Samstag, 24. Dezember 2022

Das Weihnachtsstroh (Predigt) von Hans Löhr

Liebe Kinder, liebe Freundinnen und Freunde,

in einer Kirche sollte ein Krippenspiel sein wie jedes Jahr am Heiligen Abend. Diesmal hatten es junge Leute selbst geschrieben. Und sie hatten wirklich an alles gedacht. Sogar an Ochs und Esel, ja, sogar an das Stroh. Bei der Generalprobe, bei der meistens noch was schiefgeht, ging tatsächlich viel schief. Kaum einer hatte seinen Text im Kopf, die Kulisse war noch nicht fertig, und was das Schlimmste war: Die drei Könige hatte man schlichtweg vergessen. Aus unerfindlichen Gründen hatte man diese wichtigen Rollen überhaupt nicht besetzt.

Da man sie aber irgendwie doch für unentbehrlich hielt, schlug jemand vor, in der Gemeinde rumzufragen, wer spontan bereit wäre, König zu sein. Es müsse ja jetzt kein Text mehr auswendig gelernt werden, es würde genügen, wenn die drei ein Geschenk mitbrächten und das an der Krippe ablegten. Gesagt, getan. Und so war es wieder einmal ganz plötzlich Weihnachten und die Glocken läuteten zum Gottesdienst.

Die Kirche war voll, die Leute gespannt und die Schauspieler aufgeregt. Das Krippenspiel begann und es begann gut, es lief wunderbar, niemand blieb hängen. Und wenn doch mal einer ins Stottern kam, war es genau an der richtigen Stelle und hat zur Weihnachtsgeschichte gepasst. Und dann die letzte Szene: Auftritt der drei Könige, die in letzter Minute zu dieser Ehre gekommen waren.

Auftritt der Könige

Ohne geprobt zu haben, traten sie auf. Der erste König war ein Mann, Mitte fünfzig vielleicht. Er hatte eine Krücke dabei, brauchte sie aber offenbar nicht. Alle schauten gespannt und spitzten die Ohren, als er die Krücke vor der Krippe ablegte und sagte: Ich bin in diesem Jahr verunglückt und habe dabei mein Bein zweimal gebrochen. Mehrfach musste ich operiert werden. Ich hatte große Angst, ob ich jemals wieder würde richtig laufen können. Jeder kleine Fortschritt war für mich ein Geschenk des Himmels. Diese Zeit hat mein Leben verändert. Ich bin aufmerksamer und dankbarer geworden. Es gibt für mich nichts Kleines und Selbstverständliches mehr. Aufstehen am Morgen, sitzen, gehen und stehen, dabeisein, alles ist wunderbar, alles ein Geschenk. Ich lege diese Krücke vor die Krippe. Sie soll ein Zeichen meines Dankes sein für den, der mich wieder auf die Beine gebracht hat.

Die Leute in der Kirche waren auf einmal ganz aufmerksam, als der zweite König nach vorne trat. Er war eine Königin, alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Sie sagte:
„Jesus, ich schenke dir etwas, was man nicht kaufen und
nicht einpacken kann und was mir heute doch das Wertvollste ist. Ich schenke dir mein Ja zu meinem Leben, so wie es geworden ist, so wie du mich bis heute geführt hast. Ich sage ja dazu, auch wenn ich zwischendurch nicht mehr glauben konnte. Ich schenke dir mein Ja zu allem, was mein Leben ausmacht: Meine Kinder, aber auch meine Schwächen und Stärken; was mir Angst macht und wonach ich mich sehne. Ich schenke dir mein Ja zu meinem Glück und zu meinem Unglück, zu dem, was mich freut und zu dem, was mir weh tut. Jesus, ich schenke mein Ja zu - dir.

Der König mit den leeren Händen

Jetzt trat der dritte König vor. Ein junger Mann mit auffälliger Frisur und Kleidung. Alles hielt den Atem an, als er sagte:
„Ich bin der König mit den leeren Händen. Ich habe nichts zu bieten. In mir ist nichts als Unruhe. Ich sehe nur so cool aus, bin’s aber nicht. Hinter meiner Fassade ist nichts, kein Selbstvertrauen, kein Sinn, keine Hoffnung, alles leer. Ich zweifle an so ziemlich allem, auch an dir, du Kind in der Krippe. Aber tief in mir wünsche ich, dass mich jemand liebt wie ich bin, dem ich nichts vormachen muss. Ich halte dir meine leeren Hände hin. Wirst du mir geben, wonach ich mich sehne?

Viele in der Kirche waren von diesem Auftritt tief bewegt. Ein paar Augenblicke war es ganz still im Raum. – Da ging der, der den Josef spielte, zur Krippe und nahm einen Strohhalm heraus. Er legte ihn dem jungen König in die leeren Hände und sagte: Das Jesuskind in der Krippe ist der Strohhalm, an den wir uns alle klammern können. Auch du. Nimm ihn mit nach Hause!
Und so kam es, dass am Ende des Gottesdienstes die Leute in der Kirche, die jungen und die alten, zur großen Krippe gingen und sich einen Strohhalm nahmen. Und jemand sagte: „Was für ein Geschenk!“ (Verfasser unbekannt. Bearbeitung: HL) 

Was schenkst du?

Wer weiß, vielleicht hast auch du heute Abend ein Geschenk für das Jesuskind mitgebracht. Vielleicht ein Herz voll Dankbarkeit, weil es dir zurzeit gut geht und du glücklich bist. Vielleicht ein Herz voll Kummer, weil du zurzeit viele Probleme hast. Vielleicht kannst auch du heute Abend aufs Neue ja sagen zu deinem Leben, zu allem, was es ausmacht, zu dem, was dich bereichert hat. Aber auch zu dem, was schwierig war und vielleicht noch ist. Dann kannst du sagen:
„Herr, ich nehme mein Leben wie es ist aus deiner Hand und schenke dir mein Ja. Du wirst mir helfen, wenn es schwierig wird. Du wirst mir geben, was mich freut.“ –
Vielleicht hast du aber noch ein ganz anderes, ein sehr persönliches Geschenk für ihn, das du niemand anderem sagen und zeigen willst als Gott allein. Eine geheime Sorge vielleicht oder ein innerer Konflikt, den du allein nicht lösen kannst. 
Dafür bekommst auch du jetzt ein Geschenk. Es steht hier vor dem Altar. Und ich werde es auspacken.

[HL zum Altar. Hebt den großen, mit Geschenkpapier beklebten Karton (ohne Boden) von der Futterkrippe, die vor dem Altar steht. In die Krippe wird eine große, brennende Kerze als Symbol für Jesus gestellt.]

Die Krippe, liebe Freunde, ist Gottes Geschenk für dich. Die hier enthält nur Stroh und viele kleine Strohsterne und für die Kinder ein paar Süßigkeiten. Doch das eigentliche Geschenk für dich und für mich ist Jesus. Um das sichtbar zu machen, stelle ich die große Kerze in der Krippe. Dieses Licht ist ein Zeichen für ihn, der von sich sagt: „Ich bin das Licht der Welt. Wer an mich glaubt, wird nicht in der Finsternis bleiben, sondern das Licht des Lebens haben.“ (Johannes 8,12) Dieses Licht leuchtet für dich in der Kirchenbank und für mich. Es ist das wahre Weihnachtslicht. 

Aber wie kommt es dazu, dass Jesus am Ende des Gottesdienstes nicht in der Kirche bleibt, sondern du ihn mit nach Hause nehmen kannst? Dafür liegt das Stroh in der Krippe. Du kannst dir anschließend für deinen Christbaum daheim einen Halm oder Strohstern mitnehmen. Für uns soll es das Stroh sein, auf dem Jesus gelegen hat, das Weihnachtsstroh. Wer will, hängt den Stern oder den einzelnen Halm an den Christbaum oder legt ihn ins Nachttischkästchen oder klebt ihn an den Kleiderschrank. Sooft du diesen Halm oder Stern siehst, sollst du wissen: Wenn es schwierig wird in meinem Leben oder in dieser Welt, so soll dieses Stroh aus der Krippe mein rettender Strohhalm sein.
Dann nimm ihn in die Hand und sage:
Gebet: Jesus, du weißt wie es mir geht. Du hast versprochen bei mir zu sein bis zuletzt. Was auch kommt, du bist meine Hoffnung und 
mein Halt. Amen

Ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest!

Ihr / dein Hans Löhr

Losung und Lehrtext vom 24.12.2022: 

Er wird Frieden gebieten den Völkern. Sacharja 9,10
Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. Lukas 2,14

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7 Kommentare:

  1. Lieber Hans ! Von ganzem ❤️ wünsche ich Ihnen GESEGNETE WEIHNACHTEN. Danke für die wunderschöne Weihnachtapredigt. Jesus behüte beschütze und segne Sie. Liebe Grüße Ursula Anna

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  2. Danke für die vielen Strohhalme in meinem Leben.
    Herr, ich nehme mein Leben wie es ist aus deiner Hand und schenke dir mein Ja. Du hast mir geholfen, wenn es schwierig wurde. Du hast mir gegeben, was mich gerettet hat.
    Gesegnete Weihnachten wünsche ich uns allen
    Elisabeth

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  3. Danke für wiedermal einen tollen Gedanken zur Glaubensanregung. Ihnen, Herr Löhr, und all ihrer Familie meine liebsten Segenswünsche und frohe Weihnachten. Und nochmal: Danke, dass sie sich immer so viel Mühe mit den Losungsauslegungen machrn.

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  4. Danke! Die schönste Weihnachtspredigt ever! Den Menschen nahe und so schön bildlich.

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  5. Danke für diese Weihnachtspredigt.
    Sie bleibt in meiner Erinnerung.
    Besser kann man Hoffnung ,Halt und Glaube nicht weiter geben.
    Ute

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  6. Eben hab ich Trost und Ermutigung so bitter nötig gebraucht
    Und dann lese ich ihre Predigt und will aufs neue Ja sagen
    Ich danke ihnen sehr!
    Auch ich gehöre zu denen die Gebete und Gedanken aufgeschrieben haben und darauf zurück greifen!
    Voller Dankbarkeit schließe ich sie in meine Gebete ein.

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  7. Lieber Herr Löhr, Danke für Ihre schöne und berührende Weihnachtspredigt. Danke, dass Sie uns das Kind in der Krippe immer wieder nahe bringen, es uns jeden Tag aufs Neue schenken. Frohe Weihnachten Ihnen und Ihren Lieben.
    Elke

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