Samstag, 26. April 2025

Die Chance, alt zu sein hl

Ansprache zur Trauerfeier für Frau Lina G. am 26.04.2025

Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde,

alle wollen es werden, keiner will‘s sein: alt. Aber wenn du nicht alt sein willst, wie sollst du dann alt werden? Lina G. durfte alt werden, sehr alt sogar: 91 Jahre. Ihre letzten Jahre waren mühsam. Ohne professionelle Pflege wären sie noch mühsamer gewesen. Gut, dass es Frauen und Männer gibt, die diesen Beruf gewählt haben. Ihnen möchte ich an dieser Stelle danken. Gestorben ist Lina G. dann am Karsamstagabend, in der Osternacht, in H., wo sie die letzten Wochen im Pflegeheim war. Während Christen überall auf der Welt ihre Osterlieder angestimmt haben, haben die Angehörigen mit ihr ein letztes Vaterunser gebetet: "denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit."

Ja, sie ist das geworden, was sich alle hier wünschen: alt. Grund genug, dass wir bei dieser Trauerfeier ihren und unseren Gott loben. Er hat sie behütet und all die Jahre am Leben erhalten. Zuletzt wollte sie dann selbst gehen, zu ihm, von dem sie gekommen war, zu ihrem und unserem Schöpfer. Wir hier bleiben zurück und sehen ihr nach. Wir haben noch das Bild vor Augen, da wir sie das letzte Mal gesehen, haben noch ihre Stimme im Ohr, als wir sie das letzte Mal gehört haben.

Das letzte Ade

Und heute sagen wir ihr ein letztes Ade am offenen Grab, wenn wir sie zur letzten Ruhe betten. Und, liebe Freunde, lasst uns dieses Ade, diesen Abschiedsgruß, nicht nur einfach so dahinsagen, sondern geben wir ihm die Bedeutung, die er hat: „ade“ - auf Deutsch „Gott befohlen!“. Geh mit ihm, Lina G., er bringt dich nach Haus.
Ihm will ich nun an ihrer Stelle danken und vielleicht auch in eurem Namen, dass sie so alt geworden ist. Dieser Dank, liebe Angehörige, soll bei aller eurer Trauer der Schlusspunkt hinter ihrem Erdenleben sein.

Und jetzt frage ich dich, wie alt willst du denn sein, bis du zu deinem Gott sagen kannst: „Ewiger Vater, ich bin bereit. Wenn es dein Wille ist, so will ich zu dir gehen. Danke für die Jahre, die du mir bis jetzt gegeben hast."
Aber das ist nicht alles. Dazu gehört für mich auch die Liedstrophe, die wir gleich singen werden: Doch willst du uns noch einmal Freude schenken / an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz, / so woll'n wir des Vergangenen gedenken / und dann gehört dir unser Leben ganz. Also, wie alt willst du werden, um so zu beten? Wie alt, um mit Herz und Verstand zu singen: "Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag".
Lass uns heute doch einmal gemeinsam dankbar sein für die Zeit, die er bis jetzt dir und mir geschenkt hat. Mehr noch, vertrauen wir Gott aufs Neue unser Leben an. Er hat es gegeben. Er hat es in der Hand. Er wird es wieder nehmen, wann er will und er wird es gut machen mit dir und mit mir. Das hoffe, das glaube ich.

Frau, Mutter, Bäuerin

Wer war Lina G., von der wir heute Abschied nehmen?
Sie war in den letzten Jahren eine alte, kranke, pflegebedürftige Frau von 91  Jahren. Ja, das war sie. Aber nicht nur. Sie war voll Lebenserfahrung. War in den dreißiger und vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts ein Kind wie wir alle. Aufgewachsen ist sie im Elternhaus in E. mit sechs Schwestern. Als sie fünf Jahre alt war, ist der Vater gestorben. Eine Erfahrung, die die Kinder zeitlebens eng verbunden hat. Solange es möglich war, haben die sieben „Madli“ gemeinsam ihre runden Geburtstage gefeiert. Getauft und konfirmiert wurde sie in der schönen, gotischen Johanniskirche in Ansbach. Zur Schule ist sie in H. gegangen. Danach hat sie in der Landwirtschaft gearbeitet. Schließlich hat sie ihren Mann Willi kennengelernt und kam zu ihm auf den Hof in die ehemalige Sommersdorfer Mühle. Gertraut wurden sie in unserer Kirche.
Lina G. war der Mittelpunkt der Familie und ihrem Mann eine treue Gefährtin. Mehr noch, sie war Bäuerin mit Leib und Seele. Ich habe in guter Erinnerung, wie ich mit meinen damals noch kleinen Kindern zur Nachbarin in den Stall gegangen bin, um ihnen zu zeigen, wie die Kühe gemolken werden und woher die Milch kommt. 
Als ihr Mann Willi 2005 gestorben ist, kümmerte sich ihr Sohn Herbert um sie, der von ihren fünf Kindern im Elternhaus geblieben ist. Sie trauern jetzt um die Mutter gemeinsam mit neun erwachsenen Enkeln und einer Urenkelin.

Das und noch mehr, als ich hier andeuten kann, war "die Müllerin", wie sie in unserem Dorf manchmal genannt wurde. Und was ist sie jetzt? Was wird sie sein? Sie wird im Herzen von euch Kindern die Mutter bleiben, an die ihr euch erinnert. Und die schönen Zeiten mit ihr werden in euch je länger, desto heller leuchten. Ihre Stimme, ihr Lachen, ihr Blick wird euch begleiten. Und sooft ihr an sie denkt, werdet ihr dankbar sein für das Leben, das sie euch geschenkt hat; für das, was sie euch gewesen ist und noch immer bedeutet.

Abschied in Dankbarkeit

Doch für Gott, ihren Schöpfer, ist sie mehr als bloße Erinnerung. Für ihn war, ist und bleibt sie sein Geschöpf, sein Kind, das er gewollt, das er gesegnet hat mit einem langen Leben und einer großen Familie. Von ihm empfing sie ihre Arbeitskraft und ihren Glauben. Ja, Lina G. war eine selbstbewusste und temperamentvolle Frau, die sich bei allem, was schwer für sie war, doch ihres Lebens gefreut hat.
Nun ist sie in der Osternacht alt und lebenssatt gestorben, hinein die Hände des Auferstandenen, der noch am Kreuz sagte: "Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist." Er, so glaube ich, hält uns auch dann noch, wenn sonst niemand mehr halten kann. Er ist bei uns im finsteren Tal, wo sonst niemand mitgehen kann. Er lässt uns den Morgenglanz der Ewigkeit sehen, den uns sonst niemand zeigen kann. 

Wer war diese Frau? Sie war und bleibt, was auch du bist, ein Geschöpf und Kind des Allmächtigen. Von ihm heißt es in ihrem Konfirmationsspruch: „Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen - und wir sind es auch!“ (1. Johannes 3,1) Das gilt für sie. Das gilt für dich und für mich.

 „Alle wollen es werden, aber niemand will es sein: alt.“ Lina G. ist alt geworden und war es auch. Alt sein, liebe Freunde, ist kein Grund zur Panik. Aber eine große Chance, dazuzulernen im Glauben und in der Demut, in der Gelassenheit und in der Liebe zu Gott und den Menschen. Das wünsche ich uns allen. Amen

7 Kommentare:

  1. 🕯für Lina G. Und für alle Verstorbenen .
    Einen gesegneten Sonntag wünsche ich ALLEN

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  2. Ein schönes Bild eines langen Lebens!
    Einen gesegneten Sonntag für alle!🙏

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  3. Vielen Dank lieber Herr Löhr das wir diese Trauerrede lesen dürfen ich möchte nicht so alt werden, mein Leben fand ich schon immer mühsam und beschwerlich obwohl es mir von außen gesehen sehr gut geht freue ich mich schon viele Jahre darauf wenn ich bei Jesus bin.Es ist schön wenn Menschen gerne alt werden, kürzlich verstarb eine Verwandte im alter von fast 97 Jahre die letzten waren mühsam beschwerlich und einsam ich konnte nur mit ihr telefonieren dabei dachten wir oft daran wenn. sie bei Jesus wieder jung frei und glücklich ist. Eine andere Schwester aus der Gemeinde war zufrieden und winkte jedem der sie besuchte zum Abschied zu. Bis bald wenn nicht hier dann im Himmel Gottes Segen allen Angehörigen der Verstorbenen und Ihnen und Ihrer Familie herzliche Grüße Angelika

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  4. Danke, dass wir an Ihrer Trauerrede Anteil haben dürfen lieber Herr Pfarrer Hans. Die Bedeutung von " Ade" wusste ich ehrlich gesagt nicht. Ihre wunderbaren Worte haben mich wieder ( wie immer ) tief berührt und laden mich zum Nachdenken ein. Ich wünsche Ihnen und allen LeserInnen einen sonnigen, fröhlichen, gesegneten Sonntag. Alles Liebe, ❤️ lichst Ursula Anna

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  5. Danke Herr für Deine große Güte, die ich mein Leben lang erfahren habe. Ich hoffe auch weiterhin auf Dein Erbarmen in meiner schwierigen Situation. Allen wünsche ich einen behüteten und gesegneten Tag.

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  6. Jesus sprach : Kommt her zu mir ,alle ,die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.
    Das,daß passiert, wünsche ich uns allen.🙏

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