Predigt am 9. März 2025 in der Kirche in Sommersdorf
Bibelwort und Gebet: Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an. Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil. (Psalm 73,23-26)
Liebe Freunde,
es gibt Zeiten, da weißt du einfach nicht mehr, was du sagen sollst. Da geschehen Dinge, dass es einem die Sprache verschlägt; Zeiten wie diese, da es in unserer Welt drunter und drüber geht, da niemand mehr weiß, was am nächsten Tag noch gilt und wie es weitergehen wird. Und dann kommt auch noch ein Unglück in der nächsten Umgebung hinzu, das eine Familie und manchmal auch ein ganzes Dorf erschüttert. So ist es jetzt bei uns in Sommersdorf.
Gestern haben wir auf dem Reisachfriedhof von Gabriel
Abschied genommen, der gerade mal 13 Jahre alt geworden ist. Da ringt man um
Worte und findet doch keine, die erklären und trösten könnten. Was soll da ein
Mensch auch sagen, wenn etwas über ihn hereinbricht, wogegen man machtlos ist?!
Die andere Perspektive
Gut, dass ihr heute den Weg hierher in die Kirche zum
Gottesdienst gefunden habt. Hier ist der Ort, wo du gemeinsam mit anderen deinen
Kummer und deine Fragen, dein Leid und deinen Schmerz vor Gott bringen kannst.
Und manche bringen heute auch ihre ganz persönlichen Lasten in die Kirche mit,
seien es Sorgen in der Familie oder mit der Gesundheit oder anderen Dingen.
Hier schauen wir noch einmal aus einer ganz anderen Perspektive auf diese Welt
und unser Leben. Hier schauen wir mit den Augen des Glaubens. Und wenn es uns
schon selbst die Sprache verschlägt, so hoffen wir doch, dass uns aus der
Bibel, dass uns von Gott her etwas gesagt wird, das tröstet und hilft.
Als sich die Nachricht von Gabriels unerwartetem Tod
verbreitete, fragte auch ich: „Woran ist er denn gestorben?“ Ja, viele hier
wussten, dass er eine schwere Krankheit hatte. Doch er befand sich schon auf
dem Weg der Besserung. Es hätte vermutlich alles noch gut werden können. Er
selbst und seine Familie, ja auch die Ärzte waren zuversichtlich. Da hat ein Virus in seinem
geschwächten Körper das Leben beendet. Soweit die Erklärung der Medizin, mit der
man sich zunächsteinmal abfinden muss. Aber, liebe Freunde, aber wir erweisen
dem Virus nicht die Ehre, dass es für uns der Herr ist über Leben und Tod. Wir erweisen
auch allem anderen, was unseren Leib und unsere Seele angreift nicht die Ehre,
dass es Herr über uns ist, weder einem Krankheitserreger, noch einem Unglück,
noch einem Menschen.
Für uns alle soll gelten und gilt auch, ob und wir glauben oder nicht, für uns alle gilt, was wir hier schon so oft gesagt und
gesungen haben: „Allein Gott, in der Höh sei Ehr!“ Nur er ist der Herr über
Himmel und Erde, über Leben und Tod, auch über die Mächtigen dieser Erde, die
doch oft so schwach sind. Er allein hat
uns allen das Leben gegeben. Und er nimmt es auch.
Hiob auf den Trümmern
Wenn wir Gott die Ehre geben, so tun wir nichts
anderes, als was Hiob getan hat, von dem die Bibel erzählt. Als sein ganzes Lebensglück
zerbrochen war, als seine Kinder gestorben, sein ganzer Besitz verloren, seine
Gesundheit ruiniert war und er vor dem Scherbenhaufen seiner Existenz stand, da,
so heißt es, setzte er sich gleichsam auf die Trümmer seines Lebens und lobte
Gott. Er lobte ihn nicht für das Unglück, dass ihm widerfahren war. Aber er
lobte ihn, dass er größer ist als alles Unglück dieser Welt, größer als jedes
persönliche Leid, größer als alles, was uns das Glück zerschlägt und uns den
Mut und den Glauben, den Sinn und das Gottvertrauen rauben will. Größer noch als
unser Herz.
Johann Wolfgang von Goethe hat das so ausgedrückt: »Wer
nie sein Brot mit Tränen aß, wer nie die kummervollen Nächte auf seinem Bette
weinend saß, der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte.«
Freilich kann einem großes Leid die Sprache
verschlagen. Manchmal hat man einfach keine Kraft und auch keinen Glauben mehr,
schon gar nicht dazu, trotz allem Gott die Ehre zu geben. Manchmal müssen das
andere für einen tun. Doch eins will ich nicht vergessen und das lege ich auch
euch ans Herz: Wenn ich Gott aufgebe und fahren lasse, dann habe ich zugleich die
Hoffnung aufgegeben und fahren lassen. Dann ist alles sinnlos, ist alles kalter
Zufall, ist alles ein blindes Schicksal, ohne irgendein Mitgefühl und eine
Regung. Worauf kann ich dann noch hoffen in dieser Zeit und Welt? Ohne Gott, so
glaube ich, wartet am Ende nur die Finsternis. Mit ihm aber warte ich auf den „Morgenglanz
der Ewigkeit“.
Noch einmal, liebe Freunde: Niemand muss glauben, was
ich jetzt gesagt habe. Jeder wird auf seine Weise versuchen, mit seinem Schicksal
klarzukommen. Aber der Glaube sagt mir, wir sind mit unserem Leid nicht allein.
Da ist jetzt schon ein Gott, dessen starke Hand uns hält. Er reicht sie uns in
Jesus Christus, damit wir sie ergreifen. So will er mit uns gehen durch all die
guten und schlechten Zeiten, im Auf und Ab des Lebens, im Glück und Unglück. Denn wir kennen unsere Wege nicht, aber er weiß den Weg für uns
- und führt uns zum Ziel auch durch die Nacht. Darauf verlasse ich mich.
Warum?
Vielleicht fragst du manchmal: „Herr, warum lässt du
mich jetzt diesen schweren Weg gehen?“ So hat auch Jesus am Kreuz gefragt. Doch
auf solche Fragen wird dir niemand eine Antwort geben. Vielleicht aber
vernimmst du Gottes leise Stimme, wie er zu dir sagt: »Frage nicht länger. Quäle
dich nicht. Lege deine Fragen, deine Zweifel und Ängste, lege all deinen Kummer
in meine Hand. Da bist du mit deinem Leid und deinen Fragen aufgehoben. Da wird
deine aufgewühlte Seele Frieden finden.“
Wir Menschen sind es, die Gabriel in den Sarg gelegt haben.
Und in ein paar Tagen werden wir seine Asche ins Urnen-Grab legen. Aber das,
liebe Freunde, das ist nur die eine Seite. Die andere aber ist, dass wir ihn
mit dieser Feier gestern in Gottes Hand gelegt haben, so wie er war, so wie wir
ihn in Erinnerung behalten werden. Nicht der Friedhof, nicht das Grab, sondern
die Hände des lebendigen Gottes sind der Ort, wo alles vollendet wird, was er
geschaffen hat.
Wir Menschen tun und sagen viel. Wir machen uns selbst
viel Unruhe. Wir fürchten uns vor dem, was ist und vor dem, was vielleicht
kommt. Doch darüber will ich nicht vergessen, was dieses kleine Gedicht sagt,
mit dem ich schließe:
Der Mensch lebt und bestehet
Nur eine kleine Zeit;
Und alle Welt vergehet
Mit ihrer Herrlichkeit.
Es ist nur Einer ewig und an allen Enden,
und wir in seinen Händen.
Matthias Claudius (1740 - 1815)
Amen
Herzliche Grüße,
Ihr / dein Hans Löhr
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»Die Bibel ist so voller Gehalt, dass sie mehr als jedes andere Buch Stoff zum Nachdenken und Gelegenheit zu Betrachtungen über die menschlichen Dinge bietet.« J.W. von Goethe aus: „Dichtung und Wahrheit“
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1728 erschien in Herrnhut die erste Tageslosung, ein Bibelwort aus dem Alten Testament, das für jeden Tag des Jahres ausgelost wird. Dazu wird der Lehrtext, ein passendes Bibelwort aus dem Neuen Testament, ausgesucht. Inzwischen erscheinen die täglichen „Losungen“ in etwa 50 Sprachen.
Ich lege Losung und Lehrtext aus, weil einer Untersuchung zufolge das Nachdenken über Bibelworte den Glauben am stärksten wachsen lässt.
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