Gottesdienst in
Thann und Sommersdorf. Predigt von Hans Löhr
Liebe Gemeinde,
heute
düngen Bauern ihre Wiesen mit Gülle, den Exkrementen ihrer Tiere. Wir kriegen
das im Pfarrhaus sozusagen hautnah mit, wenn für den nächsten Tag Regen
angekündigt ist. Dann laufen die Güllepumpen heiß und kurz darauf zieht ein
strenger Geruch durch unseren Garten und, wenn wir nicht schnell die Fenster
schließen, auch durch unser Haus.
Aber
der Geruch von Gülle ist noch harmlos gegenüber dem Gestank von Odl (= Jauche),
womit Bauern in früheren Jahrzehnten die Äcker gedüngt haben. In den Odlgruben
wurden früher die Ausscheidungen von Tieren und Menschen gesammelt. Oft stand
das Plumpsklo direkt an der Odlgrube. Hat man den hölzernen Deckel vom „Donnerbalken“
entfernt, hat es entsprechend von unten heraufgestunken.
Wenn
die Grube voll war, wurde die Jauche mit Blecheimern, die an einer langen Stange
befestigt waren, in ein Fass gefüllt, ein großes längliches Fass aus Holz, das
auf einem Wagen mit Eisenrädern montiert war. Und diesen Wagen zogen dann die
Zugtiere auf die Äcker, wo der Inhalt als Dünger für die Pflanzen entleert
worden ist.
Aber
bis dahin wurde das Fass oft durchs ganze Dorf gezogen. Und wenn das
Einfüllloch oben nicht gut verschlossen war, schwappte die Jauche heraus und
hinterließ eine intensiv stinkende Spur. So habe ich es aus meiner Kindheit
noch in Erinnerung. War aber die stinkende Brühe erst mal auf den Feldern, dann
entfaltete sie ihre positive Wirkung. Dann wurde sie zum Dünger und förderte
das Wachstum der Pflanzen.
Auf
ähnliche Weise erleben auch wir Dinge, die zum Himmel stinken und die wir nicht
mögen. Wir fragen uns, warum gibt‘s auf der Arbeit so viel Schwierigkeiten? Warum
klappt‘s in meiner Partnerschaft nicht so wie ich mir das wünsche? Warum muss
ich immer wieder mit Krankheiten kämpfen? Warum nur muss ich mir so viel Sorgen
um meine Kinder machen? Und so weiter. Manchmal ist das Leben ein blühender und
duftender Rosengarten. Aber manchmal auch ein stinkendes Jauchefass.
Vielleicht
kommt daher, warum so viele Menschen so oft und nahezu in allen Sprachen ein
Wort verwenden, das mir meine Mutter verboten hatte und das ich jetzt in der
Predigt nur einmal sage: „Scheiße“. Wenn ich das als Kind oder Jugendlicher
gesagt habe, hat mir meine Mutter einen Klaps auf den Mund gegeben. Darum sage
ich heute stattdessen oft „Mist“.
Und
das, wozu ich Mist sage, ist auch etwas, was mir stinkt, was ich nicht gut
finde, worüber ich mich ärgere. Vielleicht geht es dir ja ähnlich. Aber ich
denke, dass wir da einen Fehler machen. Natürlich soll es möglichst wenig Mist
in unserem Leben geben. Aber ganz vermeiden kann das niemand. Und deshalb meine
ich, wir sollten das, was wir für uns Mist ist, ähnlich ansehen wie ein Bauer
den Mist, die Jauche und heute die Gülle ansieht. Was da so stinkt, ist eben
auch wertvoller Dünger, den es braucht, damit etwas gut wachsen und fruchtbar
werden kann.
Deshalb
ist auch das stinkende Zeug in unserem Leben, die Enttäuschungen und
Niederlagen, Krankheiten, Verluste und Unglück und was sonst noch stinkt, - deshalb
ist all das auch so etwas wie Dünger, der uns helfen kann besser zu wachsen, zu
blühen und ein fruchtbares und erfolgreiches Leben zu führen, dazu uns Gott
bestimmt hat. Dieser stinkende Dünger in unserem Leben hilft uns, das zu
entfalten, was in uns steckt und so über uns selbst hinauszuwachsen. Das
stinkende Zeug ist also nichts, was dich behindert, sondern fördert. Gott hat
dir kein Leben gegeben, in dem es keine Schwierigkeiten geben würde, keine
Probleme, kein Leid und keine Tränen. Aber er hat dir ein Leben gegeben, in dem
diese Schwierigkeiten und Probleme, das Leid und die Tränen ein guter Dünger für
dich sein können, damit du daran wächst und aus alledem stärker hervorgehst.
Wenn
ich also immer wieder einmal mit Schwierigkeiten zu kämpfen habe und dann leise
oder laut sage „so ein Mist!“, so wäre es klug, gleichzeitig zu sagen: „Okay,
das ist jetzt großer Mist. Das alles stinkt mir gewaltig. Aber das muss mir
jetzt auch zu etwas Gutem dienen. Dieser Mist, diese stinkende Zeug ist mein
Dünger. Es soll mich stärker machen. Und darum lasse ich mich jetzt von den
Problemen nicht unterkriegen. Ja, das wäre klug. Leider sehe ich das nicht so,
solange ich mich aufrege, solange ich wütend oder enttäuscht bin. Aber mit
etwas Abstand kann ich das dann doch so sehen.
Und
du kannst das auch. Auch du kannst zu dir sagen: „Was ich gerade erlebt habe,
ist großer Mist. Es stinkt mir gewaltig, wie mich andere behandeln. Aber sie sollen
zugleich mein Dünger sein egal ob Chef oder Kollege. Was da gerade auf der
Arbeit los ist, stinkt zum Himmel. Aber jetzt soll das alles für mich eine
positive Wirkung haben. Ich sehe diesen ganzen stinkenden Mist als Dünger, der
mich wachsen lässt und weiterbringt.“
Der Apostel
Paulus hat das auf seine Weise ausgedrückt, wenn er schreibt: „Denen, die Gott
lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen.“ Und zu allen diesen Dingen gehört
eben auch der Mist, den man einem Menschen immer wieder mal vor die Füße kippt
und der dann zum Himmel stinkt.
Alle
diese stinkenden Dinge erfüllen einen Zweck, den ich vielleicht im Augenblick
nicht erkenne. Doch sie sind so etwas wie Dünger für mich. Sie sollen mich
nicht behindern, sondern fördern und voranbringen.
Der biblische Josef zum Beispiel,
den seine Brüder loshaben wollten, den sie in eine Grube warfen, in die
Sklaverei nach Ägypten verkauften, wo er dann auch noch unschuldig im Gefängnis
landete – dieser Josef hätte bis zum Ende seiner Tage jammern und sein
Schicksal beklagen können, warum in seinem Leben so viel Mist passiert.
Vermutlich würde er dann bis heute in der Grube stecken oder im Gefängnis
sitzen. So aber hat er sich nicht unterkriegen lassen. Er hat nach dem Motto
gehandelt: „Was mich nicht umbringt, macht mich nur stärker. Ich höre nicht
auf, auf Gott zu vertrauen. Er wird dafür sorgen, dass mir auch Grube und
Gefängnis zum Besten dienen müssen.“
Und so kam es dann auch. Als Josef
ganz unten war, begann sein märchenhafter Aufstieg bis zum Stellvertreter des
Pharao, des Königs von Ägypten.
Er wird so ähnlich gebetet haben
wie jener Mensch im Psalm 42, der ganz viel Mist erlebt hat, und nun zu sich
sagt: »Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Vertraue
auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er mir hilft.«
Dieser Glaube, liebe Freunde, ist eine
Lebenshilfe gerade in schwierigen Zeiten. Damit kann ich noch inmitten meiner
Probleme schon darauf vertrauen, dass Gott mir hilft und die Zeit kommt, in der
es mir wieder gut geht.
Im Psalm 30 heißt es dazu: »Wenn
wir am Abend noch weinen und traurig sind, so können wir am Morgen doch wieder
vor Freude jubeln. Du, Herr, verwandelst mein Klagelied in einen Freudentanz.
Du ziehst mir die Trauerkleider aus und bekleidest mich mit einem Festgewand.«
Diese Erfahrung, die Menschen in
der Bibel gemacht haben, hat doch jeder von uns auch schon mehrmals gemacht. Da
ging es uns so richtig schlecht aus welchem Grund auch immer. Da hatten wir den
Eindruck, dass es nie wieder gut würde, dass unser ganzes Leben nur noch zum
Himmel stinkt. Und dann ging der Abend unter Tränen vorbei und am Morgen war es
schon besser. Und dann kam die Stunde, wo wir auch wieder gelacht haben,
fröhlich und zuversichtlich waren. Manche meinen, das sei halt irgendwie so.
Aber die Bibel sagt, und ich möchte mich ihr anschließen, dass Gott es ist, der
das Blatt wendet, der uns vom Misthaufen wieder herunterholt, aus dem Unglück
befreit und uns in ein besseres Leben bringt.
Wenn du dann auf die schwierige
Zeit zurückschaust, dann wirst du wahrscheinlich sagen: „Ja, das war damals
hart. Und ich möchte das auch nicht wieder erleben. Aber ich möchte diese
Erfahrungen auch nicht missen. Denn in der Zeit meines Unglücks bin ich nur
stärker geworden. Ich bin am Leid gewachsen. Die Trauer hat mich reifer
gemacht. Die Enttäuschungen haben mir geholfen, von falschen Erwartungen und Träumen
Abschied zu nehmen.“
Doch nun gibt es ehrlicherweise
auch Schwierigkeiten, die nicht wieder vergehen, zum Beispiel gesundheitliche
Probleme. Dann bist du vielleicht chronisch krank oder weißt, dass deine
Krankheit nicht geheilt werden kann. Das ist zunächst einmal ein ganzes Fass
voll Jauche, die dein Leben verpestet. Doch wenn der Apostel Paulus recht hat,
dann kannst du gerade in solchen Zeiten Gott besonders nah sein und auch diese
Dinge müssen dir zum Besten dienen. Du lernst es dann, mit solchen Problemen zu
leben, ohne dass deine Welt zusammenbricht. Und vielleicht hilft dir dann auch
deine Krankheit, zu dir selbst und zu deiner Familie noch mal an ganz anderes
Verhältnis zu bekommen wie du es sonst hattest: intensiver, bewusster,
dankbarer. Auch dann wächst du, wächst dein Glaube an diesen Problemen, wird er
reifer und stärker.
Die Liederdichter und Mystiker
Gerhard Tersteegen hat einmal von dem biblischen Leidensmann Hiob folgenden
Satz gesagt: »Ist´s etwas Großes,
dass die Engel Gott loben? Nein, denn wenn wir an ihrer Stelle wären, würden
wir es auch tun. Aber ich meine, dass Hiob auf seinem Misthaufen Gott lobte,
das war etwas Großes, und dieses Lob gefiel Gott besser als das Lob aller Engel.«
Ja, der mit Unglück und Krankheit geschlagene Hiob saß, so erzählt
es die Bibel, auf einem Misthaufen, kratzte sich mit Scherben seine Wunden, war
ein Bild des Jammers und hat trotzdem Gott gelobt. Ich erwarte von niemandem,
dass er das auch so kann. Ich erwarte das auch von mir nicht. Aber das erwarte
ich schon von mir, dass ich nicht gleich aufgebe, wenn die Widerstände in
meinem Leben größer werden, wenn die Dinge nicht so laufen, wie ich das will,
wenn ich vor großen Problemen stehe und nicht weiß, ob und wie ich damit
klarkomme. Ich erwarte von mir selbst, dass ich auch in Unglück und Leid an
meinem Gott festhalte und darauf vertraue, dass er den Weg durch das finstere
Tal kennt und ich mit seiner Hilfe hindurchkomme.
Erinnert ihr euch noch an den Heiligen Abend 2014 als ich hier in
die Kirche einen Schubkarren voll Kuhmist hereingeschoben habe? Leider hat der
Mist nicht so gestunken, wie ich mir das vorgestellt hatte. Und trotzdem war
dieser Schubkarren ein Zeichen. Ein Zeichen dafür, dass Gott in seinem Sohn in
die tiefsten Tiefen menschlichen Lebens hinabgekommen ist. Dorthin, wo es
stinkt und kalt ist, wo Menschen arm und hoffnungslos sind. Dorthin, wo
Menschen krank und ausgestoßen sind. Diesen Menschen ist er in Jesus Christus
erschienen nicht nur, um ihnen zu helfen, sondern um uns allen zu zeigen, dass
niemand verloren und verlassen ist, der ihm vertraut.
Da wo es damals nach den Exkrementen von Ochs und Esel gestunken
hat, nach Pisse und Kot, da ist der Erlöser zur Welt gekommen, dein und mein
Retter. Das feiern wir an Weihnachten. Das glauben wir auch im August.
Ja, liebe Freunde, es gibt viele Dinge, die uns stinken, die zum
Himmel stinken. Doch sie sollen für uns so etwas wie ein Dünger sein, der uns dazu
dient, dass wir wachsen und blühen. Amen