Predigt zum Wochenspruch von Hans Löhr am 12. Sonntag
nach Trinitatis (27.8.2023) in der Schlosskirche Sommersdorf
Auf dem Taufstein steht eine Vase mit einem
Rohrkolben
Liebe Gemeinde,
ein Bild sagt mehr als tausend Worte, so
heißt es. Und ich will euch heute so ein Bild vor Augen führen, das euch
vielleicht mehr sagen kann als ich. Und dazu ist es hilfreich, wenn ihr dieses
Bild, das im Lauf der Predigt entsteht, tief in euch aufnehmt und wenn möglich
behaltet. Denn es soll euch ein starker Trost sein und in euren schweren Zeiten
Hoffnung geben.
Jesus hat ja
vielfach in Bildern gesprochen, in Gleichnissen und treffenden Worten. Ohne
die Bildworte der Bibel wäre unser Glaube arm oder würde sogar verkümmern. Und
so stammt auch das Wort, das ich euch heute als Bild vor Augen stellen will,
aus der Bibel, aus dem Buch des Propheten Jesaja, und heißt: »Das geknickte Rohr wird Gott nicht
zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.« Jesaja 42,3a
Der Rohrkolben
Dazu habe ich den Rohrkolben hier in einer Vase vor euch auf den Taufstein stellen lassen. Gefunden habe ich ihn gleich
hinter Sommersdorf im Graben neben der Straße nach Winkel.
In Saft und Kraft steht die Pflanze vor
euch, so wie sich jetzt hoffentlich möglichst viele hier fühlen mögen. Doch wie wir Menschen, so kann auch der Rohrkolben geknickt
werden. Bei uns reichen schon herbe Enttäuschungen, tiefe Trauer, schwere
Sorgen und massive Ängste, die uns geknickt sein lassen. Ich brauche die Gründe
dafür gar nicht erst alle aufzuzählen. Jeder von euch war in seinem Leben schon
einmal oder mehrmals geknickt und kennt den Grund. Dann hast du deinen Kopf
hängen lassen und ein trauriges Gesicht gemacht. Schlimm ist es, wenn andere
Menschen dir so weh getan haben, dass du deine Lebensfreude verloren hast. Aber
wie gesagt, es gibt viele Gründe, weshalb man geknickt und am Ende ist.
Bei Rohrkolben ist es äußere Gewalt, die
dazu führt, dass sie abknicken, ein heftiger Sturm vielleicht oder ein Mensch,
der sie umgeknickt. [HL geht zur Vase und knickt den Rohrkolben
um. Dann stellt er die Vase auf den Altar vor das Altarkreuz].
Das geknickte Rohr
Was für ein trauriger Anblick! Die Pflanze,
die eben noch aufrecht standen und unversehrt war, jetzt ist sie schwer
beschädigt. Grund genug, sie aus der Vase zu nehmen und wegzuwerfen.
Einen solchen Anblick bot das Volk Israel
zur Zeit seines Propheten Jesaja etwa siebenhundert Jahre vor Christus. Die
Großmächte des alten Orients hatten es wieder einmal besiegt, die Hauptstadt
Jerusalem und den Tempel zerstört und die Bevölkerung versklavt. Nun gut, das ist lange her und betrifft uns
nicht mehr. Doch wie gesagt, auch du und ich, wir können einen solchen
traurigen Anblick bieten, wenn wir seelisch und körperlich angegriffen sind,
keine Kraft mehr haben und keine Lebensfreude.
Wie ist das mit dir heute Morgen? Kannst du
dich in dem geknickten Rohrkolben wiederfinden? Bist du vielleicht auch deshalb
in den Gottesdienst gekommen, weil du dir auf irgendeine Weise Hilfe
versprichst? Dann hast du die richtige Entscheidung getroffen. Denn du sollst
nicht ungetröstet und hoffnungslos wieder nach Hause gehen. Schließlich will
dir das heutige Bibelwort für die neue Woche Mut machen. Sagt es doch:
Die Kraft in den Schwachen
„Ja, das geschieht in jedem Menschenleben
immer wieder einmal, dass man geknickt ist wie die Pflanzen hier. Doch Gott
wird das Rohr nicht zerbrechen und wegwerfen. Er wird
an deinem Leid nicht achtlos vorübergehen. Im Gegenteil. Denn er spricht zu dir
aus dem Mund Jesu dieses so wichtige und wertvolle Wort: „Meine Kraft ist
in den Schwachen mächtig!'' 2. Korinther 12,9. Er sagt das
zu dir, zu wem denn sonst? Du bist jetzt angesprochen mit diesem Bild, das du hier
am Altar vor Augen hast und mit dem Wort unseres Herrn Jesus Christus.
Doch wie soll das zu gehen, dass seine
Kraft in den Schwachen mächtig ist? Ich habe das immer wieder selbst erlebt:
wenn ich am Ende war; wenn ich keine Kraft mehr hatte, mich am eigenen Schopf
aus dem Sumpf zu ziehen, wenn mir die nicht helfen konnten, auf die ich gezählt hatte. Dann habe ich
die Erfahrung gemacht, dass mir am Tiefpunkt neue Kraft zugewachsen ist. Manchmal
hat mir das Gebet geholfen. Manchmal ein anderer Mensch, der mich unverhofft aufgerichtet
hat. Manchmal ein Spaziergang durch den Wiesengrund oder irgendetwas anderes,
das mir gut getan hat.
Aber darauf, liebe Freunde, kommt es an,
dass ich gerade die oft unscheinbaren Dinge mit Gott in Verbindung bringe und
erkenne, dass er mir eben auch durch andere Menschen, durch die Natur, durch
ein Lied, durch unverhofftes Glück hilft.
Wie schnell kann ein Mensch nicht alle
Kraft verlieren und das Gefühl haben, am Ende zu sein. Doch dann erlebst du,
dass die fünf Wörter aus dem Vaterunser, die du schon so oft gebetet hast,
nicht leer und belanglos sind. Dann wird dir plötzlich klar, ja, das stimmt,
was ich da sage: »Denn dein ist die Kraft«. Gott ist meine Kraft. Er gibt mir
so viel, wie ich für jeden neuen Tag brauche. Er gibt mir so viel, dass ich
meine Lasten tragen kann. Er gibt mir so viel Kraft, dass ich mich wieder
aufraffen und meine Herausforderungen annehmen kann. Er gibt sie mir auf
vielerlei Art und Weise.
Meistens ist mir gar nicht bewusst, dass er
es ist, der mir alle meine Kraft gibt. Dann nehme ich es für
selbstverständlich, dass ich gesund und stark bin und ohne große Mühe und Not
leben kann. Dann bilde ich mir am Ende noch etwas auf meine Kraft und
Gesundheit ein nach dem Motto: „Schaut her, was für ein starker Typ ich bin.“
Doch wer so denkt und redet, täuscht sich. Auch für ihn kommen Zeiten, wo er
spürt, dass er aus eigener Kraft nicht mehr zurechtkommt. Wie gut, wenn ich
dann weiß, an wen ich mich wenden, wen ich um neue Kraft bitten, auf wen ich
mich verlassen kann.
Halt für das geknickte Rohr
»Gott wird das geknickte Rohr nicht
zerbrechen«, sagt der Prophet. Aber was dann? Er wird es wieder aufrichten,
verbinden und heilen. Und das will ich euch jetzt an diesem geknickten
Rohr hier zeigen. Ich schiene es und binde es hier am Altarkreuz fest. Denn, so
glaube ich, das Kreuz Jesu ist der stärkste Halt, den ein Mensch finden kann.
Schau dir dieses Bild genau an. Die Wunde
an dem Rohrkolben ist verbunden. Die Pflanze wird gehalten vom Kreuz. Schau
genau hin. Vielleicht entdeckst du dich selbst in dieser Pflanze, in diesem
Bild. Die Narben an deinem Leib und an deiner Seele zeigen, dass auch du schon
mehrmals verwundet warst. Und doch bist du wieder soweit gesund geworden, dass
du heute hier in den Gottesdienst kommen konntest. Und doch hast du wieder so
viel Kraft bekommen, dass du heute hier Gott danken kannst, dass er dich
nicht zerbricht, sondern heilt. Dass er dich nicht wegwirft, sondern dir neue
Kraft gibt, um sich an dir zu freuen.Die Botschaft der alltäglichen Dinge
Schau hinter die alltäglichen Dinge und
entdecke die Botschaft, die sie für dich haben. Manchmal kann dir ein geknickter
Rohrkolben mehr sagen als eine ganze Predigt. Doch dazu musst du die Bilder des
Alltags mit deinem Glauben, mit Gott in Verbindung bringen, dass sie anfangen
zu reden und dir neuen Lebensmut machen. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte –
Nimm dieses Bild hier mit nach Hause, bewahre es in deinem Gedächtnis auf, in
deinem Herzen und lass dir davon erzählen, sooft du Gottes Trost und Hilfe
brauchst. Amen
Ihr hört jetzt auf einer Panflöte, einem
uralten Instrument aus Rohr, einen Song, den viele von euch kennen. Die Melodie
stammt aus Südamerika und heißt „El Condor pasa“, der Condor fliegt vorbei. Mit
der Musik auf dieser Rohrflöte soll Gott gelobt und gedankt werden für
alles, was er uns Gutes getan hat. Vielleicht sind wir ja alle solche Instrumente aus geknicktem Rohr, das er nicht zerbrochen hat, auf dem er das Lied der Schöpfung spielt und ein Liebeslied für dich und für mich: Klick "El Condor pasa"
Herzliche Grüße
Ihr / dein Hans Löhr
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1728 erschien in Herrnhut die erste Tageslosung, ein Bibelwort aus dem Alten Testament, das für jeden Tag des Jahres ausgelost wird. Dazu wird der Lehrtext, ein passendes Bibelwort aus dem Neuen Testament, ausgesucht. Inzwischen erscheinen die täglichen „Losungen“ in etwa 50 Sprachen.
Ich lege Losung und Lehrtext aus, weil einer Untersuchung zufolge das Nachdenken über Bibelworte den Glauben am stärk. Sten wachsen lässt.