Liebe Freunde,
tick tack, tick
tack macht die Uhr und zählt Sekunden, Minuten und Stunden. Ding
dong, ding dong schlägt die Turmuhr zwölf mal um Mitternacht und kündet davon,
dass der alte Tag vergangen ist und ein neuer beginnt. Bimm bamm, bimm bamm
läuten in wenigen Stunden die Kirchenglocken das neue Jahr ein. Und jedes Mal
ist die neue Stunde, der neue Tag, das neue Jahr das erste vom Rest deines
Lebens. Jedes Mal wir der Rest kleiner. Und einmal ist es vorbei.
Solche Gedanken
können schwermütig machen. Aber so ist nun mal unsere Wirklichkeit. Und ich
meine, es ist besser, ihr ins Auge zu schauen, als vor ihr die Augen zu
verschließen.
Nein,
schwermütig wollen wir heute nicht sein. Dazu hättest du nicht in die Kirche zu
kommen brauchen. Das kannst du auch Zuhause. Stattdessen wollen wir heute im
letzten Gottesdienst dieses Jahres dankbar und zuversichtlich sein. Und das
nicht deshalb, weil uns andere dazu auffordern und sei es der Bundeskanzler.
Wir wollen dankbar und zuversichtlich sein, weil die Zeit, die vergangen ist,
Gottes Gabe war und die Zeit, die kommen wird, ebenfalls. Er hat uns bis
hierher gebracht durch gute und durch schlechte Tage. Er wird uns, so er
will, auch durch das neue Jahr bringen, durch schöne und durch schwere Stunden.
Zeit also, jetzt
noch einmal auf das alte Jahr zurückzuschauen und einen Ausblick ins neue zu
wagen.
Dass wir heute Abend hier den Silvestergottesdienst feiern können, ist alles andere als selbstverständlich. Und wenn ich es genau bedenke, liegt das nicht an mir, nicht an meinen Kräften, sondern an der Kraft dessen, zu dem wir auch heute wieder sagen: »Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.« Ihm will ich jetzt zuallererst danken.
Grund, zu klagen
Vielleicht hat
der eine oder die andere von euch heute Abend auch Grund zu klagen. Auch das
gehört zum Rückblick auf ein zu Ende gehendes Jahr, dass man auf das schaut,
was man verloren hat, auf einen Menschen, auf die Gesundheit, auf privates Glück.
Und wem danach ist, der kann und soll das heute Abend auch Gott klagen und ihm
sagen, was ihn schmerzt.
Grund, zu danken
Aber es gehört
eben auch dazu, dass ich ihm danke für alle Hilfe, die mir im alten Jahr zuteil
geworden ist und für das, was ich von ihm durch andere Menschen an guten Dingen
bekommen habe. Denn ob wir heute Abend ohne die hier sein könnten, die uns nahe
stehen, ist zumindest fraglich. Und wir könnten wohl auch nicht hier sein ohne
die, von deren Arbeit wir leben. An sie will ich mit euch jetzt einmal denken
und ihnen dabei auch danken.
Ich denke an alle, die in den Arztpraxen, Apotheken, Krankenhäusern und Impfzentren arbeiten. In der Zeit der Pandemie wird mir wieder bewusst, wie wichtig ihre Arbeit ist. Ich denke aber auch an die Friseurinnen und Friseure in ihren Salons, an die Verkäuferinnen und Verkäufer in Lebensmittelläden und Tankstellen. An die, die wir als Handwerker brauchen oder die uns mit LKWs die nötigten Waren liefern.
So viele Menschen tragen unablässig dazu bei, dass wir ein normales Leben führen können: Zeitungsausträger und Politiker, Paketboten und Erzieherinnen. Die Arbeiter und Angestellten in den Firmen, der Kaminkehrer und die Postbotin. Die Beamten und Angestellten in der Verwaltung. Alle, die in der Landwirtschaft tätig sind, in den Justizbehörden, bei der Polizei oder bei der Müllabfuhr.
Ich denke an die Künstler und Künstlerinnen. Wissenschaftler und Lehrerinnen. An die Angestellten der Bahn, die Mitarbeitende bei den Rettungsdiensten und die Freiwilligen der Feuerwehr. Sie alle und noch viel mehr, als ich jetzt aufzählen kann, sind für uns wichtig. Sie ermöglichen uns das Leben, das wir kennen und schätzen und tragen mit dazu bei, dass wir heute hier sein können.
Aber zu ihnen gehören auch alle, auf deren Schultern sie stehen und deren
Arbeit sie fortsetzen, die Rentnerinnen und Rentner. Und nicht zuletzt gehören
zu den Menschen, die das Leben am Laufen halten auch die Mütter und Väter, Omas
und Opas und wer sich sonst noch alles um die nachwachsende Generation
kümmert.
Ihnen allen
will ich mit euch heute danken für das, was sie im alten Jahr für uns getan
haben. Und da viele von ihnen hier sind, geben wir jetzt allen einen kräftigen
Applaus. – Danke!
Tiefer blicken
Nun, all diesen
Menschen zu danken, das kann auch der Bundespräsident. Schön, wenn er es tut.
Aber wir hier schauen noch etwas genauer hin und blicken tiefer. Wenn wir es
genau bedenken, wird uns bewusst, nichts von alledem wäre möglich, wenn Gott
nicht seinen Segen dazu geben würde. Wir alle sind seine Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen, ob wir das wissen oder nicht. In uns allen wirkt seine Kraft.
Und durch einen jeden von uns geschieht seine Hilfe, seine Freundlichkeit und seine Liebe, wie sie uns Jesus schenkt..
Ja, von
Menschen geht immer auch Negatives aus, das verletzt und zerstört. So sind wir
nun mal. Doch die guten Kräfte überwiegen weit die bösen, sonst würden nur
Chaos und Mord und Totschlag herrschen. Lasst uns also heute Abend nicht auf
das Schlechte starren, sondern das Gute in den Blick nehmen und dafür dankbar
sein.
Und daraus, liebe Freunde und Freundinnen,
schöpfen wir auch die Zuversicht für das neue Jahr. Ich jedenfalls sage mir am
Silvesterabend, was wir nach dieser Predigt gemeinsam singen werden:
Nun danke deinem Gott
Nun danke deinem Gott / mit Herzen, Mund und Händen /
Der große Dinge tut / an dir und allen Enden.
Der dir von Mutterleib und Kindesbeinen an
Unzählig viel zugut bis hierher hat getan.
Ja, das hat er
getan. Und darum bin ich zuversichtlich, dass er das auch morgen und im neuen
Jahr tun wird. Warum sollte er damit aufhören? Er ist doch heute derselbe, der
er gestern war und der er morgen sein wird. Darauf verlasse ich mich.
Und wenn es doch anders kommt? Wenn sich meine Gesundheit verschlechtert, wenn es Konflikte mit anderen gibt, wenn ein Unglück geschieht oder die gesellschaftlichen Probleme überhand nehmen – was dann? Dann singe ich wie die, die vor mir gelebt haben und die zu ihrer Zeit mit ihren Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, die oft größer waren als meine sind. Wie sie, so singe ich dann den nächsten Vers:
Der ewigreiche Gott / woll mir bei meinem Leben /
Ein immer fröhlich Herz / und edlen Frieden geben /
Und mich in seiner Gnad / erhalten fort und fort /
Und mich aus aller Not / erlösen hier und dort.
Liebe Freunde,
uns ist doch in dieser Zeit nicht das Paradies versprochen. Zum Leben auf
dieser Erde gehören nun mal auch Schmerzen und Leid, Enttäuschungen und Sorgen.
Aber darum vertrauen wir doch auf Gott, weil er nicht nur die Macht hat, uns so
viel Gutes zu geben, sondern auch die Kraft uns aus aller Not zu
erlösen hier und dort, heute und morgen.
So will ich mit euch zuversichtlich aus diesem Jahr ins neue gehen und durch die sich wandelnden Zeiten. Mag auch die Uhr leise ticken und die Turmuhr schlagen. Mögen auch die Kirchenglocken um Mitternacht den Jahreswechsel einläuten und daran erinnern, dass meine Zeit vergeht – ich möchte trotzdem nicht, dass Schwermut den Rest meines Lebens überschattet. Ja, einmal kommt der letzte Tag. Aber heute ist es noch nicht soweit. Darum will ich mit einem fröhlichen und dankbaren Herzen weiterleben solange mein Gott will. Amen
Lied: Nun danket alle Gott (Evang. Gesangbuch Nr. 321)
Herzliche Grüße und Gottes Segen mit Gesundheit, Freude und Zuversicht im neuen Jahr!
Ihr / dein Hans Löhr