Liebe Freunde,
Früher habe ich mir dabei immer gedacht: naja, so schlecht war das alte auch wieder nicht. Und wenn das neue ebenso so wird, wenn meine Familie und ich, wie bisher, ohne Unglücksfälle und schwere Krankheiten hindurchkommen, bin ich zufrieden. Dieses Mal ist es anders. Der Wind hat sich gedreht und bläst uns allen kalt ins Gesicht. 2022 hatten wir noch immer mit der Corona-Pandemie zu kämpfen, sind noch viele krank geworden und nicht wenige gestorben. Zusätzlich beherrscht seit Februar der Krieg in der Ukraine die Schlagzeilen und macht uns Sorgen. Und da unsere Regierung die Ukraine mit Geld und Waffen unterstützt, hat Russland den Gashahn zugedreht und die Öllieferungen eingestellt. Die Folgen spüren wir alle: rasant gestiegene Energiepreise und eine Teuerung auf fast allen Gebieten. Wie immer sind es vor allem die mit den geringen Einkommen und Renten, die an den Beschlüssen der Regierung zu tragen haben.
Dieses Mal scheint auch auf unsere Zeit zuzutreffen, was der Prophet Jesaja vor 2800 Jahren gesagt hat: »Siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker." Ja, so war es schon oft in der Geschichte. Fast möchte man sagen, das ist normal. Doch das Wort Jesajas geht noch weiter. Er sagt: »Aber über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.« (Jesaja 60,1) Was für eine Ermutigung für 2023! Und so wünsche ich mir diesmal für das neue Jahr, dass es in der Tat besser wird als das alte war, und die Dunkelheit wieder schwindet. Doch ob es so wird? Wünschen kann ich mir das. Was aber kommt, weiß Gott allein.
Wie also sollen wir in dieses neue Jahr gehen? Ängstlich, mit eingezogenem Kopf, zögernden Schritts und misstrauischen Blicken? Oder können wir als Christen erhobenen Hauptes und zuversichtlich in die Zukunft gehen?
Das alte Jahr wirft auch auf das neue seine Schatten voraus. Möglich, dass es noch düsterer wird. Aber ebenso möglich, dass es sich wieder aufhellt. Und das gilt nicht nur für die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Das gilt auch für jeden von uns persönlich. Falls du krank bist, wirst du 2023 vielleicht wieder gesund. Oder umgekehrt, der Schatten einer Krankheit legt sich auf dich. In beiden Fällen geht es darum, dass man Schritt für Schritt durch die Zeit geht, die vor einem liegt. Jeder einzelne Tag des neuen Jahres ist eine eigene Herausforderung. Jeder einzelne Tag will bewältigt werden.
Leben wie Beppo arbeitet
Und das geht am besten so, wie es Beppo, der Straßenkehrer, aus dem Roman „Momo“ einst gemacht hat. Wenn er eine lange Straße zu kehren hatte, ließ er sich nicht von der großen Arbeit entmutigen. Er begann einfach mit dem ersten Schritt, machte einen Atemzug und mit dem Besen einen Strich. Dann wieder von vorn: Schritt, Atemzug, Besenstrich. Manchmal legte er eine kleine Pause ein. Dann ging es wieder weiter. Er dachte nicht daran, wie lang die Straße ist, wie lang er braucht, ob viel oder wenig Schmutz herumliegt, ob es nass oder trocken ist, kalt oder heiß. Er arbeitete immer nach demselben Muster: Schritt, Atemzug, Besenstrich. Und auf einmal war er fertig, ohne dass er in Stress geraten war und sich verausgabt hatte.
Ich meine, die Arbeitsweise von Beppo Straßenkehrer wäre nicht schlecht, um so jeden der 365 Tage, die vor uns liegen, anzugehen: ruhig aber stetig seine Arbeit tun bis der Tag vorbei ist. Und wenn du zurückschaust, wunderst du dich, was du alles geschafft hast. Wenn du aber auf die Mühen schaust, die in einem ganzen Jahr auf dich warten, dann wachsen sie zu einem riesigen Berg. So wie Beppo arbeitet, so kann man auch seine Hausarbeit, eine Trauerzeit oder andere Krisenzeiten hinter sich bringen. Entscheidend ist, dass ich immer den jeweiligen Tag überstehe und mich nicht entmutigen lasse, wenn es nur langsam vorangeht.
Das alles gilt gerade dann, wenn es persönlich schwierig wird oder die weltweiten Probleme zunehmen. Klagen und schimpfen hilft nicht. Im Gegenteil. Stattdessen will ich tun, was ich tun kann, Tag für Tag. Der Weg ist das Ziel. Diese Einsicht gilt für ein ganzes Menschenleben. Ob ich in der Zukunft an ein bestimmtes Ziel gelangen werde, wie kann ich das wissen? Umso mehr kommt es darauf an, dass ich Schritt für Schritt in der richtigen Richtung unterwegs bin und heute meine Leben lebe so gut ich kann.
Alles hat seine Zeit
Doch etwas Entscheidendes kommt noch hinzu. Ich bin bei alledem nicht allein. Auch wenn es noch dunkler werden sollte in dieser Welt, auch wenn sich Schatten auf mein Leben legen sollten, so gilt doch der Zuspruch aus dem Bibelwort für diese Predigt: »aber über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. (Jesaja 60,1)« Jetzt schon scheint sie über deinen dunklen Sorgenwolken. Doch du brauchst Geduld, bis diese sich verzogen haben. »Alles hat seine Zeit«, heißt es in der Bibel, »Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit und ernten; weinen hat seine Zeit, und lachen; schweigen und reden; lieben und hassen hat seine Zeit; auch der Krieg und der Friede hat seine Zeit.« (Prediger 3,1-8)
Wir beide, du und ich, wir brauchen Geduld, jeder auf seine Weise. Manches können wir ändern, manches müssen wir hinnehmen. Für beides brauchen wir Kraft. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mir diese Kraft immer wieder aus dem Glauben zugewachsen ist. Doch meine wichtigste Erfahrung war und ist, dass ich meinen Weg nicht allein gehe, erst recht nicht, wenn die Zukunft in Finsternis liegt und die Aussichten auf bessere Zeiten schlecht sind. Denn ich verlasse mich darauf, dass gilt, was der Psalm 23 sagt: »Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir.« In diesem Gottvertrauen will ich heute Nacht erhobenen Hauptes aus dem alten in das neue Jahr hinübergehen. Und du kannst es mir gleichtun; denn Gott geht mit. Amen
Gebet: Gib mir Kraft für diesen Tag! / Herr, ich bitte nur für diesen, /
dass mir werde zugewiesen, / was ich heute brauchen mag. /
Jeder Tag hat seine Last, / jeder Tag bringt neue Sorgen, /
und ich weiß nicht, was für morgen / Du mir, Herr, beschieden hast. /
Aber eines weiß ich fest, / dass mein Gott, der seine Treue /
täglich mir erwies aufs Neue, / sich auch morgen finden lässt.
Und so will ich meine Bahn / ohne Sorgen weiterschreiten. /
Du wirst Schritt für Schritt mich leiten, / bis der letzte Schritt getan. Amen
(Edith Stein)
Gottes Segen zum neuen Jahr und herzliche Grüße!
Ihr / dein Hans Löhr
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1728 erschien in Herrnhut die erste Tageslosung, ein Bibelwort aus dem Alten Testament, das für jeden Tag des Jahres ausgelost wird. Dazu wird der Lehrtext, ein passendes Bibelwort aus dem Neuen Testament, ausgesucht. Inzwischen erscheinen die täglichen „Losungen“ in etwa 50 Sprachen.
Ich lege Losung und Lehrtext aus, weil einer Untersuchung zufolge das Nachdenken über Bibelworte den Glauben am stärksten wachsen lässt.
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