Der Wunsch, frei zu sein hl

Losung: Der HERR sieht vom Himmel auf die Erde, dass er das Seufzen der Gefangenen höre und losmache die Kinder des Todes. Psalm 102,20-21 

Lehrtext: Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei. Johannes 8,36 

Liebe Leserin, lieber Leser, 

wir im Westen sind stolz auf unsere Freiheit und schauen deshalb etwas kritisch oder mitleidig auf andere Völker herab. Doch Freiheit ist mehr als Rede-, Meinungs- und Religionsfreiheit. Gerade in einer sogenannten freien Gesellschaft wie der unseren kann man am besten erkennen, wie unfrei Menschen trotz ihrer Freiheitsrechte sind.

Vielleicht ist sogar jeder von uns in irgendeiner Weise gefangen, in irgendeiner Weise abhängig zum Beispiel von anderen, die Macht über ihn haben in der Partnerschaft, Familie, Verwandtschaft oder am Arbeitsplatz. Oder man ist gefangen in einer Krankheit oder Sucht, in der Geltungssucht, in Macht- und Geldgier, in der Sucht nach Anerkennung und Lob, in Gefallsucht. Oder in Alkohol-, Nikotin-, Tabletten- und Drogensucht. Oder im Konsumzwang, in Spiel-, Sex- oder Fernsehsucht. In der Sucht nach Handynachrichten, Likes und was es sonst noch für Arten von Abhängigkeit und Sucht gibt. Vermutlich wird jeder bei sich etwas finden, wenn er sich aufrichtig befragt. Man muss ja nicht gleich süchtig sein, es reichen schon die Dinge, die einem "zur lieben Gewohnheit" geworden sind.

Demgegenüber sagt der Lehrtext, dass wir erst dann gänzlich frei sind, wenn Christus uns frei macht. Ob das noch in diesem Leben möglich ist, weiß ich nicht. Jedenfalls habe ich seit meiner Kindheit ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung, obwohl ich mich eigentlich nicht beklagen kann, dass ich zu wenig bekäme. Inzwischen kann ich damit besser umgehen als früher. Aber frei davon bin ich trotz meines Glaubens nicht.

Abhängig von Gott

Doch eine Abhängigkeit „pflege“ ich ganz bewusst: die Abhängigkeit von meinem Schöpfer und Erlöser. Dabei brauche ich mir nur bewusst zu machen, was ohnedies gilt: In jeder Sekunde meines Lebens bin ich von ihm abhängig. Ständig müssen gleichzeitig in mir und im Universum zahllose Dinge geschehen und Prozesse funktionieren, damit ich leben kann. Allein in meinem Körper müssen unablässig, Tag und Nacht Milliarden Zellen funktionieren, damit ich am Leben bleibe. Schon eine winzige Fehlfunktion kann mein Ende bedeuten. Grund genug, um täglich dankbar zu sein, auch wenn mal andere Dinge meine Seele überschatten und meine Stimmung verdüstern.

Ja, ich bin von Gott abhängig, komplett, Gott sei Dank. Und ich gehöre ihm auch seelisch ganz und gar. Diese Ver-Bindung macht mich von allen anderen Menschen und Dingen frei. Sie dürfen keine Macht über mich haben, weil ich in Gottes „Reich“ lebe, wie Jesus sagt, und nicht im Reich anderer Mächte. Weil er mich regiert und niemand sonst. Und auch ich selbst darf mich nicht zum Knecht meiner problematischen Bedürfnisse und negativen Stimmungen, Gefühle und Gedanken machen.

Martin Luther sagt dazu: „1. Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan - durch den Glauben“ (Römer 13,8). 2. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan - durch die Liebe (Galater 4,4).“ Meine Freiheit im Glauben von allem, was mich bindet, führt mich zum Dienst der Liebe, in dem ich meinen Mitmenschen verbunden und verpflichtet bin. Je freier, je unabhängiger ich von Menschen bin, desto freier kann ich für sie sein.

Frei für andere

Nicht zuletzt deshalb unterstütze ich die Gefangenenhilfsorganisation „amnesty international“, weil jeder Mensch, der im Gefängnis sitzt, Gottes Kind ist und bleibt. Deswegen gibt es in unserem Land Gott sei Dank die Gefängnisseelsorge. Damit aber unser Rechtssystem funktioniert, müssen bestimmte Straftäter und Straftäterinnen auf Zeit eingesperrt sein. Auch dann haben sie das Menschenrecht auf anständige Behandlung und Hilfe. Doch allzu viele sind in anderen Ländern aus politischen, religiösen und Gründen ihrer sexuellen Orientierung eingesperrt und werden gefoltert. Sie haben das Menschenrecht auf Freiheit, was zugleich ein Gottesrecht ist (Losung). Sie brauchen andere, die sich für sie einsetzen und ihnen vermitteln, dass sie nicht vergessen sind.

Freiheit – ein großes Wort, ein weites Feld, ein Gottesgeschenk und zugleich eine große Aufgabe. 

Gebet: Herr, ich will frei sein von meinen Sorgen, von unguten Bindungen und Befürchtungen, frei für dich. So kann ich meinen Herausforderungen gelassener begegnen. Du weißt, selbst kann ich mich nicht befreien. Aber mit dir kann ich abstreifen, was mich bindet und tragen, was mein Los ist. Du bist es, der mich frei macht, der mich erlöst auch aus meiner letzten Not. Darum will ich, solange ich kann, für die frei und offen sein, die mich brauchen. Amen 

Herzliche Grüße,

Ihr / dein Hans Löhr    

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1728 erschien in Herrnhut die erste Tageslosung, ein Bibelwort aus dem Alten Testament, das für jeden Tag des Jahres ausgelost wird. Dazu wird der Lehrtext, ein passendes Bibelwort aus dem Neuen Testament, ausgesucht. Inzwischen erscheinen die täglichen „Losungen“ in etwa 50 Sprachen.
Ich lege Losung und Lehrtext aus, weil einer Untersuchung zufolge das Nachdenken über Bibelworte den Glauben am stärksten wachsen lässt. 
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