Sonntag, 16. Dezember 2018

Warum hoffen? (Predigt) hl

Lichtblickgottesdienst am dritten Advent 2018.
Predigttext: Römer 15,11b-13

Liebe Freunde,

jetzt mal ehrlich, worum geht es denn grundsätzlich im Glauben? Um Wunder, die die Naturgesetze außer Kraft setzen wie die Jungfrauengeburt? Oder dass Jesus die Fähigkeit besessen habe, auf dem Wasser zu gehen? Das sind grobe Missverständnisse, die wie eine Erbkrankheit von Generation zu Generation weitergetragen worden sind. Mit Glauben hat das aus meiner Sicht nichts zu tun.

     Ganz grundsätzlich geht es im Glauben um das Geheimnis der Welt und unseres Lebens. Um Fragen wie die:
·      Warum gibt es überhaupt das Universum, das Weltall? Warum gibt es überhaupt das Leben? Warum gibt es überhaupt uns – dich und mich? Es könnte doch einfach auch nichts geben, gar nichts.
·      Und es geht um die Frage, was ist das überhaupt für ein Geheimnis, das alles hervorgebracht hat und ohne das nichts ist, was ist,?
·      Es geht um die Fragen: Woher kommen wir, was sind wir, wohin gehen wir?
·      Es geht um die Fragen: Was können wir wissen? Was sollen wir tun? Was können wir hoffen?
·      Und schließlich geht es auch um die Fragen: Ist alles nur Zufall und Notwendigkeit und damit ohne Sinn und Ziel? Oder wirkt da in allem ein höherer Wille, der eine bestimmte Absicht verfolgt und auf ein bestimmtes Ziel hinsteuert?

     Das, liebe Freunde, sind die großen Fragen der Menschheit von Anfang an. Auf sie versuchen die Religionen eine Antwort zu geben. Und die Wissenschaften? Wenn sie seriös sind, treten sie demütig zurück, weil sie nicht imstande sind, auf solche Grundsatzfragen zu antworten. Denn da geht es nicht mehr um Wissen, das nachprüfbar und darum gesichert wäre. Da kann es nur um Interpretationen gehen. Um Glauben. Oder, wie ich meine, um Vertrauen.
     Ich kenne das Bedürfnis, dass man bei solchen Fragen gerne handfeste Antworten hätte. Etwas, woran man sich festhalten, worauf man sich verlassen, was man besitzen kann. Etwas, das zweifelsfrei ist und felsenfest. Ich kenne das Bedürfnis nach einer gesicherten Wahrheit, die unumstößlich ist.
     Doch das ist nicht möglich. Die Antworten, die uns überliefert sind und die wir selbst finden, sind keine greifbaren Steine, die wir uns gegenseitig an den Kopf werfen könnten. Die Antworten auf jene großen Fragen der Menschheit und auf das Geheimnis der Welt – sie bleiben in der Schwebe. Sie lassen sich nicht dingfest machen. Lassen sich nicht in Bekenntnisse pressen und kirchliche Dogmen sperren. Die Antworten ahnen wir in den Geschichten und Mythen der Religionen. Sie führen letzten Endes zu einem großen Staunen, welches zu Glauben und Vertrauen führt.
     Jede Religion hat ihre eigenen Geschichten und Mythen und versucht die großen Fragen der Menschheit zu beantworten. Für mich sind es die Geschichten und Mythen der Bibel, die mich das Geheimnis der Welt und meines Lebens erahnen lassen: Das, was das Alte Testament in der Urgeschichte vom Wesen des Menschen erzählt. Und dann von Abraham und Mose. Von Jakob und Josef. Von David, Hiob und den Propheten. Und vor allem, was das Neue Testament von Jesus erzählt: Seine Geburt im Viehstall. Sein Leben als einer, der Menschen heilt und sie die Liebe lehrt. Der leidet, stirbt und aufersteht. In einem Satz: In Jesus ahne ich das große Geheimnis der Welt und meines Lebens. Er nennt es Gott, den Schöpfer. Die Quelle der Liebe. Den barmherzigen Vater von allem was lebt. Ihm vertraue ich mich an.

Auf diesen Gott, liebe Freundinnen und Freunde, wie er mir in Jesus begegnet, setze ich meine Hoffnung. So hat es Paulus in dem Satz geschrieben, der dieser Predigt zugrunde liegt. Da heißt es in seinem Brief an die Christen in Rom:
      „Der Prophet Jesaja hat prophezeit: »Der Trieb, der aus der Wurzel hervorsprießt, ein Nachkomme aus der Familie Davids, wird groß werden und über die Völker herrschen. Auf ihn werden sie ihre Hoffnung setzen.« Deshalb wünsche ich für euch alle, dass Gott, der diese Hoffnung schenkt, euch in eurem Glauben mit großer Freude und vollkommenem Frieden erfüllt, damit eure Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes wachse.

Für Paulus hat sich diese Hoffnung in Jesus erfüllt. Für mich auch. Und darum setze auch ich meine Hoffnung auf ihn. Denn ich brauche sie. Ich kann Hoffnung nicht entbehren. Kann und will ohne sie nicht leben. Denn ohne diese Hoffnung hätte ich keine Freude am Leben. Würde ich von einer Sorge in die nächste laufen. Ohne diese Hoffnung hätte ich keinen inneren Frieden. Wäre ich angesichts dessen, was mit mir, meinen Kindern und dieser Welt Schlimmes passieren kann, tief beunruhigt.
     Offengestanden, meine Hoffnung gleicht eher einem schwachen Pflänzchen als einem starken Baum. Der Zustand der Welt, schlechte Nachrichten von Freunden und Bekannten, die Sorge um die Zukunft meiner Kinder und Enkel, die Frage, wie es mir mit zunehmendem Alter wohl gehen wird – das alles kann mich deprimieren, auf Deutsch „niederdrücken“. So wie ein Unwetter eine schwache Pflanze niederdrücken kann.
Das ging auch den Leuten zur Zeit der Bibel nicht anders. Und darum wünscht Paulus dir und mir mit dem heutigen Bibelwort: »Euere Hoffnung soll durch die Kraft des Heiligen Geistes wachsen.« Sie soll gegenüber den Herausforderungen, mit denen wir zu tun haben, widerstandsfähiger werden, stärker, größer. Was für den Glauben und die Liebe gilt, gilt auch für die Hoffnung: Sie soll wachsen! Zur Zeit des Paulus ist die Hoffnung nicht gewachsen durch die Politik des Kaisers in Rom. Und zu unserer Zeit wächst sie nicht durch die Politik der Regierenden in Washington, Moskau, Peking, Brüssel und Berlin. Sie wächst nicht durch die Wirtschaftskraft der Großkonzerne und nicht durch die Finanzkraft der Banken. Nicht durch das Internet und nicht durch das Militär.
Hoffnung, so Paulus, wächst durch die Kraft des Heiligen Geistes, durch die Kraft des Geistes Jesu, durch die Kraft Gottes. Er ist das Geheimnis der Welt. Und darum glaube ich, dass es eine gute Kraft ist, die alles hervorgebracht hat. Die alles lenkt und alles zu einem guten Ende bringt. Ja, das glaube ich. Oder besser, darauf vertraue ich, auf Gottes gute Kraft in meinem Leben und in der Welt. Sie lässt mich immer wieder von neuem hoffen, wenn ich verzweifeln möchte. Sie bringt immer wieder Freude in mein Leben zurück, wenn ich deprimiert bin. Sie erfüllt mich immer wieder neu mit Frieden, wenn mir so manches angst und bange machen möchte. Auf diese Kraft setze ich meine Hoffnung.

Und damit bin ich nicht allein. In den Wochen vor Weihnachten des Jahres 1839 wurden einige von den Straßenkindern sehr krank, die der evangelische Theologe Johann Hinrich Wichern aufgenommen hatte. Er hatte sie in einem Heim in Hamburg untergebracht, das er für sie gebaut hatte. In dieser trostlosen Zeit hatte Wichern eine geniale Idee. Er erfand den Adventskranz. Die Kerzen auf dem Kranz sollten ein Lichtblick sein, ein Hoffnungslicht, das zu dem Jesuskind in der Krippe führt. Und diese Hoffnung auf das nahe Weihnachtsfest sollte den Kindern neue Energie und neuen Lebensmut geben.
     Wichern hatte etwas verstanden, was auch wir verstehen: Hoffnung kann in einem Menschen ungeahnte Kräfte wecken. Kann bewirken, dass ein Kranker sich nicht aufgibt. Ein Gescheiterter den nächsten Versuch wagt. Ein Gefallener wieder aufsteht. Ein Verzweifelter neuen Lebensmut fässt. Hoffnung ahnt schon den Morgen, auch wenn die Nacht noch dunkel ist.
     Ich vertraue darauf, dass meine Hoffnung nicht ins Leere läuft, weil nicht ich sie erfüllen muss, sondern weil Gott sie erfüllt. Ich kann für das, worauf ich hoffe, beten. Ich kann dafür tun, was in meinen Kräften steht. Doch ob sich meine Hoffnung erfüllt, liegt nicht an mir, sondern an ihm. Er tut das zu seiner Zeit und auf seine Weise. Und darum gehört zur Hoffnung auch die Geduld.

In mir trage ich eine widerspenstige, aufsässige, unbelehrbare Hoffnung, dass das gute Ende von allem längst feststeht, nicht, weil ich es mir wünsche, sondern weil Gott es so will. Amen 

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