Liebe
Freunde,
hat es in
deinem Leben schon mal einen richtigen Wendepunkt gegeben? So dass es hinterher
ganz anders weiterging als zuvor? Manchmal ist es ein anderer Mensch, der in
dein Leben tritt und dazu beiträgt, dass du dich neu orientierst. Manchmal ist
es eine Krise oder eine Krankheit, nach der du anders weiterlebst als zuvor:
Bewusster, gesünder, dankbarer. Manchmal ist es der Tod eines Partners oder
eine Trennung oder Scheidung, nach der du dich neu sortieren musst und
anfängst, selbst Verantwortung für dein Leben zu übernehmen, selbst Dinge zu
tun, die bisher immer der Partner an deiner Stelle getan hat. Manchmal hat das
auch mit dem Glauben zu tun, wenn ein Mensch zum ersten Mal in seinem Leben
eine persönliche Beziehung zu Gott bekommt und danach einen neuen Lebenssinn
erfährt, neue Werte und Ziele, für die er sich einsetzt.
Wendepunkt Pfingsten
Die Jünger
Jesu haben beim ersten Pfingstfest einen solchen Wendepunkt erlebt. Wir haben
vorhin in der Lesung davon gehört. Kurz gesagt: Bis dahin waren sie Schüler, also
Menschen, die sich nach Jesus richteten und von ihm lernten. Aber danach, waren
sie Apostel, Menschen, die nun selbst vom Heiligen Geist erfüllt waren, die nun
selbst glaubten, predigten, Gemeinden gründeten und leiteten und sich für
andere Menschen einsetzten. Pfingsten hat die Jünger sozusagen erwachsen
gemacht. Von nun an konnten sie Dinge sagen und tun, die sie zuvor nicht
konnten. Sie konnten so mitreißend predigen, dass auch Menschen, die andere
Sprachen gesprochen hatten, sie verstanden. Sie konnten nun selbst Wunder tun
wie es Jesus zuvor getan hatte.
Gut, das war
vor zweitausend Jahren. Aber welche Bedeutung hat das Pfingstfest für dich
heute? Ist es nur eine Erinnerung an damalige Ereignisse, oder sollst auch du
den Heiligen Geist empfangen? Und wenn ja, wie soll das geschehen?
Ein ungewöhnlicher Vergleich
Ich möchte
zunächst einen etwas ungewöhnlichen Vergleich bringen. Die Entwicklung, die die
Jünger Jesu durchgemacht haben und die an Pfingsten zum Ziel gekommen war,
möchte ich mit dem Kochen vergleichen. Für mich ist das naheliegend, weil ich,
seitdem meine Frau nun die ganze Pfarrstelle übernommen hat, nun für die
Familie koche und dabei einiges lerne.
Früher bin
ich beim Herumtippen auf der Fernbedienung schon mal in eine Kochsendung
geraten. Ich hab ein paar Minuten zugeschaut und dann habe ich wieder
abgeschaltet. Ich musste nicht und ich wollte nicht kochen lernen. Deswegen
haben mich Kochsendungen gelangweilt. Sie hatten mit mir nichts zu tun. Wenn
meine Frau gekocht hat, habe ich auch hin und wieder zugeschaut, habe auch mal
probiert und mich dann natürlich immer anerkennend geäußert. Sie sollte wissen,
dass sie das ganz hervorragend macht und dass ich dazu ganz und gar nicht in
der Lage war. Jetzt schaue ich mich nach Rezepten um und koche genau nach deren
Vorgaben: Drei Esslöffel Öl, eine ganze Zwiebel, ein Pfund Kartoffeln usw. Ich
bemühe mich, alles richtig zu machen. Schließlich soll es der Familie auch
schmecken. Zuerst war ich nur ein interesseloser, gelangweilter Zuschauer bei
Kochsendungen. Ich war Konsument von dem, was meine Frau gekocht und mir
vorgesetzt hat, ohne viel Ahnung davon zu haben wie sie das gemacht hat. Und
jetzt bin ich ein Koch-Schüler. Die Bibel würde sagen: Ein Koch-Jünger. Ich
koche zwar, und meine Kinder sind nicht mal unzufrieden, aber nur nach den
Rezepten und Vorschriften anderer. Doch ein richtiger, ein guter Koch braucht
keine Kochbücher mehr. Der erfindet selbst neue Rezepte und bringt anderen das
Kochen bei. Der ist sozusagen vom Koch-Jünger zum Koch-Apostel geworden, zu
einem, der selber Rezepte schreiben und andere das Kochen lehren kann. So weit
bin ich beim besten Willen nicht und ich weiß auch nicht, ob ich jemals dahin
kommen will oder kann.
Kochen und glauben
So ähnlich
wie mit dem Kochen ist es auch mit dem Glauben. Du kannst Zuschauer sein, zum
Beispiel jetzt im Gottesdienst, und beobachten, was der Pfarrer da vorn sagt
und was er macht. Letzten Endes aber bist du dann unbeteiligt. Du bist dann
nicht in die Kirche gekommen, um dir hier etwas sagen zu lassen oder im Glauben
zu wachsen oder gar dein Leben zu ändern. Du willst vielmehr, dass alles so
bleibt wie es ist.
Vielleicht
aber bist du im Gottesdienst eher ein Konsument. Du lässt dir hier ein paar
religiöse Angebote machen, du lässt sozusagen andere für dich kochen und wählst
dann aus, was dir schmeckt: Hier ein Häppchen und dort ein Häppchen. Du lässt
andere für dich beten, bist aber selbst nicht mit dem Herzen dabei, vielleicht
beim Schlusssegen. Du hörst anderen beim Singen zu, singst aber nur ab und zu
selber mal mit. Du pickst dir aus der Lesung oder aus der Predigt ein zwei
Sätze heraus, die dich bestätigen. Alles andere aber lässt du vorbeirauschen.
Wenn es so ist, dann soll der Gottesdienst für dich eine möglichst anregende
Unterhaltung sein, die dich hier und da ein bisschen bewegt, rührt und
besinnlich stimmt. Dann ist das so, als ob du von dem, was ein anderer kocht,
ein bisschen probierst und schmeckst. Aber so richtig essen tust du nicht. Satt
wirst du woanders.
Oder Möglichkeit
Nummer drei. Du verstehst dich als Jünger beziehungsweise Schüler von Jesus und
lässt dir hier sagen, wie du glauben und leben sollst. Dann kochst du sozusagen
selbst. Aber du kochst nach einem Rezept, das andere für dich aufgeschrieben
haben. Du bemühst dich, alles richtig zu machen, damit dein Leben gelingt. Du
kommst hierher, weil dir das, was hier gesagt wird, gut tut. Die Worte, Gebete
und Lieder helfen dir, dich innerlich neu auszurichten. Aber ein mündiger Glaube,
den du selbst verantwortest, ist das nicht. Du glaubst sozusagen nach Rezept,
so wie ich koche.
Vom Jünger zum Apostel
Ein Jünger
Jesu zu sein ist zwar schon sehr viel, doch noch nicht alles. Es fehlt noch der
letzte Schritt, dass du sein Apostel wirst. Aber was ist das? Apostel sind dem
Wortsinn nach Menschen, die von Gott in seinem Namen zu anderen gesendet
werden. Sie glauben nicht nur im eigenen Interesse und fragen sich nicht nur: Was
habe ich davon, wenn ich glaube? Sie tun auch etwas für andere. Von solchen „Aposteln“
gibt es in unseren Gemeinden einige. Ich denke zunächst einmal an alle, die in
unserer Kirchengemeinde mitarbeiten ob
hauptamtlich, nebenamtlich oder ehrenamtlich. Ich denke an die Pfarrerin und
den Diakon, aber auch an die Mesnerinnen, an diejenigen, die Orgel spielen, die
mitarbeiten bei den Sonntagskindern, der Jungschar, dem Teenkreis oder bei den ganz
Kleinen, den Wichteln. Ich denke auch an diejenigen, die in der Lichtblick-Band
mitspielen oder die im Kirchenvorstand Verantwortung für die Gemeinde
übernommen haben. Sie alle stehen im Dienst einer Sache, die größer ist als sie
selbst.
Das macht Gemeinde
aus, dass es solche Menschen in ihr gibt. Auch du bist Apostel, stehst im
Dienst Gottes, wenn du, auch ohne offizielles Amt, für andere da bist, für sie betest,
deinen Kindern oder Enkeln biblische Geschichten vorliest, einem Sterbenden die
Hand hältst, einen einsamen Menschen besuchst und überhaupt hilfsbereit bist. Dann
hast auch du deinen Wendepunkt erlebt: weg von der blanken Eigensucht und hin
zu dem, der dich braucht. Gott sei Dank gibt es viele in unserer Gemeinde, die
so sind.
Hin- und Zu-Wendung
Ihr alle,
die ihr euch jetzt vielleicht in dem, was ich soeben sagte, wiedererkannt habt,
ihr alle seid Apostel von Jesus, tragt in euch seinen Heiligen Geist, durch den
er euch dazu befähigt, für andere da zu sein. Denn der große Wendepunkt im
Leben eines jeden, der glaubt, ist die Liebe zu Gott und seinen Mitmenschen.
Vom Jünger zum Apostel Jesu wird man, wenn du nicht nur glaubst, weil es dir
gut tut, sondern wenn du um deines Glaubens willen auch anderen Gutes tust.
Dann kochst du sozusagen nicht nur nach Vorschrift, sondern weißt selber, was
andere brauchen, damit sie satt werden und es ihnen gut geht.
Darum lautet
die Botschaft von Pfingsten: Du bist von Gott dazu bestimmt, mehr zu sein. Du
bist dazu bestimmt, ein Mensch zu sein, der nicht nur zuschaut, nicht nur
passiv konsumiert, nicht nur macht, was andere sagen, sondern selbst glaubt und
sich seinem Nächsten zuwendet. Du bist dazu bestimmt, Jesu Apostel zu sein, in
seinem Namen ausgesandt in deine Partnerschaft, in deine Familie, an deinen
Arbeitsplatz, in die Nachbarschaft, in deine Gemeinde, dorthin wo du lebst und
arbeitest. Da sollst du mit deinem Verhalten, deinen Worten und Taten sein Zeuge
zu sein, erfüllt von seinem Geist, dem Geist der Liebe und der Freiheit, dem
Geist von Pfingsten. Amen
Hans Löhr