Sonntag, 21. Mai 2023

Neues Herz für alte Esel (Predigt) hl

Predigt im Lichtblickgottesdienst am Sonntag Exaudi

Liebe Freunde und Freundinnen des Lichtblickgottesdienstes, 

hier, im hinteren Teil der Aula, wo die meisten von euch sitzen, habe ich früher die vierte Klasse Grundschule unterrichtet. Das scheint mich tief geprägt zu haben, weil ich euch jetzt eine Frage stelle, wie ich sie auch meinen Schülern damals hätte stellen können. Ich bitte euch trotzdem, darauf einzugehen, weil die Antwort für diese Predigt wichtig ist. Nun denn:

Welches sind die Merkmale eines Esels? [HL wartet auf Antworten] Das Merkmal, auf das es mir heute ankommt, ist die Farbe seines Fells. Esel sind für gewöhnlich grau. Jedenfalls kenne ich keine anderen. Pferde können Rappen sein, schwarz wie die Nacht, oder Schimmel, weiß wie eine weiße Weste, die ich leider nicht habe. Esel aber sind weder das eine noch das andere. Sie sind grau.

Streit in der Friedensrunde

Mitte der Neunzigerjahre, während des Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien, leitete ich die Münchner Friedensrunde für Kroaten, Serben, Muslime und Deutsche. Es lag mir und anderen Friedensfreunden daran, dass die verfeindeten Volksgruppen wenigstens in Deutschland miteinander ins Gespräch kamen und aufeinander hörten. Die Friedensrunde war gut besucht. Entsprechend ging es oft hoch her. Immer wieder gab es Beschuldigungen, Geschrei und manchmal auch Tränen.

Einmal sagte eine Kroatin: „Wenn wir alle schwarz-weiß denken, hier die Guten, dort die Bösen, hier die Unschuldigen, dort die Schuldigen, dann kommen wir nicht weiter. Wir alle hier sind weder schwarz noch weiß sondern grau wie die Esel.“ Ihr Satz hat die Situation augenblicklich entspannt. Ich habe sie dafür bewundert. Immerhin gehörte auch sie zu den Betroffenen jenes unseligen Bürgerkriegs.

„Wir alle hier sind weder schwarz noch weiß, sondern grau wie die Esel.“ Auch ihr, die ihr hierher zum Lichtblickgottesdienst gekommen seid. Und ich natürlich auch. Vor den Menschen möchten wir gerne weiß sein, gerecht und gut. Aber wir wissen selbst, dass das nicht stimmt. Gott kennt unsere wirkliche Farbe am besten und weiß, dass seine Menschenkinder grau sind und bleiben. Darum sage ich schon mal: Vorsicht vor denen, die sich für die Guten halten! Sie machen damit andere automatisch zu Bösen. Vorsicht vor denen, die sich selbst für gerecht halten! Was sind sie anderes als selbstgerecht?

Wir Menschen neigen nun mal dazu, anderen und auch uns selbst etwas vorzumachen. Wir versuchen, uns von unserer besten Seite zu zeigen und verstecken die weniger guten. Wir waschen gern unsere Hände in Unschuld und geben darum anderen die Schuld für das, was schief läuft. Doch Gott können wir nichts vormachen. Er kennt uns durch und durch, vor allem unsere Schwächen und bösen Gedanken. Doch deshalb müssen wir vor ihm keine Angst haben, denn genau zu Menschen wie wir sind, ist Jesus gekommen, um zu vergeben und zu heilen. Aber zu den anderen, die wir nicht leiden können, ist er auch gekommen. Wir alle gehören nun mal zur Familie der grauen Esel.

Hört dazu nun das heutige Bibelwort für diese Predigt. Es ist die Losung für diesen Sonntag Exaudi und heißt:

Losung: Herr, erfreue mich wieder mit deiner Hilfe, und mit einem willigen Geist rüste mich aus. Psalm 51,14

In seinem Zusammenhang heißt das heutige Losungswort: »Schaffe in mir Gott ein reines Herz und gib mir einen neuen, beständigen Geist. Verwirf mich nicht vor deinem Angesicht und nimm deinen Heiligen Geist nicht von mir. Erfreue mich wieder mit deiner Hilfe, und mit einem willigen Geist rüste mich aus.«

Reines Herz und neuer Geist. Ja, das brauche ich. Nicht nur einmal, sondern immer wieder. Als Kind habe ich manchmal gebetet: »Ich bin klein, mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein.« Das ist ein, ich sage mal, niedliches Gebet. Als kleines Kind versteht man es sowieso nur bedingt. Als Erwachsener und Vater von vier Kindern weiß ich, dass auch ein Kinderherz nicht „rein“, nicht weiß ist.

Niemand ist rein. Wenn überhaupt, dann bin und bleibe ich ein Sünder, dem durch Gottes Gegenwart in Jesus vergeben ist. Da erlebe ich, dass mein Herz wieder neu wird, auch wenn ich ein alter Esel bin. Aber rein bleibt es nicht. Dazu gibt es zu viele Menschen und Dinge, die in mir negative Gefühle und Gedanken auslösen.

Stopp

Immerhin hilft mir mein Glaube, dass ich mich inzwischen selbst zur Ordnung rufe, wenn ich mich ärgere und von einem anderen Menschen denke „du Depp“ oder „blöde Kuh“. Wie gesagt, ich denke das nur und sage es nicht. Macht das die Sache besser? Vor Gott nicht. Wenn also solche Gedanken in mir aufsteigen, sage ich zu mir: ‚Hans, was soll das? Hör auf damit!‘. Das stoppt die Spirale der negativen Gedanken und ich muss mich nicht vor mir selber schämen.

Aber es hat schon gedauert, bis ich soweit war. Lange war es für mich kein Problem, so über andere zu denken. Geholfen hat mir bei meinem Sinneswandel auch, dass ich mir bei Menschen, die ich nicht leiden kann, sage: ‚Auch er, auch sie ist ein Kind Gottes wie du und wird von ihm genauso geliebt wie du. Also reiß dich zusammen.‘ Das gilt vor allem für bestimmte Politikerinnen und Politiker, denen gegenüber ich besonders allergisch bin. Auch sie sind wie ich Kinder Gottes und graue Esel und Eselinnen – um mich korrekt auszudrücken. Auch sie soll ich lieben, wenngleich ich dann im Stillen sage: ‚Herr, da mutest du mir aber ganz schön was zu‘. Und dann habe ich den Eindruck, dass er zu mir sagt: ‚Und du bist manchmal auch eine ganz schöne Zumutung für mich. Aber gerade deshalb liebe ich dich.‘

Immer wieder brauche ich seinen Geist, damit auch meiner wieder neu werden kann. Meiner ist leider unbeständig und schimmelt schnell wie ein Glas Marmelade, das zu lang im Kühlschrank steht. Und mir nichts dir nichts bin ich wieder im alten Fahrwasser und falle zurück in schlechte Angewohnheiten, in Vorurteile und Vorwürfe, in Abneigungen und negative Gedanken. Und doch verwirft mich Gott nicht vor seinem Angesicht, entzieht mir nicht den Schutz und die Hilfe seines heiligen Geistes, sondern gibt mir eine neue Chance, einen neuen Geist, wie es in Psalm 51 heißt. Das, liebe Freunde und Freundinnen, glaube ich. Und das hilft mir.

Ich hab mir bisher nur wenige Gedanken gemacht, warum wir in die Weihnachtskrippe einen Esel stellen, warum das kleine Jesuskind mit seinen Eltern auf einem Esel nach Ägypten geflohen ist, wie man auf vielen Bildern sehen kann. Warum Jesus auf einem Esel in Jerusalem eingeritten ist und nicht hoch zu Ross. Dafür mag es verschiedene Gründe geben. Aber jetzt ist mir vor allem einer wichtig. Jesus ist ein besonderer Freund dieser grauen Geschöpfe. Sie passen so gut zu uns Menschen. Sie erinnern ihn daran, mit wem er es zu tun hat, wenn er zu dir und zu mir kommt. Wir sind nicht seine Reittiere, aber seine grauen Freunde.

Wo er im Glauben und im Leben eines Menschen eine Rolle spielt, da verändert sich auch unser heutiges Psalmwort. Da wird aus einem Bittgebet ein Vertrauensgebet, ein solches, wie es der Psalm 23 ist. In ihm bittet der Mensch Gott nicht mehr um dieses und jenes, da sagt er nicht „lieber Gott, sei bitte mein Hirte“, sondern bekennt „der Herr ist mein Hirte“. Und genauso kannst du es mit unserem heutigen Predigtwort machen und bekennen:

»Gott, der Herr, schafft in mir ein reines Herz und gibt mir einen neuen, beständigen Geist. Er verwirft mich nicht vor seinem Angesicht und nimmt seinen Heiligen Geist nicht von mir. Er erfreut mich wieder mit seiner Hilfe, und mit einem willigen Geist rüstet er mich aus.« Das ist so. Darauf verlasse ich mich.

Einen solchen Glauben nennt man Gottvertrauen. Und davon, liebe Freundinnen und Freunde, kann man nicht genug haben, schon gar nicht in unserer Zeit. Amen

Herzlich grüßt und einen gesegneten Sonntag wünscht

Ihr / dein Hans Löhr

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1728 erschien in Herrnhut die erste Tageslosung, ein Bibelwort aus dem Alten Testament, das für jeden Tag des Jahres ausgelost wird. Dazu wird der Lehrtext, ein passendes Bibelwort aus dem Neuen Testament, ausgesucht. Inzwischen erscheinen die täglichen „Losungen“ in etwa 50 Sprachen.
Ich lege Losung und Lehrtext aus, weil einer Untersuchung zufolge das Nachdenken über Bibelworte den Glauben am stärksten wachsen lässt. 

 

3 Kommentare:

  1. Danke auch heute wieder für Ihre Worte.
    Seit sie vor Monaten das Vater unser in dieser Form,des es ist so.....Gebets ,vorgeschlagen haben,bete ich es so und habe für mich den Eindruck,es hat mein Vertrauen verstärkt.
    Ich brauche auch immer wieder seinen heiligen Geist und falle in alte Verhaltensmuster zurück.
    Deswegen haben mich Ihre Worte heute besonders angesprochen.
    Einen schönen Sonntag und Gottes Segen wünsche ich Ihnen und allen Anderen.
    Ute

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  2. Danke für diese Predigt und für die täglichen Losungsauslegungen.

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  3. Danke Herr Löhr, dass Sie auch immer wieder teilen, wie Sie ihren Glauben im Alltag anwenden. "Hans was soll das? Hör auf damit." ein tolles Beispiel für einen Gedankenstopp und in dieser Predigt stecken noch weitere dieser hilfreichen Beispiele. Ich werde sie mir notieren und regelmäßig durchlesen, damit ich diese auch verinnerlichen kann. Ich wünsche Ihnen eine segensreiche Woche. Herzliche Grüße Elke

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