Sonntag, 22. November 2020

Wie Trauer helfen kann (Predigt) hl

Gottesdienst zum Gedenken der Verstorbenen im letzten Kirchenjahr 

Bibelwort: Matthäus 11,28+29

Liebe Angehörige der Verstorbenen, liebe Gemeinde,

ihr wurdet zu diesem Gottesdienst eingeladen, um euch dabei zu unterstützen, einen weiteren Schritt durch die Zeit der Trauer zu tun. Denn Trauer ist ja nicht nur ein Gefühl. Sie ist ein Weg, den jeder gehen muss, der vom Tod eines ihm nahestehenden Menschen betroffen ist. Dabei hilft es, wenn ihr eure verschiedenen Gefühle zulassen könnt, den Schmerz, den der Verlust euch bereitet, aber auch andere, oft verwirrende Gefühle, die auftauchen und vielleicht auch beunruhigen. Auch sie haben ihr Recht und wollen gefühlt sein, damit sie wieder vergehen können.

 Jeder von euch hier trauert anders. Und deshalb soll auch jeder von euch zu seiner ganz persönlichen Trauer stehen. Schaut also nicht darauf, was andere vielleicht dazu sagen. Verhaltet euch so, wie ihr es selbst für richtig haltet. Ihr müsst niemandem etwas vorspielen, was ihr nicht seid. Seid vielmehr so, wie euch zumute ist.

  Ihr wurde in die Kirche und in diesen Gottesdienst eingeladen, weil ihr hier einen Raum habt, wo ihr zur Ruhe kommen könnt und eure Seelen vielleicht Frieden finden. Hier wollen wir gemeinsam der Verstorbenen des letzten Jahres gedenken. Hier können wir uns daran erinnern, was uns der Mensch bedeutet hat, der von uns gegangen ist. Hier können wir Gott im Gebet sagen, was wir auf dem Herzen haben. Hier könnt ihr ihm bringen, was das Herz beschwert. Er selbst sagt in Jesus zu einem jeden einzelnen von euch:

Du bist eingeladen

  »Kommt alle zu mir, die ihr bedrückt seid und schwer an eurem Leid tragt. Ich will es euch leichter machen. Vertraut euch mir an, denn ich gehe behutsam mit euch um und sehe auf niemanden herab. So findet ihr Ruhe für euer Leben.« (Matthäus 11,28+29)

  Vielleicht bist du jetzt unsicher, weil du nicht weißt, wie du auf diese Einladung reagieren sollst. Vielleicht meinst du sogar, dass sie dir nicht gilt, weil du nicht glaubst. Dann lass dir sagen: Jesus lädt dich nicht ein, weil du ein besonders vorbildlicher Mensch bist und im Glauben alles richtig machst. Wer ist schon so? Er lädt dich ein, weil er sieht, dass dein Herz schwer ist. Und weil er dir helfen kann. Ob und wie du glaubst, ist ihm nicht so wichtig. Wichtig ist ihm allein, dass dein verwundetes Herz heilen kann und die Schmerzen der Trauer vergehen. Und dafür brauchst du keinen Krankenschein und kein Rezept. Da genügt es, wenn du dich öffnest und an ihn abgibst, was dir weh tut.

Trauer ist ein Weg

     Nein, da wird nicht sofort alles gut. Wie gesagt, Trauer ist ein Weg. Aber es ist ein Unterschied, ob ich diesen Weg allein gehen muss, oder ob da einer mitgeht so wie wir bei der Trauerfeier mit dem Psalm 23 gebetet haben: »Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir.«

     Selbst wenn du nicht weißt, wer das ist, der da mitgeht, so gilt doch auch für dich, was Dietrich Bonhoeffer gedichtet hat: »Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag«. Ja, in dieser oft so schwierigen Welt und auch in deinem nicht immer einfachen Leben gibt es diese guten Mächte. Das sind zunächst einmal all die Menschen und Dinge, die dir gut tun. Und dass es sie gibt, ist kein Zufall. Ich glaube, Gott hilft uns vor allem durch sie. Und darum geht das Gedicht von Bonhoeffer so weiter: »Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.«

Auch morgen ist wohl für die meisten von euch hier wieder ein Tag der Trauer. Manchmal erlebt ihr sie intensiver und manchmal ist sie weniger stark. Manchmal tut es mehr weh, aber dann auch wieder ein bisschen weniger. Ja, das finstere Tal kann ganz schön lang sein. Und doch hat es einen Ausgang. Und dann wird es allmählich wieder heller auch in deinem Leben. Und vielleicht kannst du irgendwann auf diesem Weg zu Gott sagen: „Lass mich spüren, dass du da bist. Geh mit mir durch dieses Tal und bring mich wieder hinaus.“

Im Rahmen der Aussegnung oder der Trauerfeier werden oft diese Worte gesagt:

»Wir nehmen Abschied von diesem Menschen. Wer ihn lieb gehabt und geachtet hat, trage diese Liebe und Achtung weiter. Wen er lieb gehabt hat, danke ihm alle Liebe. Wem er etwas schuldig geblieben ist an solcher Liebe in Worten und Taten, bitte Gott um Vergebung. Und wem er wehgetan haben sollte, verzeihe ihm, wie Gott uns vergibt, wenn wir ihn darum bitten. So nehmen wir Abschied mit Dank für alles Gewesene und im Frieden.«

Annehmen, was war und was ist

     Diese Sätze, die allen Trauernden gelten, sollen helfen, dass sie annehmen, was und wie es zu Lebzeiten des Verstorbenen war. Da geht es um das, was schön und gut war, aber auch um das, was schwierig war. Niemand kann das mehr ändern. Aber du hast die Möglichkeit, so damit umzugehen, dass es dir gut tut. Jene Sätze geben einen Hinweis, wenn es da heißt: »So nehmen wir Abschied mit Dank für alles Gewesene und im Frieden.« Wohl kaum jemand kann für alles Gewesene dankbar sein. Aber im Lauf der Zeit verändert sich der Blick auf das, was war. Und dann versteht man allmählich, dass auch das seinen Sinn hatte, was schwierig war und dass es am besten für den eigenen Seelenfrieden ist, insgesamt dankbar auf die gemeinsame Zeit zurückzublicken.

    Doch es geht nicht nur darum, anzunehmen, was war und seinen Frieden damit zu machen. Es geht jetzt auch darum, anzunehmen was ist. Nämlich, dass der Abschied unwiderruflich ist. Wenn die Verstorbenen länger leiden mussten, sagen wir gewöhnlich bei ihrem Tod: Er oder sie ist erlöst. Das stimmt schon. Aber es ist doch nur ein kleiner Trost, weil der Tod eben auch endgültig ist. Weil er einen harten Einschnitt ins Leben bedeutet. Und alle, die trauern, merken das auch daran, dass es seine Zeit braucht, bis die eigene Seele so weit ist, das anzunehmen. Doch genau das ist auch die Aufgabe in der Trauerzeit, dass wir annehmen, was ist und zu dem Punkt kommen, an dem man sagen kann: „Ja, jetzt bin ich damit einverstanden, denn jetzt habe ich meinen Frieden gefunden.“

Der Tod ist nicht das Letzte

     Seit zweieinhalb tausend Jahren steht dieses Wort in der Bibel: »Der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen.« Ich weiß nicht, ob diejenigen, die glauben, leichter annehmen können, was ist. Aber sie können zu sich sagen: "Ich hab diesen Menschen, der von mir gegangen ist, aus Gottes Hand bekommen und ich gebe ihn nun wieder dahin zurück. Denn mit ihm, dem Schöpfer aller Dinge, hat alles begonnen und mit ihm wird alles enden. Nicht der Tod ist das Letzte. Er ist nur ein Vorletztes. Das Letzte aber ist, was Gott tut. Er wird niemand verlieren und niemand verdammen, niemand bestrafen und niemand vergessen. Er wird heilen, was krank war und zerbrochen ist. Er wird aufrichten, was krumm ist. Er wird vergeben, was misslungen ist." 

     Und er wird vollenden, was er begonnen hat mit dem Verstorbenen, mit dir und mit mir. So bringt er alles zu einem guten Ende. Denn trotz allem, was wir in diesem Leben auch an Leid und Schmerz erfahren, vertrauen wir auf den Gott der Liebe, der in Jesus Christus zu uns gekommen ist und bleibt. Amen

Musik nach dem Verlesen der Namen der Verstorbenen: "Wachet auf, ruft uns die Stimme"

 

1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für diese wertvollen Worte. Sie haben mir gut getan.

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