Predigt im Lichtblickgottesdienst am Sonntag Exaudi
Liebe
Freunde und Freundinnen des Lichtblickgottesdienstes,
hier, im hinteren Teil der Aula, wo die meisten von
euch sitzen, habe ich früher die vierte Klasse Grundschule unterrichtet. Das
scheint mich tief geprägt zu haben, weil ich euch jetzt eine Frage stelle, wie
ich sie auch meinen Schülern damals hätte stellen können. Ich bitte euch
trotzdem, darauf einzugehen, weil die Antwort für diese Predigt wichtig ist.
Nun denn:
Welches sind die Merkmale eines Esels? [HL wartet auf
Antworten] Das Merkmal, auf das es mir heute ankommt, ist die Farbe seines
Fells. Esel sind für gewöhnlich grau. Jedenfalls kenne ich keine anderen.
Pferde können Rappen sein, schwarz wie die Nacht, oder Schimmel, weiß wie eine
weiße Weste, die ich leider nicht habe. Esel aber sind weder das eine noch das
andere. Sie sind grau.
Streit in der Friedensrunde
Mitte der Neunzigerjahre, während des Bürgerkriegs im
ehemaligen Jugoslawien, leitete ich die Münchner Friedensrunde für Kroaten,
Serben, Muslime und Deutsche. Es lag mir und anderen Friedensfreunden daran,
dass die verfeindeten Volksgruppen wenigstens in Deutschland miteinander ins
Gespräch kamen und aufeinander hörten. Die Friedensrunde war gut besucht.
Entsprechend ging es oft hoch her. Immer wieder gab es Beschuldigungen,
Geschrei und manchmal auch Tränen.
Einmal sagte eine Kroatin: „Wenn wir alle schwarz-weiß
denken, hier die Guten, dort die Bösen, hier die Unschuldigen, dort die
Schuldigen, dann kommen wir nicht weiter. Wir alle hier sind weder schwarz noch
weiß sondern grau wie die Esel.“ Ihr Satz hat die Situation augenblicklich
entspannt. Ich habe sie dafür bewundert. Immerhin gehörte auch sie zu den
Betroffenen jenes unseligen Bürgerkriegs.
„Wir alle hier sind weder schwarz noch weiß, sondern
grau wie die Esel.“ Auch ihr, die ihr hierher zum Lichtblickgottesdienst
gekommen seid. Und ich natürlich auch. Vor den Menschen möchten wir gerne weiß
sein, gerecht und gut. Aber wir wissen selbst, dass das nicht stimmt. Gott
kennt unsere wirkliche Farbe am besten und weiß, dass seine Menschenkinder grau
sind und bleiben. Darum sage ich schon mal: Vorsicht vor denen, die sich für
die Guten halten! Sie machen damit andere automatisch zu Bösen. Vorsicht vor
denen, die sich selbst für gerecht halten! Was sind sie anderes als
selbstgerecht?
Wir Menschen neigen nun mal dazu, anderen und auch uns
selbst etwas vorzumachen. Wir versuchen, uns von unserer besten Seite zu zeigen
und verstecken die weniger guten. Wir waschen gern unsere Hände in Unschuld und
geben darum anderen die Schuld für das, was schief läuft. Doch Gott können wir
nichts vormachen. Er kennt uns durch und durch, vor allem unsere Schwächen und
bösen Gedanken. Doch deshalb müssen wir vor ihm keine Angst haben, denn genau
zu Menschen wie wir sind, ist Jesus gekommen, um zu vergeben und zu heilen. Aber
zu den anderen, die wir nicht leiden können, ist er auch gekommen. Wir alle
gehören nun mal zur Familie der grauen Esel.
Hört dazu nun das heutige Bibelwort für diese Predigt.
Es ist die Losung für diesen Sonntag Exaudi und heißt:
Losung: Herr, erfreue mich
wieder mit deiner Hilfe, und mit einem willigen Geist rüste mich aus. Psalm 51,14
In seinem Zusammenhang heißt das heutige Losungswort: »Schaffe in mir Gott ein reines Herz und gib mir einen
neuen, beständigen Geist. Verwirf mich nicht vor deinem Angesicht und nimm
deinen Heiligen Geist nicht von mir. Erfreue mich wieder mit deiner Hilfe, und
mit einem willigen Geist rüste mich aus.«
Reines Herz und neuer Geist. Ja, das brauche ich. Nicht nur einmal,
sondern immer wieder. Als Kind habe ich manchmal gebetet: »Ich bin klein, mein
Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein.« Das ist ein, ich
sage mal, niedliches Gebet. Als kleines Kind versteht man es sowieso nur
bedingt. Als Erwachsener und Vater von vier Kindern weiß ich, dass
auch ein Kinderherz nicht „rein“, nicht weiß ist.
Niemand ist rein. Wenn überhaupt, dann bin und bleibe ich ein Sünder, dem durch Gottes Gegenwart in Jesus vergeben ist. Da
erlebe ich, dass mein Herz wieder neu wird, auch wenn ich ein alter Esel
bin. Aber rein bleibt es nicht. Dazu gibt es zu viele Menschen und Dinge, die in
mir negative Gefühle und Gedanken auslösen.
Stopp
Immerhin hilft mir mein Glaube, dass ich mich inzwischen selbst zur
Ordnung rufe, wenn ich mich ärgere und von einem anderen Menschen denke „du Depp“
oder „blöde Kuh“. Wie gesagt, ich denke das nur und sage es nicht. Macht das
die Sache besser? Vor Gott nicht. Wenn also solche Gedanken in mir
aufsteigen, sage ich zu mir: ‚Hans, was soll das? Hör auf damit!‘. Das
stoppt die Spirale der negativen Gedanken und ich muss mich nicht vor mir selber schämen.
Aber es hat schon gedauert, bis ich soweit war. Lange war es für mich
kein Problem, so über andere zu denken. Geholfen hat mir bei meinem
Sinneswandel auch, dass ich mir bei Menschen, die ich nicht leiden kann, sage:
‚Auch er, auch sie ist ein Kind Gottes wie du und wird von ihm genauso geliebt
wie du. Also reiß dich zusammen.‘ Das gilt vor allem für bestimmte Politikerinnen
und Politiker, denen gegenüber ich besonders allergisch bin. Auch sie sind wie
ich Kinder Gottes und graue Esel und Eselinnen – um mich korrekt auszudrücken.
Auch sie soll ich lieben, wenngleich ich dann im Stillen sage: ‚Herr, da mutest
du mir aber ganz schön was zu‘. Und dann habe ich den Eindruck, dass er zu mir
sagt: ‚Und du bist manchmal auch eine ganz schöne Zumutung für mich. Aber
gerade deshalb liebe ich dich.‘
Immer wieder brauche ich seinen Geist, damit auch meiner wieder neu werden kann. Meiner ist leider unbeständig und schimmelt schnell wie ein Glas
Marmelade, das zu lang im Kühlschrank steht. Und mir nichts dir nichts bin ich
wieder im alten Fahrwasser und falle zurück in schlechte Angewohnheiten, in
Vorurteile und Vorwürfe, in Abneigungen und negative Gedanken. Und doch
verwirft mich Gott nicht vor seinem Angesicht, entzieht mir nicht den Schutz
und die Hilfe seines heiligen Geistes, sondern gibt mir eine neue Chance, einen
neuen Geist, wie es in Psalm 51 heißt. Das, liebe Freunde und Freundinnen,
glaube ich. Und das hilft mir.
Ich hab mir bisher nur wenige Gedanken gemacht, warum wir in die
Weihnachtskrippe einen Esel stellen, warum das kleine Jesuskind mit seinen
Eltern auf einem Esel nach Ägypten geflohen ist, wie man auf vielen Bildern sehen
kann. Warum Jesus auf einem Esel in Jerusalem eingeritten ist und nicht hoch zu
Ross. Dafür mag es verschiedene Gründe geben. Aber jetzt ist mir vor allem einer
wichtig. Jesus ist ein besonderer Freund dieser grauen Geschöpfe. Sie passen so
gut zu uns Menschen. Sie erinnern ihn daran, mit wem er es zu tun hat, wenn er
zu dir und zu mir kommt. Wir sind nicht seine Reittiere, aber seine grauen Freunde.
Wo er im Glauben und im Leben eines Menschen eine Rolle spielt, da
verändert sich auch unser heutiges Psalmwort. Da wird aus einem Bittgebet ein
Vertrauensgebet, ein solches, wie es der Psalm 23 ist. In ihm bittet der Mensch
Gott nicht mehr um dieses und jenes, da sagt er nicht „lieber Gott, sei bitte
mein Hirte“, sondern bekennt „der Herr ist mein Hirte“. Und genauso
kannst du es mit unserem heutigen Predigtwort machen und bekennen:
»Gott, der Herr, schafft in mir ein reines Herz und gibt
mir einen neuen, beständigen Geist. Er verwirft mich nicht vor seinem Angesicht
und nimmt seinen Heiligen Geist nicht von mir. Er erfreut mich
wieder mit seiner Hilfe, und mit einem willigen Geist rüstet er mich
aus.« Das
ist so. Darauf verlasse ich mich.
Einen solchen Glauben nennt man Gottvertrauen. Und davon, liebe
Freundinnen und Freunde, kann man nicht genug haben, schon gar nicht in unserer
Zeit. Amen
Herzlich grüßt und einen gesegneten Sonntag wünscht
Ihr / dein Hans Löhr
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1728 erschien in Herrnhut die erste Tageslosung, ein Bibelwort aus dem Alten Testament, das für jeden Tag des Jahres ausgelost wird. Dazu wird der Lehrtext, ein passendes Bibelwort aus dem Neuen Testament, ausgesucht. Inzwischen erscheinen die täglichen „Losungen“ in etwa 50 Sprachen.
Ich lege Losung und Lehrtext aus, weil einer Untersuchung zufolge das Nachdenken über Bibelworte den Glauben am stärksten wachsen lässt.