Samstag, 31. Dezember 2022

Der Weg ist das Ziel Silvesterpredigt 2022 hl

»Siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.« Jesaja 60,1

Liebe Freunde,
jetzt gehen sie wieder um, gehen von Haus zu Haus, die Sternsinger. Sie sammeln für einen guten Zweck und schreiben mit Kreide C + M + B 2023 über die Tür. Was die Buchstaben bedeuten? Viele meinen, C heiße Caspar, M Melchior und B Balthasar. Doch eigentlich heißt diese Abkürzung „Christus Mansionem Benedicat“ - Christus segne dieses Haus. Doch er segnet nicht Steine und Dachziegel, sondern die Menschen, die in diesem Haus wohnen. Und dann singen die Sternsinger vielleicht ein Lied und sagen noch ein Gedicht auf. Die vom Nachbarort schließen ihr Gedicht seit Jahren mit der Zeile: »Wir wünschen euch ein gutes Jahr /ein besseres als das alte war.«

Früher habe ich mir dabei immer gedacht: naja, so schlecht war das alte auch wieder nicht. Und wenn das neue ebenso so wird, wenn meine Familie und ich, wie bisher, ohne Unglücksfälle und schwere Krankheiten hindurchkommen, bin ich zufrieden. Dieses Mal ist es anders. Der Wind hat sich gedreht und bläst uns allen kalt ins Gesicht. 2022 hatten wir noch immer mit der Corona-Pandemie zu kämpfen, sind noch viele krank geworden und nicht wenige gestorben. Zusätzlich beherrscht seit Februar der Krieg in der Ukraine die Schlagzeilen und macht uns Sorgen. Und da unsere Regierung die Ukraine mit Geld und Waffen unterstützt, hat Russland den Gashahn zugedreht und die Öllieferungen eingestellt. Die Folgen spüren wir alle: rasant gestiegene Energiepreise und eine Teuerung auf fast allen Gebieten. Wie immer sind es vor allem die mit den geringen Einkommen und Renten, die an den Beschlüssen der Regierung zu tragen haben.

Dieses Mal scheint auch auf unsere Zeit zuzutreffen, was der Prophet Jesaja vor 2800 Jahren gesagt hat: »Siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker." Ja, so war es schon oft in der Geschichte. Fast möchte man sagen, das ist normal.  Doch das Wort Jesajas geht noch weiter. Er sagt: »Aber über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.« (Jesaja 60,1) Was für eine Ermutigung für 2023! Und so wünsche ich mir diesmal für das neue Jahr, dass es in der Tat besser wird als das alte war, und die Dunkelheit wieder schwindet. Doch ob es so wird? Wünschen kann ich mir das. Was aber kommt, weiß Gott allein.

Wie also sollen wir in dieses neue Jahr gehen? Ängstlich, mit eingezogenem Kopf, zögernden Schritts und misstrauischen Blicken? Oder können wir als Christen erhobenen Hauptes und zuversichtlich in die Zukunft gehen?

Das alte Jahr wirft auch auf das neue seine Schatten voraus. Möglich, dass es noch düsterer wird. Aber ebenso möglich, dass es sich wieder aufhellt. Und das gilt nicht nur für die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Das gilt auch für jeden von uns persönlich. Falls du krank bist, wirst du 2023 
vielleicht wieder gesund. Oder umgekehrt, der Schatten einer Krankheit legt sich auf dich. In beiden Fällen geht es darum, dass man Schritt für Schritt durch die Zeit geht, die vor einem liegt. Jeder einzelne Tag des neuen Jahres ist eine eigene Herausforderung. Jeder einzelne Tag will bewältigt werden.

Leben wie Beppo arbeitet

Und das geht am besten so, wie es Beppo, der Straßenkehrer, aus dem Roman „Momo“ einst gemacht hat. Wenn er eine lange Straße zu kehren hatte, ließ er sich nicht von der großen Arbeit entmutigen. Er begann einfach mit dem ersten Schritt, machte einen Atemzug und mit dem Besen einen Strich. Dann wieder von vorn: Schritt, Atemzug, Besenstrich. Manchmal legte er eine kleine Pause ein. Dann ging es wieder weiter. Er dachte nicht daran, wie lang die Straße ist, wie lang er braucht, ob viel oder wenig Schmutz herumliegt, ob es nass oder trocken ist, kalt oder heiß. Er arbeitete immer nach demselben Muster: Schritt, Atemzug, Besenstrich. Und auf einmal war er fertig, ohne dass er in Stress geraten war und sich verausgabt hatte.

Ich meine, die Arbeitsweise von Beppo Straßenkehrer wäre nicht schlecht, um so jeden der 365 Tage, die vor uns liegen, anzugehen: ruhig aber stetig seine Arbeit tun bis der Tag vorbei ist. Und wenn du zurückschaust, wunderst du dich, was du alles geschafft hast. Wenn du aber auf die Mühen schaust, die
in einem ganzen Jahr auf dich warten, dann wachsen sie zu einem riesigen Berg. So wie Beppo arbeitet, so kann man auch seine Hausarbeit, eine Trauerzeit oder andere Krisenzeiten hinter sich bringen. Entscheidend ist, dass ich immer den jeweiligen Tag überstehe und mich nicht entmutigen lasse, wenn es nur langsam vorangeht.

Das alles gilt gerade dann, wenn es persönlich schwierig wird oder die weltweiten Probleme zunehmen. Klagen und schimpfen hilft nicht. Im Gegenteil. Stattdessen will ich tun, was ich tun kann, Tag für Tag. Der Weg ist das Ziel. Diese Einsicht gilt für ein ganzes Menschenleben. Ob ich in der Zukunft an ein bestimmtes Ziel gelangen werde, wie kann ich das wissen? Umso mehr kommt es darauf an, dass ich Schritt für Schritt in der richtigen Richtung unterwegs bin und heute meine Leben lebe so gut ich kann.

Alles hat seine Zeit

Doch etwas Entscheidendes kommt noch hinzu. Ich bin bei alledem nicht allein. Auch wenn es noch dunkler werden sollte in dieser Welt, auch wenn sich Schatten auf mein Leben legen sollten, so gilt doch der Zuspruch aus dem Bibelwort für diese Predigt: »aber über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. (Jesaja 60,1)« Jetzt schon scheint sie über deinen dunklen Sorgenwolken. Doch du brauchst Geduld, bis diese sich verzogen haben. »Alles hat seine Zeit«, heißt es in der Bibel, »Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit und ernten; weinen hat seine Zeit, und lachen; schweigen und reden; lieben und hassen hat seine Zeit; auch der Krieg und der Friede hat seine Zeit.« (Prediger 3,1-8)

Wir beide, du und ich, wir brauchen Geduld, jeder auf seine Weise. Manches können wir ändern, manches müssen wir hinnehmen. Für beides brauchen wir Kraft. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mir diese Kraft immer wieder aus dem Glauben zugewachsen ist. Doch meine wichtigste Erfahrung war und ist, dass ich meinen Weg nicht allein gehe, erst recht nicht, wenn die Zukunft in Finsternis liegt und die Aussichten auf bessere Zeiten schlecht sind. Denn ich verlasse mich darauf, dass gilt, was der Psalm 23 sagt: »Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir.« In diesem Gottvertrauen will ich heute Nacht erhobenen Hauptes aus dem alten in das neue Jahr hinübergehen. Und du kannst es mir gleichtun; denn Gott geht mit. Amen

Gebet: Gib mir Kraft für diesen Tag! / Herr, ich bitte nur für diesen, /
dass mir werde zugewiesen, / was ich heute brauchen mag. /
Jeder Tag hat seine Last, / jeder Tag bringt neue Sorgen, /
und ich weiß nicht, was für morgen / Du mir, Herr, beschieden hast. /
Aber eines weiß ich fest, / dass mein Gott, der seine Treue /
täglich mir erwies aufs Neue, / sich auch morgen finden lässt.
Und so will ich meine Bahn / ohne Sorgen weiterschreiten. / 
Du wirst Schritt für Schritt mich leiten, / bis der letzte Schritt getan. Amen
(Edith Stein)

Gottes Segen zum neuen Jahr und herzliche Grüße!

Ihr / dein Hans Löhr                                                                         

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1728 erschien in Herrnhut die erste Tageslosung, ein Bibelwort aus dem Alten Testament, das für jeden Tag des Jahres ausgelost wird. Dazu wird der Lehrtext, ein passendes Bibelwort aus dem Neuen Testament, ausgesucht. Inzwischen erscheinen die täglichen „Losungen“ in etwa 50 Sprachen.
Ich lege Losung und Lehrtext aus, weil einer Untersuchung zufolge das Nachdenken über Bibelworte den Glauben am stärksten wachsen lässt. 
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13 Kommentare:

  1. Danke für alles! Ein gesegnetes neues Jahr wünsche ich Dir von Herzen. Iris

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  2. Petra Schäfer31.12.22, 08:45

    Lieber Herr Löhr, danke für diese Mut machende Predigt. Ich werde versuchen, mich bewusst immer wieder daran zu erinnern und mit dieser Hoffnung in das neue Jahr starten. Vielen vielen Dank und auch für sie und ihre Familie alles erdenklich Gute für 2023. Liebe Grüße

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  3. Das nehme ich mir zu Herzen,
    eine wunderbare Predigt,die Mut macht.
    Ihnen und Ihrer Familie wünsche ich von Herzen ein gesegnetes Neu Jahr und alles was Sie brauchen.
    Ute

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  4. Hallo Herr Löhr,
    ich wünsche Ihnen einen entspannten, behüteten Jahreswechsel und einen gesegneten Start ins neue Jahr. Vielen Dank für die vielen Impulse aus Ihren Losungsauslegungen.
    Herzliche Grüße aus der Magdeburger Börde von Sylvana

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  5. Danke für diese und alle Gedanken, mit denen sie uns in diesem Jahr begleitet und immer wieder ermutigt haben. "Fröhlich und guten Mutes" - wie die Hirten- ins Neue Jahr gehen, das wünsche ich uns allen. Mit allen guten Wünschen für Sie, lieber Hans, und all Ihre Lieben... und viel Dankbarkeit. Herzliche Altjahresgrüße an alle, Annelie

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  6. Lieber Herr Löhr, wieder mal die richtigen Worte zum richtigen Zeitpunkt für mich. Herzlichen Dank für die wertvolle Begleitung durch das Jahr 2022. Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben für das Neue Jahr 2023 Liebe, Gesundheit und viele schöne Momente. Herzlichst Elke

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  7. Ja, wieder Trost und Ermutigung bekommen! Ich danke von Herzen und wünsche ihnen Gottes reichen Segen für alle Tage, die kommen mögen!

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  8. Beispiele sollten stimmig sein! NICHT Russland hat Gas- und Öllieferungen eingestellt, sondern die EU/D selbst haben auch diese Sanktionen durchgesetzt und kaufen stattdessen anderweitig zu horrenden Preisen, die wir nun selbst nach oben getrieben haben, da diese Regierung auch von Marktzusammenhängen offensichtlich keine Ahnung haben. Die Reparaturturbine für Nordstream I haben WIR immer noch nicht an RUS zurückgegeben und ganz offensichtlich hat die USA u/ GB etwas mit der Zerstörung von Nordstream II zu tun. So kann die USA u.a überteuertes Öl & Gas an uns verkaufen.

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    1. Sagen wir es mal so: Beide Sichtweisen haben etwas für sich. Meine Meinung zum Ukrainekrieg ist den Leserinnen und Lesern dieses Blog ja bekannt. Nicht umsonst bin ich Pazifist und zwar nicht aus politischen Gründen, sondern weil mir mein Jesus-Glaube keine andere Wahl lässt.
      Mir geht es nicht um Fiktionen, Begriffe und westliche Werte, wie sie in den Regierungsparteien und in der größten Oppositionspartei sowie in den meisten Medien propagiert werden, sondern um die Menschen aus der Ukraine und Russland, die für politische Machtinteressen auf allen Seiten nationalistisch benebelt und dann geopfert werden. Jedes Gerede vom Sieg ist eine Lüge und dient nur dazu, dass der Krieg noch länger dauert und noch mehr Menschen sterben müssen. Wofür? Ob eine Mutter in der Ukraine, die durch den Krieg ihr Kind verloren hat, darauf die gewünschte Antwort geben wird?
      Wie jemand, der auf Jesus schaut, nicht jede militärische und menschenmordende Gewalt verabscheut, ist mir unerfindlich. Doch ich kann ihn deshalb nicht verurteilen. Ich bin nur tief verstört.

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  9. Bei meinem Kommentar handelt es sich nicht um eine andere Sichtweise, sondern um Tatsachen, die freilich weder unsere Regierung noch die üblichen regierungsfreundlichen Medien zugeben. Bzgl. des Pazifismus kann man unterschiedlicher Auffassung sein, wobei die bisherige Beteuerung, die NATO sei nur ein Verteidigungsbündnis seit 2022 leider nicht mehr stimmt; die US-Armee sowieso noch nie. Für ein reines Verteidigungsbündnis sah ich durchaus Notwendigkeit, aber so nicht.

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  10. Das fand ich sehr aufschlussreich;)

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  11. Schließe mich den Kommentaren gerne an;)

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