Sonntag, 8. Juli 2018

Wozu bist du da? (Taufpredigt für Lilly) hl

Liebe Susanne, lieber Oliver, liebe Taufgäste,

 ja, die Pfarrerstöchter! Johann Wolfgang von Goethe hat eine geliebt: Friederike Brion. In seinen Ses(s)enheimer Gedichten hat er ihr ein Denkmal gesetzt. Einen Satz daraus können manche Verliebte noch heute zitieren: »Und doch, welch Glück, geliebt zu werden / und lieben, Götter, welch ein Glück!«
     Ich denke, auch du, Oliver, kannst das so sagen, der du die Pfarrerstochter Susanne liebst. Aber von dir habe ich noch kein Gedicht über meine Tochter gelesen. Und umgekehrt, meine Sanne, gilt das ja auch für dich. Vermutlich können wir alle hier das so sagen. Denn welch größeres Glück kann es geben als geliebt zu werden und zu lieben?
     Das ist ja auch die Antwort auf eine der wichtigsten Fragen in einem Menschenleben, auf die Frage: Wozu bin ich da? Wer darauf antworten kann, „um geliebt zu werden und zu lieben“, hat den Sinn des Lebens gefunden. Doch ich gehe noch einen großen Schritt weiter, einen sehr großen. Liebe ist überhaupt der Sinn von allem. Sie ist das Geheimnis der Welt.
     Es mag schon Menschen geben, die, aus welchem Grund auch immer, von anderen nicht geliebt werden und deshalb unglücklich sind. Doch aus meinem Glauben heraus sage ich: Kein Mensch geht über diese Erde, den Gott nicht liebt. Und das sage ich jetzt auch unserer Lilly: Du bist ein Gotteskind. Er wollte, dass du auf diese Welt kommst. Er hat, wie die Bibel sagt, alle deine Tage in sein Buch geschrieben, die schon waren und die noch sein werden. Ohne seine Liebe gäbe es dich nicht und auch sonst niemanden und auch diese Welt nicht. Denn Gott ist das Geheimnis der Welt und sein Geheimnis ist die Liebe. Er hat es uns in Jesus entdeckt. Wir sehen es im Kind in der Krippe und im Mann am Kreuz, ein Geheimnis, stärker als alle anderen Mächte. In ihm zeigt er, wie er uns Menschen liebt. Er tut das nicht, wie viele meinen, weil wir liebenswert wären. Im Gegenteil. Er liebt dich und mich und Lilly, weil wir seine Liebe brauchen. Weil sie es ist, die uns immer wieder heilt. Aus der wir Kraft schöpfen, zu verzeihen und um Verzeihung zu bitten. Die uns immer wieder aufrichtet und einmal erlöst.
     Und wie macht Gott das? In meinem Glauben fühle ich mich von ihm persönlich geliebt auch und gerade dann, wenn es mir nicht gut geht oder wenn ich versagt habe. Aber er liebt mich auch durch andere Menschen und durch die Dinge, die mir eine Freude machen. Und manchmal liebt Gott mich auch durch das Leid, das ich erfahre. Doch das ist ein anderes Thema.
     Zu diesen Gedanken hat mich das Bibelwort angeregt, das ich zu Lillys Taufe ausgesucht habe. Es soll sie ein Leben lang begleiten und vielleicht auch so etwas wie ein Motto für sie sein. Dieses Wort steht im ersten Brief des Johannes im Kapitel vier in den Versen 7 und 19 und heißt: »Lasst uns lieben, denn Gott ist Liebe und er hat uns zuerst geliebt.«
     Damit ist eigentlich alles gesagt. Damit ist gesagt, was das für eine Kraft ist, aus der alles hervorgegangen ist, das Universum und die kleinsten Teilchen. Damit ist gesagt, was du bist und was ich bin: Ein von Gott geliebter Mensch. Damit ist auch gesagt, wozu wir da sind, nämlich seine Liebe weiterzugeben an unseren Partner, unsere Kinder, unsere Mitmenschen, unseren Feind.
     Ich wünsche Lilly von Herzen, dass sie das später einmal nicht nur hört, sondern auch erlebt. Jetzt gebt ihr, die Eltern, jetzt geben wir alle hier, Gottes Liebe an sie weiter, ob wir das glauben oder nicht. Doch wenn sie einmal alt genug ist, wird auch sie seine Liebe weitergeben. Und vielleicht wird sie dann entdecken, dass sie das Geheimnis ihres Lebens ist. Amen


​Hans Löhr ​

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