Sonntag, 1. Februar 2015

perfekt oder barmherzig? (Predigt) hl

Lichtblickgottesdienst am 1.2.2015. Predigtwort: Daniel 9,18 Predigt: Hans Löhr

Liebe Freunde,

wer von euch ist perfekt, wer ohne Fehler? Evi? Martin? Inge? Niemand? Merkwürdig. Ich kenne schon Leute, die tun so, als seien sie fehlerlos und nur andere würden Fehler machen. Aber von denen ist offenbar niemand hier.
Im Bibelwort für die neue Woche sagt der Prophet Daniel: „Herr, wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.“ Das gilt bis heute. Es bringt also nichts, auf mich selbst zu vertrauen, dass ich vor Gott schon alles recht und richtig mache.  Ich soll das Richtige tun, und das ist, dass ich auf ihn vertraue, darauf, dass er barmherzig ist und mir meine Fehler und Sünden vergibt.
Wie aber ist das mit Gott? Macht er Fehler? Es heißt doch, dass er vollkommen sei und mithin fehlerlos. Der große Maler Vincent van Gogh hat beim Nachdenken über die Welt und ihren Schöpfer Folgendes gesagt: »Das muss ein genialer Meister sein, der solche Schnitzer macht.«
Und in der Tat, fehlerlos ist diese Welt nicht. Und wir ja auch nicht, obwohl wir Gottes Geschöpfe sind. Also macht auch Gott Fehler? Es sieht so aus. Vielleicht sind aber seine Schnitzer gewollt. Denn stellt euch vor, wir lebten in einer perfekten Welt und wären selber perfekt. Dann wäre alles programmiert wie bei einem Computerprogramm. Dann gäbe es keine Überraschungen mehr und auch keine Freiheit. Dann wäre alles festgelegt. Dann würden alle Fußballspiele null zu null ausgehen, weil keine Mannschaft Fehler machte. Ich meine, das wäre sterbenslangweilig.
Aber vielleicht sind Gottes Fehler nur in unseren Augen welche, weil wir die großen Zusammenhänge nicht erkennen können. Nach unseren menschlichen Erkenntnissen sind es in der Entwicklungsgeschichte der Natur gerade die Fehler, durch die Neues entsteht. Plötzlich gibt es in den Erbanlagen eine Abweichung von dem wie es bisher immer war. Und es entsteht ein Geschöpf mit neuen Möglichkeiten.
Ja, ihr merkt schon, ich singe heute ein Loblied auf die Fehler. Als Schüler durfte ich das nicht. Da wurde mir von den Lehren jeder Fehler mit roter Tinte angestrichen und wenn es zu viele waren, habe ich die Quittung in Form einer schlechten Note bekommen. Aber sind nicht Fehler auch dazu da, damit ich aus ihnen lerne?
Nun ja, in bestimmten Situationen möchte auch ich nicht, dass Fehler gemacht werden. Wenn mein hoch geschätzter Zahnarzt in meinem Mund herum laboriert, sollte er möglichst keine Fehler machen. Erst recht nicht die Chirurgen, wenn sie einem den Bauch aufschneiden. Da wünsche ich mir Perfektion. Und auch die anderen Verkehrsteilnehmer, die mit mir unterwegs sind, sollten keine gravierenden Fehler machen und mich so in Unfälle verwickeln. Es hat schon seinen Sinn, sich zu bemühen, Fehler möglichst zu vermeiden und exakt und präzise zu arbeiten. Andererseits wissen wir doch alle, dass niemand fehlerlos ist, niemand perfekt. Und jetzt verrate ich euch ein Geheimnis. Elfriede, bitte mal weghören: Meine Frau ist auch nicht perfekt. Doch, das könnt ihr schon glauben. Nein, es bringt wirklich nichts, darauf zu vertrauen, dass man alles recht machen, dass man perfekt werden könnte weder bei Gott noch bei den Menschen.
Vielleicht kennen einige von euch die vermutlich schönste Gaunerkomödie aller Zeiten, Billy Wilders Film„Manche mögen‘s heiß“ mit Marilyn Monroe, Tony Curtis und Jack Lemmon: Zwei Musiker werden Zeugen eines Mordes der Mafia und entkommen dieser Mörderbande nur dadurch, dass sie sich als Frauen verkleiden und in einem Mädchen-Orchester mitspielen. So kommt es zu allerlei Verwicklungen und amüsanten Missverständnissen. Ein etwas älterer Herr namens Osgood verliebt sich unsterblich in eine dieser scheinbar weiblichen Musikerinnen. In der Schlussszene fahren die beiden im Motorboot und der ältere Herr macht einen Heiratsantrag. Darauf sagt der als Frau verkleidete Jerry:
»Sieh mal, Osgood ... ich will ganz offen sein. Wir können überhaupt nicht heiraten.«
Osgood: »Warum nicht?«
Jerry: »Also erstens bin ich nicht naturblond.«
Osgood: »Das macht mir überhaupt nichts aus.«
Jerry: »Und ich rauche. Ich rauche wie ein Schlot.«
Osgood: »Ist mir völlig egal.«
Jerry: »Und dazu habe ich eine schreckliche Vergangenheit. Ich lebe seit drei Jahren mit einem Saxophonspieler zusammen.«
Osgood: »Ich verzeihe Dir.«
Jerry: »Ich kann niemals Kinder kriegen!«
Osgood: »Wir adoptieren welche.«
Jerry: »Du verstehst immer noch nicht. Ich bin ein MANN.« Und dabei reißt er sich die Frauenperücke vom Kopf.
Doch Osgood sagt ungerührt: »Na und... Nobody is perfect, niemand ist vollkommen.«

Im Film ist das eine geniale Schlusspointe. Vielleicht will der Regisseur damit sagen: „Liebe macht blind“. Ich meine, dass er noch eine tiefere Wahrheit vermitteln will, nämlich: Nur das ist wahre Liebe, die keine Bedingungen stellt oder an Voraussetzungen und Erwartungen geknüpft ist. Aber, wie gesagt: Nobody is perfect.
Im wirklichen Leben leiden nicht wenige darunter, dass sie nicht perfekt sind. Das beginnt spätestens im Teenager-Alter: Da sind die Beine zu kurz, der Po zu dick, die Haare zu dünn, die Haut zu unrein, die Zähne zu schief usw. Unter solchen Komplexen, nicht perfekt zu sein, leiden manche Frauen bis ins Alter. Könnte ich nicht so aussehen, wie Julia Roberts oder Angelina Jolie? (Ich weiß, die sind schon längst wieder out, aber ich kenne keine andere schöne Frau der Gegenwart bis auf meine). Niemand von uns hier weiß, wie Julia Roberts und Angelina Jolie wirklich aussehen, ungeschminkt und ohne dass ihre Fotos mit einem Computerprogramm heftig bearbeitet worden sind. Auch diese beiden sind äußerlich nicht perfekt und innerlich vermutlich schon gar nicht. Ich meine, in unserer Welt regiert das teuflische Diktat der Perfektion und Makellosigkeit. Zahllose, vor allem junge Menschen leiden darunter, manche treibt es in den Tod, wenn sie deswegen magersüchtig werden.
Jedenfalls ist es nicht Gottes Wille, dass du perfekt sein sollst, weder äußerlich noch innerlich noch was deine Leistungen betrifft. Stattdessen zeigt uns Jesus, dass er gerade diejenigen besonders liebt, die nicht vollkommen sind, die Aussätzigen, die verlorenen Söhne und Töchter, die schwarzen Schafe, die Gescheiterten und Sünder. Die Frommen zu seiner Zeit, die Pharisäer und Schriftgelehrten, bemühten sich um einen makellosen, perfekten Glauben. Sie strengten sich an, die vielen Gebote und Verbote des Alten Testamentes genau zu beachten. Sie hofften, so Gott wohlgefällig zu sein und übersahen dabei, dass sich niemand Gottes Liebe verdienen kann. Sie übersahen, dass Gott barmherzig ist, gerade weil wir nicht vollkommen sind, und dass er will, dass auch wir barmherzig sind mit denen, die Fehler machen und versagen, besonders aber mit uns selber. Das weiß wohl  jeder, wie unbarmherzig man gerade mit sich selbst sein kann.
Gott hat keine perfekte, sterile Welt geschaffen, sondern eine die lebendig und fehlerfreundlich ist, die darum auch Probleme und Katastrophen überlebt. Sei du selbst auch fehlerfreundlich, dir und anderen gegenüber. Nur so wirst du dem Leben gerecht. Aber was heißt das?
Martin Luther sagte dazu im übertragenen Sinn: ‚Du kannst nicht leben, ohne Fehler zu machen. Falsche Entscheidungen gehören nun mal dazu. Auch Abwarten kann falsch sein. Nur Mut, lebe! Lebe auch auf das Risiko hin, Fehler zu machen. Versuch gar nicht erst perfekt zu sein oder rein. Sondern sündige tapfer, aber glaube noch tapferer! Du bist nicht allein, der gnädige Gott kann deine Fehler zum Guten wenden. Wenn er denn gewollt hätte, dass du perfekt bist, dann hätte er dich auch so gemacht. Aber er will, dass du lebst, dass du frei bist, dass du dich und andere überraschen kannst, dass du Fehler machst und andere dir vergeben. Dass andere Fehler machen, und du ihnen vergibst. Barmherzigkeit - das ist es doch, was das Zusammenleben ausmacht. Und ich füge hinzu: Lasst uns von den Eltern behinderter Kinder lernen. Diese sogenannten Sorgenkinder sind alles andere als perfekt und werden gerade darum besonders geliebt. Wir alle, liebe Freunde, sind Gottes Sorgenkinder. Und gerade darum liebt er uns, vergibt er uns und macht uns Mut, ohne Angst zu leben.

Willst du also perfekt sein oder barmherzig? Barmherzig mit dir und anderen? Nobody is perfect. Niemand ist vollkommen. Wähle die Barmherzigkeit und steh zu deinen Fehlern und verzeihe die der anderen. Das ist wahre Größe, die ein Perfektionist nie erreicht. Amen

Hier ist die berühmte Schlussszene von "Manche mögen's heiß", leider nur auf Englisch.

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