Losung: „Der HERR dachte an uns, als wir unterdrückt waren, denn seine Güte währet ewiglich; und er erlöste uns von unseren Feinden, denn seine Güte währet ewiglich.“ Psalm 136,23–24
Liebe Leserin, lieber Leser,
in weiten Teilen unseres Landes wird seit 80 Jahren niemand mehr offen politisch unterdrückt, in ganz Deutschland seit 1989 nicht mehr. Die Losung scheint also auf uns heute nicht zuzutreffen. Doch ein zweiter Blick zeigt: Unterdrückung gibt es weiterhin – nur eben oft im Verborgenen.
Etwa in Familien, Beziehungen oder Institutionen, wo Macht missbraucht wird, wo Menschen klein gemacht oder seelisch verletzt werden. Das geschieht häufig hinter verschlossenen Türen – und wird deshalb selten wahrgenommen.
Was aber sehr wohl auf uns zutrifft, ist ein Wort aus dem Buch der Sprüche, das die heutige Losung auf beklemmende Weise ergänzt:
»11Errette, die man zum Tode schleppt, und entzieh dich nicht denen, die zur Schlachtbank wanken. 12Sprichst du: »Siehe, wir haben’s nicht gewusst!«, fürwahr, der die Herzen prüft, merkt es, und der auf deine Seele achthat, weiß es und vergilt dem Menschen nach seinem Tun.« (Buch der Sprüche Salomos 24,11+12)
Ob es in den Schriften anderer Religionen ähnliche Mahnungen gibt, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dieser Satz steht in deiner und meiner Bibel.
Ich kann mich für ihr Schicksal interessieren, mich informieren.
Kann Unterdrückern und ihren Helfershelfern jede Form von Zustimmung und Respekt entziehen.
Kann zu anderen darüber sprechen, wo Unrecht geschieht.
Kann das Leid der Gequälten vor Gott bringen – nicht, weil er es nicht weiß, sondern weil ich mich so im Gebet solidarisch an ihre Seite stelle.
Ich kann eine Menschenrechts- oder Gefangenenhilfsorganisation unterstützen.
Kann mich für das verbriefte Recht auf Asyl einsetzen.
Kann Deserteuren Schutz geben und Kriegsflüchtlingen helfen.
Vielleicht kennst du noch andere Wege. Dann teile sie gern – unten in den Kommentaren.
Und: Mein Mitgefühl für die Opfer verhindert, dass ich nur noch um mich selbst kreise. Gerade der Egoismus erscheint mir als ein besonders schlimmes, moralisches Versagen.
Wie es anders geht, hat Jesus eindrucksvoll in seiner Geschichte vom barmherzigen Samariter gezeigt. Und viele, die ihm folgen, erzählen ähnliche Geschichten – mit Taten statt Worten.
Ich glaube fest: Wenn viele kleine Leute viele kleine Lichter anzünden, wird es heller und wärmer in einer manchmal dunklen und kalten Welt.
Dann erfahren auch die Opfer und Entrechteten: Gottes Güte wirkt – und bleibt.
Gebet: Herr, du bist auf der Seite der Opfer von Krieg und Gewalt. Lass mich nicht wegsehen, wo Menschen leiden – nicht aus Angst, Bequemlichkeit oder Gleichgültigkeit. Schenke mir Mitgefühl, Klarheit und Mut. Du bist ja selbst bei denen, die unterdrückt, vergessen oder allein sind. Amen.
Herzliche Grüße,
Ihr / dein Hans Löhr