Sonntag, 26. Juni 2016

...und fange bei mir damit an hl

Predigt im Johanni-Gottesdienst auf dem Reisach-Friedhof
Predigttext: Römer 12,18+21
Liebe Freunde,
471 Jahre ist es her, da standen hier zum ersten Mal Bewohner aus unseren Dörfern, um mit Gottes Wort und einem Vaterunser Abschied zu nehmen von einem Toten. Seitdem sind hier zahllose Verstorbene beerdigt worden. Fast jeder von uns hat hier Angehörige liegen und für viele von uns wird hier einmal die letzte Ruhestätte sein. Auch für mich. So wünsche ich mir das jedenfalls.
Doch heute findet hier keine Beisetzungsfeier statt. Wir feiern den traditionellen Johanni-Gottesdienst auf dem Reisach-Friedhof. Dazu sind auch heuer wieder wie jedes Jahr Gäste von auswärts angereist, die hier Gräber von Angehörigen haben. Sie darf ich besonders begrüßen.
Mit den Grabsteinen vor Augen wollen wir gemeinsam der Toten ge-denken und unser Leben be-denken. Der Friedhof ist ein Ort, wo manche Maßstäbe wieder zurecht gerückt werden. Hier, auf dem Gottesacker, wird uns am ehesten bewusst, was in einem Menschenleben wichtig ist und was nicht, was zählt und was nicht. - Gedenken und bedenken - darum geht es jetzt: Lasst uns darauf besinnen, was das Leben und Zusammenleben unter uns, in unseren Häusern und Dörfern erträglich macht. Lasst uns also hier auf dem Friedhof auch unser eigenes Leben im Lichte von Gottes Wort bedenken.
Dazu hören wir das Predigtwort für den heutigen Sonntag. Es steht im Brief des Apostels Paulus an die Christen in Rom, im Kapitel 12 und heißt:
Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann.  Ist's möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem. 
Der Johanni-Tag und die Gräber hier mahnen uns an die eigene Vergänglichkeit. Sie rufen dir ins Gedächtnis, dass heute der erste Tag vom Rest deines Lebens ist. Was werden wir, was willst du mit der Zeit anfangen, die dir noch bleibt? Wirst du sie so füllen, dass du am Ende sagen kannst: „Ja, ich hatte ein erfülltes Leben trotz aller Mühe und Plage, trotz manchem Streit und Verdruss, trotz mancher Enttäuschung, manchem Schmerz und manchem Leid.“ – Ist es vielleicht sogar so, dass auch diese schwierigen Dinge, auch die dunklen Seiten dazu beitragen, dass sich ein Menschenleben erfüllt? Oder müssen wir am Ende sagen: Mein Leben ist vergeudet, verloren, vertan?
Damit das Leben gelingt, gibt der Apostel Paulus deutliche Hinweise. Zwei Sätze stechen hervor. Einmal: "Soweit es an euch liegt, sollt ihr mit jedermann Frieden halten." Und zweitens: "Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem."
Im Deutschen haben wir das Sprichwort: "Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt." Wir nehmen es zu oft zum Vorwand, um die Schuld am Unfrieden in unseren Familien und Dörfern auf andere zu schieben. Böse ist meistens immer der andere, der Nachbar, die Schwägerin, die Schwiegereltern usw. Selten kommt einer zur Einsicht, dass er selbst der böse Nachbar, die böse Schwägerin usw. sein könnte.
Doch wenn wir ein erfülltes Leben führen möchten, dürfen wir nicht darauf warten, dass es andere für uns füllen. Das müssen wir schon selbst tun. In einem Gebet heißt es dazu: "Lieber Gott, hilf, dass wir in der Familie weniger Streit haben und fange du bei mir damit an."
Im Herzen eines Menschen sammelt sich ja im Lauf eines Lebens allerhand an. Jede Enttäuschung, jede Gemeinheit, jede Kränkung und Verletzung, die uns einmal bereitet worden ist, ist darin sorgsam aufbewahrt hinter einer Tür, auf der steht "Bitterkeit". Bei nächstbester Gelegenheit holen wir das alles wieder hervor und sagen: Der oder die ist damals so und so zu mir gewesen, das vergesse ich nie. Das mag sein, dass manches nicht vergessen werden kann. Doch dann soll es wenigstens vergeben werden, so wie Gott auch mir vergibt.
Ich bin überzeugt, wenn die Toten sprechen könnten, würden sie sagen: „Macht euch die kurze Lebenszeit nicht selbst kaputt durch euren Unfrieden, euren Streit, eure Unversöhnlichkeit. Seid gut zu euch selbst und schließt Frieden, mit denen ihr euch schwer tut. Macht das rechtzeitig, bevor es zu spät ist und das kann bald sein.“ Wie viele, auch hier, leiden darunter, dass plötzlich der Tod einen Menschen geholt hat, ohne dass man sich mit ihm aussprechen und aussöhnen konnte. Jeder Grabstein hier sagt: Es gibt ein zu spät. Warte also nicht. Bring das Verhältnis zu deinen Mitmenschen in Ordnung, versuch es wenigstens, damit du dir nichts vorzuwerfen hast.
Es gibt manche Dinge, die muss man auch mal so stehen lassen ohne dass sie zu meiner Zufriedenheit geregelt werden können. Es gibt manch alten Streit, den kann man nicht mehr schlichten, sondern nur noch begraben. Wer im Recht ist und wer im Unrecht, das muss manchmal dahingestellt bleiben - auch wenn's schmerzt. Und es gibt manche Dinge, die kann einer nicht mehr vergeben, wenn die Verletzungen zu tief waren und die Folgen zu schwer. Da bleibt einem als letzte Zuflucht nur noch Gottes Erbarmen, dass er selbst auch heute das Böse mit Gutem überwindet wie er es in Jesus am Kreuz getan hat und dass er vergibt, was ein Mensch nicht vergeben kann.
Wir sind hier als Christen zum Gottesdienst versammelt, weil wir glauben, dass da einer über uns ist, der uns Menschen ins Herz sehen kann; der gerecht richtet und dafür sorgt, dass das Gute siegt und die Gerechtigkeit triumphiert. Ihm kann ich geben, was mich kränkt und was mein Herz vergiftet, damit ich wieder frei werde von diesem Ballast und mich des Lebens freue.

Amen 

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