Liebe Leserin, lieber Leser,
Ich möchte dich etwas fragen: Hast du zu Hause einen Adventskranz? Also, ich kaufe jedes Jahr einen, denn für mich wäre die Adventszeit ohne Kranz trostlos. Mein Kranz hat vier dicke, rote Kerzen, wie wohl die meisten Adventskränze. Aber der erste Adventskranz hatte 24 Kerzen: vier große weiße für jeden Sonntag und 20 kleine rote für jeden Werktag vom 1. Dezember bis zum Heiligen Abend.
Und dieser „Kranz” war ein schlichtes, großes Wagenrad mit Holzspeichen. Aufgehängt hat es im Jahre 1839 der evangelische Pfarrer und Pädagoge Hinrich Wichern in Hamburg. Er leitete eine Einrichtung für Straßenkinder, die kein rechtes zu Hause hatten. Sie fragten ihn in der Adventszeit ständig, wie viele Tage es noch bis Weihnachten wären. Da kam er auf die Idee mit dem Rad und den Kerzen.
Damals hat man in solchen diakonischen Einrichtungen jeden Morgen eine Andacht gehalten. Pfarrer Wichern zündete dabei jeden Tag eine weitere Kerze an. Und so erlebten die Kinder, wie es immer heller und heller wurde und der Glanz von Weihnachten sich immer mehr in ihrem Speisesaal ausbreitete. Dazu sangen sie Adventslieder und Pfarrer Wichern erzählte ihnen, was Weihnachten bedeutet.
Der ursprüngliche Adventskranz war also beides: eine Art Adventskalender und Zählhilfe. Zugleich war er ein sichtbares Zeichen für die Botschaft von Weihnachten, von Jesus Christus, dem Licht der Welt inmitten von Finsternis von Krankheit, Armut und Leid. Das Tannengrün als Zeichen der Hoffnung kam erst ein paar Jahre später hinzu.
Heute nun feiern wir den dritten Advent. Ich zünde die dritte Kerze an und singe für mich ein paar Adventslieder: „Wie soll ich dich empfangen”, „Macht hoch die Tür” und das kleine schlichte Lied:
Gott kommt auf die Erde,
kommt und ist für alle da,
kommt, dass Friede werde,
kommt, dass Friede werde.
Hirt und König, Groß und Klein,
Kranke und Gesunde,
Arme, Reiche lädt er ein,
freut euch auf die Stunde,
freut euch auf die Stunde.
Seht, er wird geboren als Kind,
Gott kommt auf die Erde.
Kommt und nimmt uns, wie wir sind,
kommt, dass Friede werde,
kommt, dass Friede werde!
(Text: Friedrich Walz 1972 nach einem mährischen Weihnachtslied)
Die meisten Adventslieder kenne ich schon aus meiner Kindheit. Sie sind für mich alles andere als abgedroschen. Sie sind selber so etwas wie Adventskränze mit Licht für die Augen und die Seele.
Unabhängig davon, wie es dir gerade geht, wünsche ich dir in dieser Zeit ein paar Augenblicke der Stille, in denen solche Glaubenssymbole wie der Lichterkranz und in 10 Tagen auch der Christbaum zu dir sprechen. Augenblicke, in denen du auf die Texte der Lieder achtest und aufs Neue die Weihnachtsgeschichte hörst - wie ein Kind.
Und hier als Gebet noch zwei Strophen aus dem Adventslied „Wie soll ich dich empfangen”. Paul Gerhardt hat es 1653, kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg, geschrieben.
zu meinem Trost und Freud,
als Leib und Seele saßen
in ihrem größten Leid?
Als mir das Reich genommen,
da Fried und Freude lacht,
da bist du, mein Heil, kommen
und hast mich froh gemacht.
Nichts, nichts hat dich getrieben
zu mir vom Himmelszelt,
als das geliebte Lieben,
damit du alle Welt
in ihren tausend Plagen
und großen Jammerlast,
die kein Mund kann aussagen,
so fest umfangen hast.