Sonntag, 5. Oktober 2014

Im Sturm hl

203. Lichtblick-Gottesdienst am 5. Oktober 2014. Predigt: Hans Löhr

Liebe Freunde,

ja, unsere Familie war in den letzten Tagen im Sturm, wie ich es eingangs gesagt habe. Jetzt, da es meinem Schwager allmählich besser geht, legt sich auch der Sturm und wir können dankbar sein, was Gott durch die Kunst der Ärzte und die Medizin und nicht zuletzt durch die vielen Gebete bewirkt hat.
Wir sind nicht die einzigen mit Sturmerfahrung. Auch hier sind jetzt nicht wenige unter Euch, die wissen, was ich meine, die ihre Sturmerfahrung gemacht haben oder die zur Zeit selber durch stürmische Zeiten gehen müssen. Es sind nicht nur schwere Krankheiten, die uns aus der Bahn werfen. Das kann genauso eine gescheiterte Beziehung, eine zerbrochene Ehe sein oder ein Todesfall. Unser Leben wird auch erschüttert, wenn es berufliche oder finanzielle Probleme gibt oder wenn einem die Kinder Sorgen machen.
Die Bibel erzählt eine Geschichte, in der die Jünger von Jesus in einen lebensbedrohlichen Sturm geraten. Wohl die meisten von Euch kennen sie: Die Stillung des Sturms. Stimmt, diese Geschichte ist 2000 Jahre alt. Und trotzdem hat sie uns heute was zu sagen. Manchmal muss man eine alte Geschichte einfach nur öfter lesen, am besten laut und langsam. Und dann fängt sie auf einmal zu sprechen an und Du wirst mit hineingezogen in diese Geschichte und stellst verwundert fest: Da komm ja ich darin vor! Ja, in den Geschichten der Bibel kommen wir vor, Du und ich. Und wenn es nicht so wäre, dann hätten uns diese alten Geschichten auch nichts mehr zu sagen. Also hört zu:
[Bibel, Matthäus 8, 23-26] Und Jesus stieg in das Boot, und seine Jünger folgten ihm. Und siehe, da erhob sich ein gewaltiger Sturm auf dem See, sodass auch das Boot von Wellen zugedeckt wurde. Er aber schlief und sie traten zu ihm, weckten ihn auf und sprachen: Herr, hilf, wir kommen um!Da sagt er zu ihnen: Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr furchtsam? Und stand auf und bedrohte den Wind und das Meer. Da wurde es ganz still
Ein Kollege hat mich in einem Zeitschriftenartikel darauf aufmerksam gemacht, dass es bereits der erste Satz dieser Geschichte in sich hat: »Und Jesus stieg in das Boot und seine Jünger folgten ihm«. Auch unter uns gibt es einige, die nicht nur allgemein an Gott glauben, sondern die in ihrem Leben Jesus nachfolgen möchten. Die sich bei ihren Entscheidungen nach ihm richten. Und dabei geht es Ihnen wie den Jüngern: Sie machen alles richtig, sie folgen Jesus nach und geraten dennoch in einen furchtbaren Sturm. Auch wer Jesus den ersten Platz in seinem Leben einräumt, wird von Schicksalsschlägen nicht verschont. Dazu könnten jetzt einige von Euch etwas beitragen.
Wenn ich diese Geschichte aus der Bibel lese, dann sehe ich die Jünger vor mir, wie sie über eine Planke in das Boot steigen. Der Himmel ist blau, das Wasser ist ruhig. Nur am Horizont sieht man ein paar Wolken. Und dann fahren sie los mit Jesus im Boot. Sie flüstern nur, weil er eingeschlafen ist und sich ausruht. Doch dann quellen die Wolken auf und ein Sturm bricht los wie sie ihn noch nicht erlebt hatten. Der Wind heult, die Wellen gehen hoch, das Boot wird hin und her geworfen, Wasser bricht ein, das Schiff ächzt bedenklich. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sie untergehen. Und mitten in diesem Chaos schläft Jesus.
Wie war das bei Dir, als Dich schwere Schicksalsschläge getroffen hatten und Du den Eindruck hattest, als wäre Jesus für Dich nicht erreichbar, als schliefe er? Da kommt man sich verlassen vor. Da kommt man ins Grübeln und Zweifeln: »Ist Gott wirklich bei mir? Wird er mir wirklich helfen? Oder bin ich jetzt ganz und gar auf mich allein gestellt?«
zurück zu unserer Geschichte. Seht Ihr den Sturm, die Wellen, die Angst in den Gesichtern der Jünger? Doch Jesus schläft. Warum? Das fragten sich auch die Jünger. Und so gehen sie zu ihm, wecken ihn auf und schreien gegen das Tosen der Wellen und das Brausen des Sturmes an: »Herr, hilf! Wir kommen um!«
„Hilfe, Gott, Hilfe!“ – Hast Du schon mal so gebetet, geschrien? Und dann ist trotzdem nichts passiert. Jedenfalls nicht gleich. Dann hattest Du das Gefühl, von Gott und der Welt verlassen zu sein. Aber noch inmitten Deiner großen Not hat Er bereits unmerklich die Weichen gestellt und Dich allmählich aus Deiner Bedrängnis wieder herausgebracht. Das kann Tage dauern, Wochen, Monate vielleicht sogar Jahre. Ob mein Glaube so weit reichen, ob er so lange halten würde? Ich weiß es nicht. Ich kann nur hoffen, dass ich dann nicht aufgebe.
Zurück ins Boot: Jetzt schlägt Jesus die Augen auf. Er ist ganz ruhig. Er ist das Auge im Sturm. Manchmal sieht man Satellitenaufnahmen von der Erde, auf denen eine riesige Wolkendecke zu sehen ist unter der ein ein Sturm, ein Taifun tobt. Und mitten in der Wolkendecke ist ein kreisrundes Loch, durch das die Sonne scheint. Dieses Loch mitten im Sturm nennt man Auge. Da ist es ganz windstill. Das sind die Menschen sicher. Und so ein Auge im Sturm war Jesus. Und aus dieser tiefen inneren Ruhe heraus antwortet er seinen panischen Jüngern: „Ihr habt so wenig Vertrauen. Warum habt ihr Angst?“ Was für eine Frage! Sieht er denn nicht, was los ist? Begreift er nicht, in welcher Gefahr sich alle befinden?
Der Kollege hat in seinem Artikel darauf hingewiesen, dass es in fast allen Bibelübersetzungen heißt: „Warum habt ihr solche Angst?“ Oder anders: „Warum seid ihr so furchtsam?“ Aber im griechischen Urtext des Neuen Testamentes fehlt das Wörtchen ‚so‘. Denn Jesus meint nicht: ‚Ihr dürft schon etwas Angst haben, aber doch nicht gleich so!‘ Stattdessen fragt er ganz grundsätzlich: ‚Warum habt ihr überhaupt Angst? Ich bin doch bei Euch.‘
Jetzt verstehe ich auch, warum Jesus bei dem gewaltigen Sturm auf dem See hat schlafen können. Er wusste sich ganz und gar in Gott geborgen. Er wusste, dass Gott größer ist als jede Welle und jeder Sturm. Dass er Macht hat über alle bösen Mächte, über Schicksalsschläge und Katastrophen. Jesus hatte ein so großes Vertrauen zu seinem Vater im Himmel, dass er sagen konnte: „Es fällt kein Haar von Deinem Kopf, ohne dass er es weiß.“
Ein solches Vertrauen hatten die Jünger nicht. Ein solches Vertrauen habe ich auch nicht. Denn wenn ich es genau bedenke, dann geht es ja nicht nur um die Jünger, sondern um Dich und mich. Wir beide, wir alle hier sind Jesus ins Boot nachgestiegen, während wir diese Geschichte hören und darüber gepredigt wird. Und jetzt sind wir dabei, mitten im Sturm, und drohen unterzugehen. Und die Angst schüttelt uns durch. Panik überfällt uns und raubt uns jegliches Gottvertrauen.
Ja, so war es vielleicht schon mal bei dem einen oder anderen von uns. So ist es vielleicht sogar jetzt. So kann es in Zukunft sein. Du hast nichts falsch gemacht, Du hast nichts verbrochen, Du hast keine Sünde begangen – und trotzdem kommst Du in den Sturm so wie ein Hurrikan über Land zieht und unterschiedslos jeden trifft egal, ob er an Gott glaubt oder nicht.
Im Irak ist der Terror-Sturm des „islamischen Staates“ über die Christen gekommen und hat sie vertrieben. In Westafrika wütet die Ebola-Seuche und fragt nicht danach, wer gläubig ist und wer nicht. In Norwegen hat eine Blutvergiftung meinen Schwager fast umgebracht, von der niemand weiß, wie sie entstanden ist. In unseren Dörfern kämpfen Menschen gegen den Krebs. Andere leiden an Demenz. Das wühlt unsere Seele auf wie ein Orkan das Meer. Das nimmt uns jede Sicherheit.
Aber dann, plötzlich, mitten im Chaos, ein Zeichen: Jesus ist da. Er ist größer als alles, was uns bedroht. Ein solches Zeichen kann eine Karte sein, die Dir jemand schickt oder ein Lied wie hier im Lichtblick oder ein Gebet, das jemand für Dich spricht. Jesus ist da: Er schickt Dir einen Menschen, der Zeit hat, Dich anzuhören. Jemand nimmt Dich in den Arm. Jemand stellt Dir einen Kuchen vor die Tür. Jemand ruft an. Oder Du hörst diese kleine Geschichte aus der Bibel, die Dir sagt: Jesus ist da, hab keine Angst.
Das alles sind kleine Zeichen, durch die Er Dir zeigt, dass Du nicht verlassen und vergessen bist. So kommt Dein Vertrauen zurück und der Angststurm in dir vergeht.

Ich bete: „Herr, mach, wenn es sein darf, dass die Stürme vorübergehen und die Wogen sich glätten. Und wenn es jetzt noch nicht sein soll, dann sende ein Zeichen, dass Du da bist, auch wenn es scheinen will, dass Du schläfst. Amen
 

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