Bibelwort zur Predigt über Matthäus 14,22-23 von Hans Löhr am 4. Sonntag nach Epiphanias (30.01.2011):
»
Sobald das Essen beendet war, drängte Jesus die Jünger, schon einmal ins Boot zu steigen und auf die andere Seite des Sees überzusetzen. Inzwischen wollte er sich von den Leuten verabschieden. Nachdem sich die Menschenmenge zerstreut hatte, stieg er auf einen Berg. Auf diese Weise konnte er für sich sein und beten. Dort blieb er allein bis tief in die Nacht."
"Such dir einen Ort zum Beten!“
Liebe Leserin, lieber Leser,
das Thema der heutigen Predigt heißt "Suche dir eine Gelegenheit und einen Ort zum Beten!". Dazu möchte ich zunächst einen Witz erzählen: Mönch Odilo beschwert sich bei Bruder Barnabas, dass der Abt ihm schon wieder was verboten hat. "Was hast du ihn denn gefragt?" "Nun ja, ich fragte, ob ich beim Beten rauchen darf. Und da sagt er nein." "Du hast bloß die Frage falsch gestellt", erwiderte Barnabas, "Du hättest fragen sollen: "Herr Abt, darf ich beim Rauchen beten?"
Doch hören Sie / höre zunächst das Bibelwort zum 4. Sonntag nach Epiphanias 2011:
»Sobald das Essen beendet war, drängte Jesus die Jünger, schon einmal ins Boot zu steigen und auf die andere Seite des Sees überzusetzen. Inzwischen wollte er sich von den Leuten verabschieden. Nachdem sich die Menschenmenge zerstreut hatte, stieg er auf einen Berg. Auf diese Weise konnte er für sich sein und beten. Dort blieb er allein bis tief in die Nacht." (Matthäus 14 nach der Bibel-Übertragung "Willkommen daheim")
Manche Dinge muss man selber machen. Wenn du gesund bist, musst du dich selbst anziehen, selbst essen. Die Frauen müssen ihre Kinder selbst zur Welt bringen. Deine Ausbildung musst du selbst absolvieren und auch auf die Arbeit musst du selbst gehen. Zahllose Dinge muss man selber machen und kann sie nicht von einem anderen machen lassen. Das gilt auch für glauben und beten. Zwar ist es schön, wenn manchmal jemand für dich betet. Aber wer glaubt, wer eine Beziehung zu Gott haben möchte, der sollte das schon selbst tun.
Jesus ist dazu immer wieder mal auf einen Berg gestiegen, um dort zu beten. Damit hat er all das hinter und unter sich gelassen, was ihn den ganzen Tag über beschäftigt hat. Er war gern mit seinen Freunden, den Jüngern zusammen. Er ging gern zu den Menschen, um ihnen zu helfen, sie zu heilen und ihnen von Gott zu erzählen. Aber er brauchte auch seine Auszeit. Und die fand er beim Beten auf einem Berg. Dort hatte er den nötigen Abstand. Dort fühlte er sich seinem Vater im Himmel näher.
Wir tun uns hier etwas schwer, einen geeigneten Berg zu finden. Es ist einfach zu umständlich, jedes Mal, wenn man beten will, auf die Zugspitze zu steigen. Aber jeder kann sich seinen Ort zum Beten suchen. Für viele ist das das Bett. Am Morgen, wenn du die Augen aufschlägst, kannst du sagen »Guten Morgen, lieber Gott, danke, dass ich diesen Tag erleben darf. Danke für die Ruhe der Nacht. Gib mir Kraft für die Herausforderungen, die heute auf mich warten und segne alles, was ich mir vornehme.« Und am Abend kannst du in deinem Bett den Tag beschließen und Gott danken, dass er dich behütet und dein Morgengebet erhört hat. Andere beten bei einem Waldspaziergang. Früher haben Bäuerinnen unter der Kuh beim Melken gebetet. Und dabei ist manche Träne in den Melkeimer getropft, wenn sie Gott ihr Leid geklagt haben. Oder man betete beim Kartoffelhacken auf dem Acker. Da hatte man Zeit, seinen Gedanken nachzuhängen und mit Gott ins Gespräch zu kommen. Heute kann man zum Beispiel beim Bügeln beten oder in der Badewanne, wo man ungestört ist. Manche fahren von der Autobahn ab auf einen Parkplatz und beten dort. Andere besuchen eine leere Kirche. Nur beim Fernsehen kann man schlecht beten.
Zum Glauben gehört, dass du dir Gelegenheiten und Orte suchst, wo du mit deinem Gott allein und ungestört bist, wo du unbeobachtet reden kannst. Wenigstens ab und zu. Und dann trage auf deinen "Gebetsberg" deine Sorgen und dein Leid hinauf. Das kann ganz schön anstrengend sein, wenn du schwere Lasten mit dir herumschleppst. Und oben magst du dann mit diesem Satz beginnen: »Mein Gott, ich muss jetzt mit dir reden …« Du brauchst nicht gestelzt daherzureden. Sprich mit Gott, wie dir der Schnabel gewachsen ist. So versteht er dich am besten.
Sag ihm alles, was dich bewegt, was du auf dem Herzen hast. Und zweifle nicht daran, dass er dich hört. Er, der das Ohr geschaffen hat, kann dich sehr wohl hören. Klage ihm dein Leid, schütte ihm dein Herz aus. Jammere ihm ruhig die Ohren voll – wenn nötig, zeig ihm deine Enttäuschungen und deine Bitterkeit. Ja, du kannst Gott auch anklagen wegen des Leids, das dich getroffen hat. Die Bibel ist voll von Anklagen gegen Gott, wenn man zum Beispiel im Buch der Psalmen liest. Trau dich also, ihm zu sagen, wie dir zu Mute ist. Halte nicht hinter dem Berg damit. Streiche nicht wie die Katze um den heißen Brei, wenn du eine Sünde zu bekennen hast, damit er sie dir vergeben kann. Komm zur Sache. Sprich mit deinem Gott Klartext. Lade alles, was dich beschwert, auf dem Gebetsberg ab, alles, was du da hinauf geschleppt hast. Wirf es, wenn es sein muss, Gott vor die Füße.
Und wenn du wieder den Ort verlässt, wo du gebetet hast, lass deine Sorgen und dein Leid dort und sage: »Gott, jetzt bist du dran. Jetzt musst du schauen, dass du aus dem, was mich so belastet, etwas Gutes für mich machst.« Ich weiß, das ist nicht ganz einfach. Die Sorgen holen uns immer wieder ein. Und doch ist es wichtig, dass man einmal so deutlich auch seine Sachen dort ablegt und dort belässt, wo man sie Gott gesagt hat. Der Glaube braucht eben auch Gesten. Er spielt sich nicht nur in Gedanken ab, sondern er soll ein Ausdruck unseres Lebens sein.
Dann aber, wenn sich die Dinge für dich zum Besseren geändert haben, wenn dein Gebet erhört worden ist, vergiss nicht, noch einmal auf den Gebetsberg hinauf zu steigen, noch einmal den Ort aufzusuchen, wo du gebetet und Gott deine Bitten vorgetragen hast. Und dann sage ihm deinen Dank, dass er dir geholfen hat.
Manche Dinge kann man nur selber machen. Dazu gehören auch glauben und beten. Such dir also eine Gelegenheit und einen Ort dazu. Du kannst beim Bügeln beten, beim Autofahren, in der Badewanne usw.. Aber vor allem rede mit deinem Gott. Denn, und damit möchte ich schließen:
»Mit Sorgen und mit Grämen
und mit selbsteigener Pein
lässt Gott sich gar nichts nehmen.
Es muss erbeten sein.«
Amen
Herzliche Grüße und noch einen schönen Sonntag!
Hans Löhr