Wochenspruch: Christus spricht: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. (Matthäus 25,40)
Liebe Leserin, lieber Leser,
„Und man sieht nur die im Lichte. Die im Dunkeln sieht man nicht.” (Bert Brecht)
Christen schauen nach unten.
Christen aber sehen die Unscheinbaren und Unsichtbaren, die übersehen werden, weil sie nichts gelten und sich mit ihren Ellbogen nicht durchsetzen.
Stimmt das? Ja und nein.
Viele Christen verhalten sich wie alle anderen auch. Ich nehme mich da nicht aus. Mich interessiert ebenfalls, wer „die im Lichte“ der Öffentlichkeit sind und was sie machen – besonders, wenn ihre politische Macht auch mein Leben beeinflusst. Und wenn ich mit dem einen oder der anderen von ihnen persönlichen Kontakt habe, schmeichelt mir das.
Andererseits schauen auch Menschen, die mit dem Glauben nichts anfangen können, nicht weg, wenn jemand Unterstützung braucht. Viele sind sozial eingestellt und haben einen Blick und ein Herz für „die im Dunkeln“.
Das bringt mich zu der Frage: Geht es Jesus darum, ob einer Christ und getauft ist – oder darum, ob er in seinem Geist handelt und lebt? Kann das auch ein Muslim sein, eine Hindu, ein Atheist?
So wie ich Jesu Satz im Lehrtext verstehe, dient ihm, wer die auf der Schattenseite nicht übersieht. Das macht Christen zu Christen: Sie dienen ihm mit ihrer Nächsten- und Feindesliebe. Paulus sagt dazu: Diese Liebe ist noch größer als der Glaube (1. Korinther 13,13).
Und wer anders oder nicht glaubt und dennoch diesen Blick hat – auch der dient Christus, ohne es zu wissen und gehört zu ihm.
Aber wo liegt dann der Unterschied? Wenn es nicht die Nächstenliebe ist – ist es dann der Glaube?
Für mich ist es das Vertrauen, dass Gott mich liebt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger als die, die anders glauben.
Und „die im Lichte“? Auch sie können Jesus dienen. Viele tun das, ich kenne selbst einige, die ein Herz für Arme und Kranke haben.
Doch wer „die im Dunkeln” geflissentlich übersieht oder gar schlecht behandelt, der kann sich noch so demonstrativ das Etikett „christlich“ aufkleben und sich in kirchliche Leitungsgremien wählen lassen – für den gilt das Wort des Paulus: „Und wenn ich allen Glauben hätte und hätte keine Liebe, so wäre ich nichts.“ Das, liebe Leserin, lieber Leser, will ich zuerst mir selbst gesagt sein lassen.
Wer im Scheinwerferlicht steht, wird von allen gesehen. Aber die im Dunkeln „sieht man nur mit dem Herzen gut” (Antoine de Saint-Exupéry).
So will ich dich auch in denen sehen, die freundlich und herzlich zu mir sind. So oft zeigst du dich mir am Tag - und ich erkenne dich nicht. So oft hilfst du mir auch mit scheinbaren Kleinigkeiten, und ich halte das für selbstverständlich, statt dir zu danken. Wenigstens heute soll es einmal anders sein. Amen
Ihr / dein Hans Löhr
Anmerkung:
Der aktuelle Hintergrund für dieses Wort Jesu ist die Debatte über den Umgang mit Geflüchteten, Asylsuchenden und Migranten.
Ich tue mich leicht, im Sinn des Bibelwortes eine menschenfreundliche Politik zu verlangen. Wo ich wohne, gibt es kaum Migranten. Doch in manchen Vierteln unserer Städte fühlen sich Alteingesessene inzwischen selbst fremd und nicht mehr zu Hause. Sie fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. In Wahrheit werden sie mit ihren Sorgen von uns allen, von der Gesellschaft, im Stich gelassen.
Ich zum Beispiel kann von der Kanzel die Liebe auch zu den Fremden predigen, aber die konkrete Umsetzung müssen andere leisten, die das tägliche Zusammenleben gestalten.
Darum meine ich: Ordentlichen Wohnraum für Zugewanderte muss es in allen Wohngegenden unseres Landes geben – auch in den Villenvierteln –, ebenso wie zumutbare Arbeitsplätze. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, den Umgang mit zunächst Fremden zu lernen und zu praktizieren, ihnen zu begegnen, mit ihnen zu reden und zu feiern.
Dafür ist die neueste Dolmetschertechnik der Künstlichen Intelligenz auf dem Handy wie geschaffen. So können aus Fremden Bekannte, ja sogar Freunde werden.
Und wo das geschieht, erfüllen wir Jesu Wort: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, den Hungernden, Fremden, Gefangenen, Kranken, das habt ihr mir getan.
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Hinweis zu Losung und Lehrtext
1728 erschien in Herrnhut die erste Tageslosung, ein Bibelwort aus dem Alten Testament, das für jeden Tag des Jahres ausgelost wird. Dazu wird der Lehrtext, ein passendes Bibelwort aus dem Neuen Testament, ausgesucht. Ich lege Losung und / oder Lehrtext aus, weil das Nachdenken über Bibelworte den Glauben reifen lässt.
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