Mittwoch, 9. April 2025

Gott fängt ganz unten an hl

Bibelwort für die Woche vom 6. bis 12. April 2025: Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben als Lösegeld für viele. Matthäus 20,28

Liebe Leserin, lieber Leser,

im Laufe der Jahre ist mir beim Nachdenken über die Bibel immer deutlicher geworden, dass Jesus, in dem mir Gott begegnet, unsere Menschenwelt sozusagen vom Kopf auf die Füße stellt. Er sieht vieles, sehr vieles neu und anders als die Menschen zu seiner Zeit und zur Zeit des Alten Testaments. Er sieht anders als die Priester, Schriftgelehrten (Theologen) und Pharisäer damals, auch anders als wir heute. Denn auch wir sind im Grunde immer noch dieselben Menschen wie zu seiner Zeit mit denselben Fähigkeiten und Grenzen, was unser Denken, Verstehen und den Glauben betrifft. Jesus sieht uns und unsere Welt aus der Perspektive (Sichtweise) Gottes und nicht aus unserer Menschenperspektive. So stellt er unsere Welt von ihrem eigensinnigen Kopf auf die Füße. Stellt uns auf den Boden seines grenzenlosen Gottvertrauens und der bedingungslosen Liebe. Und das, liebe Leserin, lieber Leser, brauchen wir heute wie damals.

Ich kann es genauso gut auch so sagen: Gott hätte es nicht Weihnachten und Ostern werden lassen müssen. Er hätte auch alles so lassen können, wie es bisher gelaufen ist. Aber offenbar wollte er etwas Anderes. Er wollte nach meinem Verständnis kein Feigenblatt mehr sein für die Mächtigen Jerusalems in Politik, Tempel und Gesellschaft. Auch kein unnahbarer, strafender und furchterregender Gott für die sogenannten kleinen Leute. Er wollte und will erfahrbar und spürbar für alle seine Menschen da sein - damals wie heute.

Also fing er damit in Bethlehem an und ließ Jesus in einem Viehstall auf die Welt kommen als Zeichen seiner Liebe für alle, auch für die ganz unten. „Gottes Sohn“, wie die Christen später sagen, in einem Viehstall??? Damit hatte er schon mal die „bessere“ Gesellschaft vor den Kopf gestoßen. Denn bisher wurden die Könige in Palästen geboren, lagen in goldenen Wiegen, trugen goldene Kronen und saßen auf kostbaren Thronen. Bisher. Doch jetzt: am Anfang der Stall und am Ende der Galgen. Eine Krone aus Dornen und ein Thron aus zwei Kreuzbalken. Das, liebe Leserin, lieber Leser, ist aus meiner Sicht kein Zufall, sondern Programm. Stall, Dornenkrone und Kreuz sprechen eine eindeutige Sprache. Sie sind wider Erwarten eine gute, eine frohe Botschaft, sind Evangelium gerade für die ganz unten. Das begann damals bei den Hirten und geht weiter bis zu uns heute, bis zu mir, wenn ich am Boden bin.

Ausgerechnet bei Hirten hat es angefangen, bei armen Schluckern mit rauen Sitten, ungebildet, unkultiviert, machtlos und wahrscheinlich ohne großes Interesse an Tempelkult und Religion. Und weiter ging es mit einfachen Fischern als Jünger, mit betrügerischen Zöllnern, mit Frauen, deren Ruf zweifelhaft war und mit solchen, die behindert und krank waren und, und, und.

Warum aber begann das Neue nicht bei der einflussreichen, wohlhabenden und gebildeten Oberschicht in der Tempelkirche und im Staat? Vielleicht, ja bestimmt, weil Jesus zur Hoffnung und zur Hilfe werden sollte selbst noch für den Elendesten in der Gosse, für die Geringsten und Letzten im Gefängnis und auf der Pflegestation... So lese ich es in den Evangelien. Oder liest du da etwas anderes?

Ich glaube, Gott ist nicht mit mir irrendem, fehlbarem und kurzlebigem Menschen. Er ist nicht dazu da, mich in meinen Ansichten und Wünschen zu bestätigen. Aber er ist der „Gott bei mir“, der nicht nur tröstet, segnet und heilt, sondern mir auch in den Weg tritt und Nein sagt: Stopp! So nicht! Kein weiter so!

Zu dieser Einsicht verhilft mir unter anderem der aktuelle Wochenspruch aus Matthäus 20,28. Denn wenn ich Jesus annähernd verstehe, so sagt er mir damit:

Was mir der dienende Christus sagt

Du in deiner Menschenwelt schaust fast immer nach oben, wenn dich etwas beeindruckt. Schaust auf zu denen, die scheinbar mehr erreicht haben als du. Du bewunderst diejenigen, die mächtiger sind, die Herrschenden, die Einflussreichen und Superreichen, die Sieger, Stars und Helden deiner Zeit … Sie sind deine Vorbilder. Am liebsten möchtest auch du so sein wie sie. Und dann hättest du gern, dass, was dir wichtig ist, auch Gott wichtig sein soll; dass deine Meinung über diese Menschenwelt zugleich die seine sein soll ebenso wie deine Werte und Regeln… Kurz und gut, dass er einer von deinesgleichen sein soll.
Das würde dir gefallen und dich in deinen Absichten und Interessen bestätigen. Aber Gott gehört dir nicht. Du gehörst ihm. Und auch die Menschen, die du nicht magst gehören ihm und sind seine Geschöpfe, die er segnet und behütet wie dich. Nicht du sollst ihn nach deinem Bild erschaffen, sondern er will, dass du meinem Beispiel folgst. Ich, Jesus, bin Mensch geworden wie du, aber nicht, dass ich so denke, glaube und mich verhalte wie du. Nicht ich gleiche mich dir an, um zu werden wie du. Vielmehr helfe ich dir, so zu sein wie es sich für ein Kind Gottes gehört: dass du dich nicht über deine Mitmenschen erhebst, sondern ihnen dienst (Johannes 13,15), egal wie angesehen und mächtig du bist.
Bei euch kommt es aufs Herrschen an, bei mir aufs Dienen. Schau auf mich und folge meinem Beispiel egal ob du scheinbar unbedeutend bist oder bedeutend. Vor mir seid ihr alle gleich.
Also glaube und lebe, was du bist. Ehre Gott, der dir dient. Diene ihm in deinen Mitmenschen mit Hingabe und grenzenlosem Vertrauen in einer Welt, die das nicht versteht. Und liebe nicht nur deine Angehörigen und Freunde, sondern auch die Feinde. Hör auf damit, die Menschen über dir anzuhimmeln. Schau stattdessen auf die, die unten sind und tue ihnen Gutes. Halte, wenn es sein muss, auch noch die andere Backe hin statt zurückzuschlagen. Sei demütig aus freien Stücken, sanftmütig, stifte Frieden, bitte um Verzeihung und vergib. Sei bescheiden und aufrichtig, barmherzig und gerecht (siehe die Seligpreisungen in der Bergpredigt bei Matthäus Kapitel 5) …..

Das, liebe Leserin, liebe Leser, ist mehr als ein Kontrastprogramm zu unserer Menschenwelt. Damit stellt er sie vom Kopf auf die Füße und mich dazu.

Auch wenn ich das gutheiße, so kann ich das längst nicht alles erfüllen. Ich werde, wie bisher schon, immer wieder scheitern. Aber als Christ, der aufschaut auf Jesus und ihn zugleich in denen sieht, die unten sind, könnte ich wissen, wie man sich in dieser Welt und seinem Leben orientiert. Auch hier gilt: Nicht das Ziel (Ergebnis) ist entscheidend, sondern der Weg. Und da ist ER nicht mit mir, sondern bei mir - und bei dir (Psalm 23,4).

Herzliche Grüße,
Ihr / dein Hans Löhr


Heute vor 80 Jahren wurde Dietrich Bonhoeffer von den Nazis aufgehängt. Hier ein Auszug aus seinem bekanntesten Gebet:

   Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern / des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand, / so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern / aus deiner guten und geliebten Hand.
   Doch willst du uns noch einmal Freude schenken / an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz, /
dann wolln wir des Vergangenen gedenken, / und dann gehört dir unser Leben ganz.
   Von guten Mächten wunderbar geborgen, / erwarten wir getrost, was kommen mag. / 
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen / und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Amen

»Die Bibel ist so voller Gehalt, dass sie mehr als jedes andere Buch Stoff zum Nachdenken und Gelegenheit zu Betrachtungen über die menschlichen Dinge bietet.« J.W. von Goethe aus: „Dichtung und Wahrheit“
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1728 erschien in Herrnhut die erste Tageslosung, ein Bibelwort aus dem Alten Testament, das für jeden Tag des Jahres ausgelost wird. Dazu wird der Lehrtext, ein passendes Bibelwort aus dem Neuen Testament, ausgesucht. Inzwischen erscheinen die täglichen „Losungen“ in etwa 50 Sprachen.
Ich lege Losung und Lehrtext aus, weil einer Untersuchung zufolge das Nachdenken über Bibelworte den Glauben am stärksten wachsen lässt.
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7 Kommentare:

  1. Herzlichen Dank für Ihre Auslegung lieber Herr Löhr.
    Ich benötige Gottes Hilfe , seine Gnade und den Segen jeden Tag aufs neue...

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  2. Lieber Herr Löhr vielen Dank für Ihre Auslegung ja Jesus ist in mir und er bleibt immer der er war ist und sein wird das ist sehr tröstlich gleich wie oft ich versage er gibt mich nicht auf und ich darf auf ihn schauen und hoffen und glauben ihnen und ihrer Familie Gottes reichen Segen herzliche Grüße Angelika

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  3. ... und wie schwer ist es doch zu vergeben zu verzeihen, zu vergessen, wenn einem Unrecht geschehen ist.
    ... wie schnell ist man (bin ich) mit Urteilen, wenn ich merke, dass ein Anderer meines Erachtens nicht richtig handelt.
    ... und wie schlecht fühle ich mich dann, die, die den Glauben an Jesus Christus angenommen hat und sich dann unwürdig fühlt.

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  4. Danke für Ihre starken Worte, und wie wahr. Gottes Segen für Sie und alle Mitbeter. 🙏🌈🕊🕯

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  5. Wow, diese, Ihre Worte heute haben so viel Kraft und sind so schwer an Bedeutung... wohl wahr und dennoch so schwer für mich zu begreifen, geschweige denn zu leben. Ich wünsche mir, ich hätte mehr Kraft für unseren gemeinsamen Glauben. Aber zumindest habe ich immer Hoffnung.
    Danke, lieber Pfarrer Löhr!
    Annelie

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