hilft.
Wie das geht? Lasst mich zuerst sagen, wie das nicht geht. Wer sich Gott vom Leibe und von der Seele halten will, der muss die Arme vor der Brust verschränken und laut oder leise sagen: „Ich nicht! Mit mir nicht!” – Aber wie soll Gott diesen Menschen überraschen können? Wer sich von ihm nichts erwartet, wer nicht ein bisschen Sehnsucht nach Gott verspürt – wie soll der etwas von ihm erleben? Wie soll Gott durch ihn wirken?
Darum bist du doch hier im Lichtblick-Gottesdienst, dass du durch die Musik, die Lieder, die Freundlichkeit, die Gebete oder durch diese Predigt von Gott erreicht, berührt und bewegt wirst. Gerade jetzt, in der Adventszeit, da wir uns auf das Fest der Geburt Jesu vorbereiten, geht es doch um diese innere Einstellung, dass ich mich öffne, dass ich meine Arme weit ausbreite und sage: „Ja, Herr, ich bin bereit. Komm zu mir, komm in mein Leben, tröste, heile und stärke mich!“
Wie ist das mit dir hier, ob Mann oder Frau? Spürst du etwas von dieser Sehnsucht? Hast du den Wunsch, von Gott berührt zu werden? Bist du bereit, dich ihm zu öffnen?
Ich glaube, dass diese Sehnsucht in vielen Menschen wohnt, auch in solchen, die keine Gottesdienste besuchen, die keiner christlichen Gemeinschaft angehören, die nicht glauben. Aber sie sind hilflos und sprachlos. Sie wissen nicht, wie das mit dem Glauben geht. Und dann machen sie bei besonderen Gelegenheiten plötzlich Erfahrungen, wo es sie zu Gott geradezu hin drängt. Gott scheint plötzlich nahezuliegen, wenn entweder alles ganz friedlich ist oder ganz dramatisch wird.
Ein eher glaubensferner Journalist hat vor einem Jahr in einer Zeitschrift von solchen Erfahrungen berichtet. Er fragt: »Kann es sein, dass alles von selbst so wunderbar und einzigartig ist? Dieser Sonnenaufgang über einem See in den Bergen, und der Dunst steigt von der grünblauen Wasserfläche, dass es fast nicht sein kann, dass alles einfach nur so da ist ohne Sinn, als Laune einer geistlosen Natur?… Und durch welchen Zufall sollte in all dem Chaos nach dem Urknall Musik entstanden sein, wenn nicht durch einen göttlichen?« Und dann schreibt der Journalist von den anderen Erfahrungen, den dramatischen, in denen Gott einem sozusagen rausrutscht: »Seit Jahren warst du nicht mehr in der Kirche, bist vielleicht nicht mal getauft, aber woran denkst du, wenn du im Auto sitzt und das Handy klingelt und du gehst ran, weil es das Altenheim ist, und sie sagen, du sollst dich beeilen, sie ist wieder gestürzt und jetzt geht es mit deiner Mutter zu Ende? Woran denkst du dann? Oder wenn die Herztöne des ungeborenen Kindes nicht mehr auf dem Monitor sind und die im Krankenhaus, die eben noch so burschikos zuversichtlich waren, plötzlich zu rennen beginnen und dich auf deiner Liege in den Operationssaal schieben. Woran denkst du dann?« Und der Journalist fährt fort: »Der Gedanke an Gott scheint uns in solchen Momenten ein Reflex zu sein. Weil es gut wäre, wenn zur begrenzten eigenen Kraft und zur begrenzten Hilfe der anderen Menschen noch eine Portion Übersinnliches dazu käme.«
Ja, das sind dann so Momente, die glücklichen und die dramatischen, wo es viele zu Gott geradezu hin drängt, aber dann sind sie sprachlos und hilflos und wissen damit nichts anzufangen. Wie soll ich auch einen Zugang zu ihm finden, wenn er mir fremd ist? Wie soll ich mich ihm öffnen, wenn ich keinen Schimmer habe, was und wer da auf mich zukommt? Wer nur in ganz besonderen Situationen nach Gott fragt, wie soll der im Alltag Antworten bekommen?
Ohne die Geschichten und Bilder der Bibel, ohne vertraute Lieder und geprägte Gebete, ohne andere Menschen, denen ich ihren Glauben glaube – ohne das alles habe ich keinen Mutterboden, in dem der Glaubenssame keimen und wurzeln kann.
Damit mein Glaube wachsen kann, braucht er Nährstoffe wie das Vaterunser und den Psalm 23, für die Katholiken den Rosenkranz, für uns alle die Weihnachtsgeschichte und die Lieder, die zu Herzen gehen und auch einen Gottesdienst, in dem ich inmitten anderer sitze, die wie ich eine Sehnsucht nach Gott spüren und ihren Glauben feiern.
Und darum sage ich: Bleibe neugierig auf Gott, bleibe offen für ihn wie Maria und lass dich von ihm überraschen. Für dich kommt Jesus auf die Welt und durch dich. Lass das Kind der göttlichen Liebe in dein Herz. Lass dich erfüllen von seinem Frieden, dass alle Sorge und alle Angst aus der weiche. Und tu‘s nicht irgendwann, sondern jetzt. Sage: 
Gebet: Ja, mein Gott, ich bin für dich bereit. Überrasche mich. Komm in mein Leben. Sei bei mir in meinen glücklichen Stunden und in meinem Leid. Sei bei mir am Sonntag und am Werktag, auf der Arbeit und beim Arzt, beim Einkaufen und wenn ich unterwegs bin. Komm, Jesus, du göttliches Kind, mein Hirte und Herr. Amen

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