Sonntag, 29. Oktober 2017

Was für einen Gott will ich? Was für einen Menschen will er? hl

LosungAmos sprach: Ich bin ein Rinderhirt, der Maulbeerfeigen ritzt. Aber der HERR nahm mich von der Herde und sprach zu mir: Geh hin und weissage meinem Volk Israel! Amos 7,14-15 

LehrtextWer prophetisch redet, der redet den Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung. 1.Korinther 14,3 

Liebe Leserin, lieber Leser,

'Tja, lieber Amos, hättest du nur mal den Mund gehalten, statt dich mit der Kirche, dem Bischof und der Regierung anzulegen. Du hättest in Ruhe weiterhin Vieh züchten und Maulbeerfeigenbäume anpflanzen können. Hättest du dir doch an deiner Privatfrömmigkeit genügen lassen, an deiner Innerlichkeit, und auf deine unverschämte Kritik an den gesellschaftlichen und kirchlichen Verhältnissen verzichtet, dann hätte Bischof Amazja nicht zu dir gesagt: „Hau ab! Verschwinde aus unserem Land!“ Aber du musstest dich ja auf Gott berufen, dass er es gewesen sei, der dir den Auftrag gegeben hat, der Kirche und dem Staat den Untergang anzukündigen. Was geht's dich an, Amos, wie wir, die Oberschicht der Gesellschaft, die Herrschenden, die Großgrundbesitzer und Kirchenleute Politik machen und die kleinen Leuten behandeln? Du meinst, Gott hätte was dagegen? Was bildest du dir bloß ein! Du hast ja noch nicht mal Theologie studiert. Wir aber haben unsere große Kirche, in der wir regelmäßig Geld sammeln, in der wir Weihrauch anzünden und in feierlichen Gottesdiensten Gebete zu Gott schicken, in der wir aus den alten Schriften vorlesen und den kleinen Leuten sagen, wie sie sich zu verhalten haben. Was brauchen wir da dich und deine Kritik?! Störe uns nicht! Halt die Klappe und verpiss dich!‘ (siehe Amos 7,10-17)
     So hatte man mit dem Propheten geredet. Wie es mit ihm, wie es mit Amos weiterging, wissen wir nicht. Aber solche Leute wie er wurden in der Regel einen Kopf kürzer gemacht. Und der, der sich 800 Jahre später auf Amos und die anderen Propheten berufen hat, wurde gekreuzigt. Er sagte: »Wehe euch, ihr Theologen (Schriftgelehrten) und Superfrommen (Pharisäer)! Ihr Heuchler! Den toten Propheten baut ihr Denkmäler. Dazu behauptet ihr noch: ›Wenn wir damals gelebt hätten, wir hätten die Propheten nicht umgebracht wie unsere Vorfahren.‹ Damit gebt ihr also selbst zu, dass ihr die Nachkommen der Prophetenmörder seid. Ja, weiter so, macht das Maß eurer Väter nur voll! Ihr Schlangenbrut!« (Matthäus 23,29-32) Tja, lieber Jesus, hättest du nur mal den Mund gehalten, dann hättest du friedlich in deinem Bett sterben können...
    Und jetzt zu mir. Welchen Jesus will ich? Welchen Gott? Den, der sich nur dafür interessiert, ob ich denn auch recht fromm bin oder den, der sich in mein ganzes Leben einmischt, in meine Innerlichkeit sowohl wie auch in mein Verhalten gegenüber anderen und in der Öffentlichkeit? Will ich einen Gott, der sich mit ein paar Lobpreisliedern begnügt, mit ein paar Gebeten und frommen Sprüchen an der Wand? Oder will ich einen, der mich auch herausfordert, da, wo ich lebe und arbeite Stellung zu beziehen, den Mund aufzumachen und die Ungerechtigkeit beim Namen zu nennen?
   Und was für einen Menschen will er? Wie will er mich? Reicht es ihm, dass ich glaube oder will er ebenso, dass ich das, was ich glaube auch lebe? Will er, dass ich die Verantwortlichen in Staat und Kirche für verantwortungsloses Verhalten kritisiere? Oder will er, dass ich erstmal Selbstkritik übe und über mich nachdenke, über den Balken in meinem Auge und den Schmutz vor meiner Tür und das Glashaus, in dem ich sitze? Oder will er beides? Was meinst du?

Gebet: Herr, ich danke dir für die Menschen, die mich mit dem, was sie mir von dir sagen, aufbauen und trösten. Ich will dir aber auch danken, wenn sie mich herausfordern, dass ich mich dort, wo es möglich ist, einsetze für den Schutz unserer Umwelt, für Menschen, die Unrecht leiden und für mehr Frieden im Kleinen wie im Großen. Amen

Herzliche Grüße

Hans Löhr

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