Mittwoch, 22. November 2023

Problematisches Schuldbekenntnis hl

Losung: Wie könnte ein Mensch recht behalten gegen Gott. Hat er Lust, mit ihm zu streiten, so kann er ihm auf tausend nicht eines antworten. Hiob 9,2-3

Lehrtext: Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Lukas 15,18

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich möchte dich heute, am Buß- und Bettag, ermutigen, gegebenenfalls noch einmal neu über Buße und Sünde nachzudenken. Gerade Buße heißt ja im griechischen Urtext Metanoia, auf Deutsch „umdenken“, also den bisherigen Gedankenweg verlassen und einen neuen betreten. Und dazu gehe ich vom Lehrtext aus.

Um ihn zu verstehen, muss ich das Gleichnis vom ‚Verlorenen Sohn‘ (Lukas 15,11-24) kennen, in dem er steht. Damit sagt Jesus: „So wie dieser barmherzige Vater, so ist Gott.“ Doch nun zu den Einzelheiten:

Der Sohn, ein richtiger ‚Bruder Leichtfuß‘, kommt reumütig wieder nach Hause, nachdem er sein ganzes Erbe mit Frauen und Partys durchgebracht hat. Wenn schon nicht mehr als Sohn, so will er wenigstens als Knecht auf dem Hof seines Vaters arbeiten, Hauptsache, kein Hunger mehr. Er überlegt, was er wohl sagen wird, wenn er seinem Vater wieder unter die Augen tritt. Soviel ist klar, er will Reue zeigen.

Kein Interesse an Reue

Als aber sein Vater diesen abgerissenen Burschen kommen sieht, wird er von Mitleid und Freude übermannt. Er rennt (!) gleich los, drückt sein Kind an die Brust und küsst es. Der Sohn aber bleibt steif. Er will erst noch sein Sprüchlein (= Lehrtext) loswerden: ‚Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel (Gott) und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße.‘ Doch für den Vater ist das nicht wichtig. Er achtet nicht darauf und geht nicht darauf ein. Hauptsache, er hat seinen Sohn, sein Kind, wieder.

Was ist denn das für ein Buße? Liest ihm denn der Vater nicht die Leviten? Macht er seinem Sohn nicht mal Vorhaltungen wegen des liederlichen Lebenswandels und der Schuld, die dieser auf sich geladen hat? Ja, was ist mit der Reue, mit der Buße damals und heute am Buß- und Bettag? Was mit einem Sündenbekenntnis? Was mit Strafe? Es ist an der Zeit, darüber einmal nachzudenken und dann vielleicht umzudenken. Das wäre Buße.

Fromme Heuchelei?

In der Kirche, in der ich als Kind öfter war, beteten die Diakonissen und die Gemeinde: „Meine Schuld! Meine Schuld! Meine übergroße Schuld!“ Und dabei kamen sich alle recht fromm vor. Jedenfalls schien es mir so. Wenn ich Jesu Geschichte vom Verlorenen Sohn recht verstehe, braucht Gott ein solches Gebet nicht. Vielleicht ist es in seinen Ohren schlimmer noch als jede Schuld, weil es zur Heuchelei verführt und das vor ihm, dem Heiligen. Der verlorene Sohn wollte mit einem ähnlichen Sündenbekenntnis seinen Vater gnädig stimmen, schließlich wollte er ja auf dem Hof bleiben können. Das war sein Interesse. Doch er kannte seinen Vater schlecht. Er hatte nicht bedacht, dass dieser schon immer gütig war und auch dieses Mal wieder.

Mit solchen Schuld - und Sündenbekenntnissen läuft man Gefahr, Gottes Güte zu missachten oder wenigstens zu unterschätzen. Stattdessen sage ich lieber gleich:

Gebet: Ach Herr, du weißt doch, wie es um mich steht. Du kennst mein Herz. Was soll ich mich erst künstlich demütigen? Ich komme zu dir, weil du mein gütiger Vater bist, der mir das nicht nachträgt, wenn ich versagt habe. Ich komme, weil du mich liebst. Das macht mich frei, aus meinen Fehlern zu lernen und einen neuen Weg zu gehen. Amen

Ich glaube, liebe Leserin lieber Leser, dass es mir leichter fällt, mir selbst gegenüber kritisch zu sein und mich zu korrigieren, solange ich aus Gottes Vergebung lebe. Ich glaube, auch vor anderen meine Fehler und mein Versagen eingestehen und sie um Verzeihung bitten zu können, solange ich aus Gottes Güte lebe. Ich glaube, auch ihnen verzeihen zu können, ob sie mich darum bitten oder nicht, solange mich Gottes Liebe leitet, die mir in Jesus begegnet.

Herzliche Grüße,

Ihr / dein Hans Löhr

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1728 erschien in Herrnhut die erste Tageslosung, ein Bibelwort aus dem Alten Testament, das für jeden Tag des Jahres ausgelost wird. Dazu wird der Lehrtext, ein passendes Bibelwort aus dem Neuen Testament, ausgesucht. Inzwischen erscheinen die täglichen „Losungen“ in etwa 50 Sprachen.
Ich lege Losung und Lehrtext aus, weil einer Untersuchung zufolge das Nachdenken über Bibelworte den Glauben am stärksten wachsen lässt. 

4 Kommentare:

  1. Danke für diese wunderbaren Gedanken, danke für ihre täglichen Auslegungen, mit der sie uns immer wieder den liebenden Vater erkennen lassen. DANKE

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  2. Durch den Heiligen Geist bekommen wir Erkenntnis für unseren falschen Weg,und dann können wir Entscheiden ob wir Umkehren und Bereuen.Und wenn wir es tun,ist da einer der uns Bedingungslos liebt.❤️
    Herr wohin sonst sollten wir gehen.
    Wo auf der Welt fänden wir Glück?
    Niemand-kein Mensch kann uns so viel geben wie Du.
    Du führst uns zum Leben zurück.
    Nur Du schenkst uns das Lebensglück.
    🙏

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  3. Ich liebe dieses Gleichnis vom verlorenen Sohn. 2019 war ich auf einem Taizé Gottesdienst (ökumenisch) an Buß-und Bettag und mir hat sich dieser Satz der Pfarrerin eingebrannt in mein Hirn: Buße ist die Umkehr in die offenen Arme Gottes. LG Steffi

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    1. Danke. Diesen Satz merke ich mir. Der Sohn wagte nicht zu hoffen, dass ihn der Vater mit offenen Armen empfangen würde. Für Jesus ist das keine Frage. Er kennt den Vater, und durch ihn kenne ich ihn auch. Hans Löhr

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