Liebe
Freunde,
gestern
Morgen bin ich mit dem Motorrad von München zurückgefahren. Ich suche mir dann
immer Nebenstrecken mit möglichst kleinen Straßen und wenig Verkehr. Die Fahrt
dauert dann zwar etwas länger, aber ich komme durch Gegenden, die ich sonst
nicht kennen lernen würde. Und was soll ich sagen? Unser Land, liebe Freunde,
unsere bayerische, schwäbische und fränkische Heimat – sie ist wunderschön.
Wenn ich dann so dahinfahre, durchaus
ambitioniert, denn es soll ja auch Spaß machen, sich in die Kurven zu legen,
wenn ich auf schattigen Waldwegen fahre oder durch sonnenüberflutete Täler,
durch kleine Dörfer in denen Menschen die Straße kehren, vorbei an fruchtbaren
Feldern, an uralten Dorfkirchen und zahllosen Maibäumen, wenn ich dann über die
Donau fahre bei Marxheim oder die breite Donaustaustufe bei Bertoldsheim und
schließlich den Hahnenkamm erreiche, Hechlingen am See, Kloster Heidenheim, den
Spielberg und zuletzt die Altmühl bevor ich daheim bin, wenn ich
diese herrliche Strecke fahre, dann geschieht es, dass ich unwillkürlich laut
in meinen Helm hinein sage: „Herr, ich liebe mein Leben, das du mir geschenkt
hast und diese Welt, die du geschaffen hast und ich liebe dich. Du bist ein
wunderbarer Gott!“
Warum sage ich das? Niemand schreibt mir
das vor. Niemand fordert mich dazu auf. Ich kriege nichts dafür und ich
verfolge damit auch keine bestimmte Absicht. Ich sage das einfach so. Es kommt
unwillkürlich, spontan aus mir heraus. All die Sinneseindrücke, wenn man durch
die Landschaft fährt, verwandeln sich in mir zu einem Lob Gottes.
Und dabei ist es nicht so, dass in meinem
Leben alles in Ordnung wäre und ich keinerlei Sorgen oder Enttäuschungen hätte.
Aber ich bin so froh und dankbar, dass die Freude, die ich an meinem Leben habe
und an dieser Welt und auch die Freude an Gott stärker und größer ist als das
Negative, das es leider auch gibt.
Vielleicht hat das damit zu tun, dass ich
bei so einer Fahrt durch den Frühsommer nicht ständig in mich hineinschaue oder
hineinhöre, mich nicht ständig mit mir selbst beschäftige und dem, was
vielleicht anders sein könnte. Vielleicht hat das damit zu tun, dass, wenn ich
mit offenen Augen durchs Land fahre, ich mal nicht nur immer „ich“ sage und
denke, sondern „du“: Du, mein Gott.
Das, liebe Freunde, was ich jetzt gesagt
habe, ist für mich Glaube, diese unwillkürliche Freude an Gott, die spontane
Begeisterung für seine Schöpfung, das in mir aufsteigende Gefühl, geliebt zu
sein und Gott wieder lieben zu können.
Das hat so gar nichts mit dem zu tun, was
man oft unter Religion und Kirche versteht. Da geht es nicht um Gebote und
Verbote. Nicht um Vorschriften, die befolgt werden müssen. Nicht um die Angst,
etwas falsch zu machen. Nicht um die Furcht, Gott vielleicht nicht recht zu
sein. Um das alles geht es nicht. Das hat meines Erachtens auch mit dem Glauben
nichts zu tun. Denn der Glaube, so empfinde ich das, ist nur dann echt, wenn ich
gern und von Herzen glaube, wenn es mir ein Bedürfnis ist, zu Gott zu beten,
ihm ein Lied zu singen, über ein Bibelwort nachzudenken, einen Gottesdienst zu
besuchen.
Wir Menschen machen uns das Leben doch so
schon schwer genug, in dem wir ständig meinen, irgendetwas machen zu müssen, um
vor uns selbst oder anderen zu bestehen. Wir setzen uns selbst und andere unter
Druck, damit wir die Dinge so hinbiegen, wie wir meinen, dass sie sein sollen.
Wir überfordern uns gegenseitig mit Ansprüchen aller Art. Und darüber hinaus
machen wir uns Sorgen über Dinge, die entweder schon vergangen sind oder von
denen wir gar nicht wissen können, ob sie jemals eintreten.
Gott aber überfordert niemanden. Davon bin
ich zutiefst überzeugt. Nicht umsonst sagt Jesus: „Ihr Menschen, die ihr euch
so abplagt, kommt zu mir. Gebt mir eure Last. Ich will es euch leicht machen.“
Aber verlangt denn Gott gar nichts von
mir? Gibt es denn gar kein Gebot, das ich befolgen sollte?
Martin Luther hat die Zehn Gebote der Bibel
erklärt. Das erste Gebot heißt bekanntlich: »Ich bin der Herr, dein Gott, du
sollst nicht andere Götter haben neben mir.« Und dazu schreibt Luther: „Was ist
das? Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen.“
Ich
hab mich mit dieser Erklärung immer ein bisschen schwer getan, weil ich nicht
damit klar gekommen bin, dass ich Gott fürchten soll. Inzwischen weiß ich, dass
es dabei nicht um Angst vor Gott geht, sondern um Ehrfurcht vor Gott. Wir sagen
heute Respekt oder Achtung. Und deshalb kann man heute so sagen: „Wir sollen Gott über alle Dinge achten,
lieben und vertrauen.“
Ja, das ist es, was er von uns erwartet.
Das ist sein Gebot, das uns auch Jesus ans Herz gelegt hat. Natürlich geht so
etwas nicht auf Kommando. Aber dieses Gebot zeigt die Richtung, in die sich
mein Glaube entwickeln, in die er wachsen kann. Alles andere, was Religion oder
Kirche fordert, ist demgegenüber nachrangig und von geringer Bedeutung. Die
Religionen erkennt man ja zunächst an den Forderungen, die sie stellen.
Der Islam zum Beispiel
fordert von den Gläubigen, dass sie fünfmal am Tag beten, im Fastenmonat
Ramadan von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts essen und trinken, dass
sie für Bedürftige Almosen geben, einmal im Leben eine Wallfahrt nach Mekka unternehmen
und laut und öffentlich bekennen: „Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed
ist sein Prophet.“.
Die Juden wiederum haben
genau 365 Verbote und 248 Gebote. Darunter fällt das Gebot, dass ein männliches
Baby beschnitten wird. Auch Juden dürfen kein Schweinefleisch essen, mehr noch,
für sie gibt es genaue Speise- und Kochvorschriften. Am Sabbat dürfen sie nicht
arbeiten, nicht einmal spazieren gehen. Bei Juden wie bei Muslimen greift die
Religion tief in das alltägliche Leben der Menschen ein.
Und bei Christen? Für Katholiken gibt es exakt 245 unverrückbare Wahrheiten, auch Dogmen
genannt, die geglaubt werden müssen. Dazu kommt zum Beispiel die Pflicht, am Wochenende
eine Messe zu besuchen, zu beichten oder das Verbot der Empfängnisverhütung.
Und
die Evangelischen? Da kommt es
wiederum darauf an, zu welcher Kirche oder Glaubensgemeinschaft man gehört. In
unserer Volkskirche gibt es im Grunde nur die Pflicht, dass man getauft ist und
seine Kirchensteuer bezahlt. Aber dann gibt es eben auch andere Gruppierungen,
die strenge Moralvorschriften haben, die zum Beispiel jungen Leuten Sex vor der
Ehe verbieten.
Ich werde mich hüten, all diese
Vorschriften, Gebote und Verbote der Religionen und Glaubensgemeinschaften
lächerlich zu machen. Ich weiß ja, dass es viele Menschen gibt, auch unter uns
hier, die sich feste Regeln wünschen, die wissen wollen, was sie tun dürfen und
was nicht, die sich gerne an jemandem orientieren, der ihnen sagt, wie man
glauben und leben soll. Wenn jemand dieses Bedürfnis hat, dann will ich es ihm
nicht ausreden.
Ich will mir aber umgekehrt auch nicht
einreden lassen, dass ich auch dieses Bedürfnis haben müsse. Auch in solchen
Dingen sind wir Menschen unterschiedlich. Und das müssen wir akzeptieren.
Wer also Freude daran hat, zu beichten und
zu fasten, sich an moralische Vorschriften zu halten, regelmäßig Gottesdienste
zu besuchen, auf Wallfahrten zu gehen oder sonstige religiösen und kirchlichen
Gebote zu beachten, der möge das tun.
Solange ein solcher Mensch wirklich Freude
an diesen Dingen hat, solange er es freiwillig tut und solange er das alles
nicht auch von anderen fordert, so lange ist das in Ordnung. Aber er soll auch
wissen, dass er das für sich selbst macht. Gott kann er damit nicht beeinflussen
und wenn er noch so viele Bibelseiten liest und Gebete spricht. Gott verlangt
alle diese Dinge nicht. Es sind Menschen, die sich das ausgedacht, die daraus
Gebote und Gesetze gemacht haben, Vorschriften und Regeln. Gott aber will nur
das Eine, dass wir ihn über alle Dinge achten, lieben und vertrauen. Oder mit
den Worten Jesu gesagt:
»›Du sollst den
Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Hingabe und mit
deinem ganzen Verstand!‹ Dies ist das größte und wichtigste Gebot. Ein
zweites ist ebenso wichtig: ›Liebe deine Mitmenschen wie dich selbst!‹ Mit
diesen beiden Geboten ist alles gesagt, was das Gesetz des Mose und die
Propheten fordern.«
Das war‘s schon. Mehr verlangt er nicht. Keine
weiteren Vorschriften oder Gesetze. So einfach ist der Wille Gottes. Und doch
ist dieses Einfache alles andere als leicht. Denn wer liebt schon Gott von
ganzem Herzen und mit ganzer Hingabe und auch noch mit ganzen Verstand? Und wer
liebt schon seine Mitmenschen wie sich selbst?
Wie soll das auch gehen, dass ich Gott
liebe? Ich glaube, entscheidend ist, dass ich mir von der Bibel wieder und
wieder sagen lasse, dass Gott mich zuerst
liebt und zwar bedingungslos und voraussetzungslos. Und er tut das nicht, weil
ich liebenswürdig wäre, sondern weil ich seine Liebe brauche. Nein, ich brauche
keine Vorschriften, Gesetze und Pflichten. Ich brauche zuallererst Liebe. Ich
habe sie als Baby und Kleinkind gebraucht. Ich brauche sie auch jetzt. Schön,
wenn es Menschen gibt, die mich lieben. Das tut mir richtig gut. Doch die Liebe
von Menschen kann sich ändern und sterben. Gottes Liebe bleibt. Sie ist Quelle
und Grund, weshalb ich ihn wieder lieben kann.
Das
ist es. Mehr wird nicht verlangt, aber auch nicht weniger.
Amen
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