Sonntag, 24. September 2023

Ich bin der „Nächste“ hl

Losung: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR. 3.Mose 19,18 

Lehrtext: Ein Samariter, der auf der Reise war, kam dahin; und als er den Verletzten sah, jammerte es ihn; und er ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn. Lukas 10,33-34

Liebe Leserin, lieber Leser,

»du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«, heißt das Gebot, das bereits im Alten Testament steht und das Jesus wieder aufgreift. Eigentlich klingt das ganz einfach. Der Nächste ist der Mensch, der mir emotional am nächsten steht. Aber lieben, also für ihn dasein, soll ich immer auch den, der mich im Augenblick am meisten braucht.

In der Geschichte vom „barmherzigen Samariter“ (Lukas 10,25-37), aus der unser Lehrtext stammt, bekommt jenes Gebot bei Jesus noch mal eine überraschende Wendung. Da heißt es mit anderen Worten: Ich bin der Nächste dem ich gerade begegne. Und als solcher soll ich ihn lieben. Nächstenliebe heißt bei Jesus als Nächster lieben abgesehen davon, wie nah oder fern mir der Mensch steht, der mir gerade über den Weg läuft. Oder noch genauer: Ich werde meinem Mitmenschen zum Nächsten im Sinne Jesu, wenn ich ihm barmherzig (Lukas 10,37) begegne, also verständnisvoll, hilfsbereit, freundlich, unabhängig davon, um wen es sich handelt oder wie freundlich oder unfreundlich er zu mir ist. Da zeigt sich, ob ich mich als Mensch und als Christ erweise.

Der Clou

Der eigentliche Clou der Geschichte vom barmherzigen Samariter wird oft übersehen. In ihr geht es um einen schwerverletzten Juden, der dringend Hilfe braucht. Aber der jüdische Priester und danach der jüdische Tempeldiener machen einen Bogen um ihren halbtoten Glaubensgenossen, vermutlich, weil sie rechtzeitig zum Tempeldienst in Jerusalem sein und sich mit dem Blut des Verletzten nicht unrein machen wollen.

Wenn ihm der Samariter, der als dritter vorbeikommt, nicht hilft, könnte man das noch am ehesten verstehen. Schließlich waren die Juden mit den Samaritern verfeindet, weil sie ihrer Meinung nach einen falschen Glauben hatten und deshalb unrein waren. Mit Samaritern gab man sich als Jude nicht ab und vermied jede Begegnung mit ihnen.

Doch der Samariter achtet nur darauf, dass der Verletzte Hilfe braucht. Die Religion, die Konfession, die Volkszugehörigkeit spielen in diesem Fall für ihn keine Rolle. Er, der Samariter, ist für den Überfallenen jetzt der Nächste. Und darum ist es an ihm, zu helfen. So einfach ist das.

Die größte Revolution in der Geschichte der Menschheit

Für Jesu jüdische Zuhörer war diese Geschichte eine Provokation. Denn seinen Nächsten lieben, wie es das Gesetz des Alten Testaments vorschreibt, ist in seinen Augen nicht mehr auf die Mitglieder des jüdischen Volkes begrenzt. Das gilt nun für jeden Menschen: für jeden Russen, Ukrainer, Asylsuchenden, Geflüchteten, Muslim, Atheisten, unabhängig von seiner Nationalität, Herkunft, seinem sozialen Status, seiner Religion, seiner  Konfession, seiner sexuellen Orientierung, seiner politischen Einstellung, seines Charakters, seiner Schuld, seinen Absichten … Ich behaupte mal, Jesu Gebot war die größte Herausforderung in der Geschichte der Menschheit – und ist es bis heute.

Aus der Kraft meines Glaubens

Es ist auch nicht so, als ob das für mich alles kein Problem wäre. Ganz im Gegenteil. Ein solches Verhalten, wie Jesus es verlangt, ist für mich eine große Zumutung. Das kostet mich enorme Überwindung. Aber wenn ich Christ sein und bleiben will, kenne ich dazu keine Alternative. Er selbst hatte vorgelebt, wie er mit denen umgegangen ist, die ihm so viel Böses angetan haben. Ich bin mir sicher, dass ich nicht so viel Liebe und Kraft habe wie er. Aber deshalb darf ich sein Gebot nicht abschwächen, dass ich der Nächste bin dem, der mir jeweils begegnet, sei es als Freund oder Feind. Und dass Jesus an mich den Anspruch hat, als ein solcher einem anderen verständnisvoll, hilfsbereit und freundlich zu begegnen. So oft ich daran scheiterte, soll und will ich keine Ausreden suchen, sondern mich zu meinem Scheitern bekennen und versuchen, das nächste Mal es besser zu machen aus der Kraft meines Glaubens.

ASB

Übrigens, das Wort „Samariter“ im Namen des Wohlfahrtsverbandes „Arbeiter-Samariter-Bund ASB“ weist auf Jesu Erzählung vom barmherzigen „Samariter“. Der Leitspruch dieser Hilfsorganisation heißt passgenau: »Wir helfen allen Menschen – unabhängig von ihrer politischen, ethnischen, nationalen und religiösen Zugehörigkeit. Wir helfen hier und jetzt.« Ob das auch für alle kirchlichen und christlichen Organisationen, Gruppen, Kreise und ihre Mitglieder gilt?                                                                                           

Gebet: Herr, du sagst mir klipp und klar wie ich mich anderen Menschen gegenüber verhalten soll. Doch das fällt mir schwer, weil ich Unterschiede machen möchte zwischen denen, die mir nahe stehen und denen, die ich nicht leiden kann, die mir weh getan haben oder die mir fremd sind. Doch ich will mich nicht an meinen problematischen Gefühlen orientieren, sondern an dir und deinem Wort. Gib mir dazu die Kraft und den Glauben. Amen                                                                                                                   
Herzliche Grüße

Ihr / dein Hans Löhr

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1728 erschien in Herrnhut die erste Tageslosung, ein Bibelwort aus dem Alten Testament, das für jeden Tag des Jahres ausgelost wird. Dazu wird der Lehrtext, ein passendes Bibelwort aus dem Neuen Testament, ausgesucht. Inzwischen erscheinen die täglichen „Losungen“ in etwa 50 Sprachen.
Ich lege Losung und Lehrtext aus, weil einer Untersuchung zufolge das Nachdenken über Bibelworte den Glauben am stärk. Sten wachsen lässt. 

6 Kommentare:

  1. Amen .....Danke für die kraftvolle Auslegung.

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  2. Liebe deinen nächsten, WIE DICH SELBST.
    Uns wurde immer gesagt, nehmt euch nicht so wichtig.
    Fangen wir an, auch uns selbst zu lieben, so wie der Herr es uns gesagt hat, dann können wir mit vollem Herzen auch den nächsten lieben. Elisabeth

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  3. Aber doch nicht "grenzenlos" bzw. mit Überforderung von Staat und Steuerbudget! Unterstützung muss erst erwiirtschaftet werden und bei Rezession und zunehmender Abwanderung von Unternehmen und Unternehmern (höchste Steuerzahler) wird das zunehmend unmöglich. Es sind auch viele Wirtschaftsflüchtlinge, die mit dem Geschäftsmodell von Schleusern verführt werden. Wie kann es sein, dass zB Afghanen zwischendurch in Afghanistan Urlaub machen und wieder zu uns kommen? Wie kann es sein, dass Flixbusse in (!) die Ukraine für Wochen ausgebucht sind?

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  4. Ich sehe das so: Wenn ein Bettler mich bittet, gebe ich ihm...
    Es liegt zunächst in der Verantwortung und beim Gewissen des Bettlers, ob das gerechtfertigt ist, nicht in meiner.
    Schwierig wird es bei der Bettelei um Waffen.... die sollte ich gar nicht geben, niemandem. Nur gutes sollte ich geben. Und das gerne.

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  5. Vielleicht fahren Ukrainische Frauen mit dem Flixbus in die Heimat,um ihre Männer nochmal zu sehen,sie zu umarmen,reden und sich gegenseitig zu trösten?

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  6. Ich finde, "Russen, Ukrainer, Asylsuchenden, Geflüchteten, Muslim, Atheisten, unabhängig von seiner Nationalität, Herkunft, seinem sozialen Status, seiner Religion, seiner Konfession, seiner sexuellen Orientierung, seiner politischen Einstellung, seines Charakters, seiner Schuld, seinen Absichten …" trifft es gut. Wobei es, außer aktuell bei den Russen, erst leicht anfängt... Begegne auch afd Anhängern mit Liebe statt mit Hass ist da schon ne größere Herausforderung...

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