Samstag, 15. Januar 2022

Stärker als Schuld, Feindschaft und Tod hl

Losung: Er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Jesaja 53,5 

Lehrtext: Gott hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt. 2.Korinther 5,21 

Liebe Leserin, lieber Leser,

dass Unschuldige leiden, ja dass sie geopfert werden müssen, damit den Schuldigen von den Göttern vergeben wird, ist in einigen Religionen eine übliche Vorstellung. Bei den Griechen war das zum Beispiel Iphigenie. Bei den Mayas und Azteken waren das Kinder, Jungfrauen oder Gefangene. Ihr Opfer sollte den Lauf der Sonne und den Fortbestand der Welt sichern. Abraham sollte seinen Sohn Isaak opfern, um so seinen unbedingten Gehorsam Gott gegenüber zu beweisen. In der Losung wird das Leiden des unbekannten Gottesknechts als Sühneopfer für die Sünden des Volkes gedeutet. Im Neuen Testament wird dieses Motiv wieder aufgegriffen und auf Jesus übertragen. Sein Tod wurde unter anderem als Opfer verstanden, womit er die Sünder Gott wieder recht macht (Lehrtext).

Ich habe gerade durch Jesus ein anderes Gottesbild. Mein barmherziger Vater braucht keine Opfer zur Vergebung der Sünden, schon gar nicht den Kreuzestod seines Sohnes. Diese Vorstellung beleidigt meinen Glauben. Der Schöpfer von Himmel und Erde wird in seiner Ehre nicht dadurch gekränkt, dass jemand einen Ladendiebstahl begeht, über seine Mitmenschen hinter ihrem Rücken herzieht, begehrlich auf den Besitz seines Nachbarn schielt, vor der Ehe Geschlechtsverkehr hat oder fremdgeht. Wenn, dann kränkt ihn der, der an seiner Liebe zweifelt.

Warum aber ist Jesus dann am Kreuz hingerichtet worden? Weil er den Mächtigen in der damaligen Kirche im Weg war und für die römische Besatzungsmacht ein "Bauernopfer", womit wieder Ruhe und Ordnung in Jerusalem hergestellt wurde. 

Verständnis von Jesu Kreuzestod heute

Und wie kann sein Tod aus der Sicht des Glaubens heute verstanden werden? Ich verstehe ihn so, dass Jesus seine Sendung bis zuletzt nicht verraten hat. Er hat die Liebe über das Gesetz gestellt, die Barmherzigkeit über das Versagen, die Gnade über die Forderung, die Güte über die Strenge, die Vergebung über die Strafe, die Erlösung aller über die Verdammnis. Er hat Gott über eine Kirche gestellt, die die Menschen beherrscht statt ihnen zu dienen; über selbstgerechte Propheten und Prediger, die ihnen die Hölle heiß machen, statt ihnen Gott nahezubringen. Das hat die Macht dieser Leute infrage gestellt. Das hat man ihm nicht verziehen. Auslöschen, hieß die Parole, ans Kreuz mit ihm!

Hätte Jesus widerrufen, wäre er geflohen, hätte er sich einen guten Verteidiger genommen - er hätte später im Bett sterben können. Doch auf diese Weise wäre auch die gute Nachricht von Gott mit ihm gestorben. So aber hat er ihn bis zum letzten Atemzug als den bezeugt, der keins seiner Geschöpfe verloren gibt, weil er sie alle bedingungslos liebt, gerade seine Feinde; denn die haben ihn am nötigsten.

"Liebe ist stark wie der Tod", heißt es im Alten Testament. Liebe ist stärker als Schuld, Feindschaft und Tod, sagt der Gekreuzigte.

Gebet: Herr, du bist meine Sonne. Du wärmst mein kaltes Herz und bist das Licht in der Nacht meiner Sorgen. In deiner Gegenwart taut mein Lebensmut auf und die Freude öffnet ihre zarten Kelche. So kehrt der Frühling in mein Leben zurück und ich singe dir wie die Lerche ein Lied. Amen

Herzliche Grüße!
 
Hans Löhr

PS: Auch die Ermordung und das Verbrennen (= Holocaust) der Juden durch die Nationalsozialisten kann als eine moderne, säkulare Form von Menschenopfern verstanden werden, um der so "gereinigten", arischen Rasse zur Weltherrschaft zu verhelfen.

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