Sonntag, 10. Februar 2013

Was willst du? hl

Predigt von Hans Löhr am Sonntag Estomihi in den Kirchen von Sommersdorf und Thann. 

Ein Blinder wird geheilt (Lukas 18,35-43)
Jesus und seine Jünger waren unterwegs nach Jericho. In der Nähe der Stadt saß ein Blinder am Straßenrand und bettelte. 
Er hörte den Lärm der vorbeiziehenden Menge und fragte neugierig: "Was ist da los?" 
Einige riefen ihm zu: "Jesus von Nazareth kommt nach Jericho!"
Als er das hörte, schrie er laut: "Jesus, du Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!" 
Die Leute fuhren ihn an: "Halt den Mund!" Er aber schrie nur noch lauter: "du Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!" 
Jesus blieb stehen und ließ den Mann zu sich führen. Dann fragte er ihn: "Was willst du? Was soll ich für dich tun?" "Herr", flehte ihn der Blinde an, "ich möchte sehen können!" "Du sollst wieder sehen!", sagte Jesus zu ihm. "Dein Glaube hat dir geholfen." 
Im selben Augenblick konnte der Blinde sehen. Er ging mit Jesus und lobte Gott. Zusammen mit ihm lobten und dankten alle, die seine Heilung miterlebt hatten.

[Predigttext wird von einer Kirchenvorsteherin am Altar vorgelesen, während HL in der Sakristei den Talar auszieht, sich eine Decke umgehängt, eine schmutzige Binde um die Augen bindet, einen Stock und eine Schale mit ein paar Münzen nimmt. Nach dem Ende der Lesung kommt HL in den Kirchenraum und tastet sich mit dem Blindenstock in den Mittelgang, während er mit der Schale und den Münzen klappert]
»Eine milde Gabe für einen Blinden! (Pause) Nur eine kleine Spende. Ich will doch auch leben! (Pause)« [HL nimmt die Binde ab, legt die Decke über seinen Arm und sagt:]
So ging es mir, bevor ich Jesus getroffen habe. Seitdem bin ich gesund. Seitdem habe ich ein neues Leben. Aber davor war es schrecklich. Ich fühlte mich so hilflos und den Leuten ausgeliefert. Ich wusste, ich war ihnen lästig. Doch jetzt bin ich ein neuer Mensch. Hier, der Blindenstock, die Binde, die Bettelschale – als ich sie noch brauchte, waren es die Zeichen meiner Krankheit. Jetzt lege ich sie unter das Kreuz Jesu. [HL holt das Altarkreuz vorne an die Kante des Altartisches, lehnt den Blindenstock daneben, die Binde, die Bettelschale und wirft auf den Fußboden die Decke] Jetzt brauche ich das alles nicht mehr. Jetzt sind diese Sachen Zeichen meiner Heilung. Ich kann sie Jesus abgeben. Ihm, der mir geholfen hat.
Doch der Reihe nach: Ich weiß gar nicht mehr, wie lange ich einer der blinden Bettler von Jericho war. In meiner Jugend bekam ich eine Augenkrankheit. Und dann wurde es im wahrsten Sinn des Wortes finster in meinem Leben. Niemand konnte, niemand wollte mir helfen. Es gab damals keine Krankenversicherung, die mir eine Behandlung hätte finanzieren können. Keine staatliche Unterstützung. Ich führte ein elendes Leben. Aber ich hatte mich damit abgefunden. Irgendwie kam ich ja über die Runden.
Da bemerkte ich eines Tages, dass viele Leute auf der Straße zusammenliefen. Ich fragte sie, was los sei. Einer sagte zu mir: »Jesus von Nazareth kommt nach Jericho!« »Jesus von Nazareth? Ich hatte schon von ihm gehört. Man erzählte sich von ihm viele wundersame Dinge, dass er so von Gott reden würde, wie keiner davor, wie kein Pfarrer und kein Bischof. Und dass er Kranke gesund gemacht habe. Würde er vielleicht auch mir…? Nein, mir doch nicht. So ein berühmter Mann gibt sich doch nicht mit einem kranken und zerlumpten Bettler ab wie ich einer bin. So dachte ich. Aber dann merkte ich, dass er immer näher kam und es keimte eine nicht gekannte Hoffnung in mir auf. Vielleicht doch? Mir wurde schlagartig klar: Das ist die einzige Chance in deinem Leben. Wenn dir einer helfen kann, dann er.
Ich nahm allen meinen Mut zusammen und rief: „Jesus, Sohn Davids, hab Mitleid mit mir! Kyrie eleison! ” „Pst! ”Machten die Leute. „Halt den Mund! Du störst!” Doch ich spürte ein mächtiges Zutrauen zu Jesus in mir. Ich ließ mich von den Leuten nicht mundtot machen. Ich schrie aus Leibeskräften: „Jesus, Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir! Kyrie eleison!” Ich wusste, Jesus musste mich gehört haben. Was würde geschehen? Würde er mich beachten? Da packten mich zwei links und rechts und sagten: „Wir bringen dich zu ihm.” Als ich vor ihm stand, fragte er mich: „Was willst du? Was willst du, dass ich dir tun soll? ” Was für eine seltsame Frage. Er sah doch, dass ich blind war. Wollte er mich veräppeln? Nein, den Eindruck hatte ich nicht. Und so sagte ich entschieden und überzeugt: „Herr, dass ich wieder sehen kann. ”
Ich wusste genau, was ich wollte. Meint ihr hier, das sei selbstverständlich? Ich kenne Blinde, die wollen blind bleiben. Die haben Angst, dass sich ihre Situation verändert, wenn Sie plötzlich sehen können. Angst vor einem neuen Leben. Als Bettler wissen sie, wie sie ihren kärglichen Lebensunterhalt zusammenkriegen. Aber was ist, wenn sie gesund sind? Wovon sollten sie leben? Die Leute würden sie nicht mehr beachten. Sie wären nicht mehr interessant. Wie würden sie dann zurechtkommen?
Und wie ist das bei euch? Wisst ihr, was ihr wollt? Habt ihr schon mal was gewagt, das euer Leben verändert hat? Ohne Garantie, dass das auch gut geht? Habt ihr den Arbeitsplatz gewechselt und das Risiko einer zeitweiligen Arbeitslosigkeit auf euch genommen? Seid ihr freiwillig umgezogen? Habt ihr eine große Reise unternommen, von der euch andere abgeraten haben? Habt ihr jemanden geheiratet - aus Liebe-, von dem euch andere abgeraten haben.
Doch, die Frage von Jesus war schon berechtigt, wenn er sagte: „Willst du wirklich etwas ändern in deinem Leben? Was genau ist es, wobei ich dir helfen soll? Du musst das wissen, du musst das sagen können. Du musst das wollen, wenn sich bei dir etwas ändern soll.”
Mir war schlagartig klar: Er braucht meinen Willen, meinen Glauben, mein Gottvertrauen, um mir helfen zu können. So war das bei mir. Und darum sagte Jesus: „Dein Glaube hat dir geholfen. Dass du mir das zugetraut hast, das hat dich geheilt.” Und so wurde ich gesund und es begann ein neues Leben für mich – mit ihm.
Soweit, liebe Gemeinde, die Geschichte des Blinden von Jericho. Ich lerne für mich daraus:
Erstens, was Jesus damals für den Blinden getan hat, kann er auch heute für mich und für dich tun. Er kann auch uns neues Leben schenken, wenn wir ihm das zutrauen. Wäre es nicht so, was bräuchten wir uns dann mit einer Geschichte abzugeben, die 2000 Jahre alt ist? Nur wenn sie mit uns heute zu tun hat, ist sie auch wichtig.
Zweitens, die Voraussetzung dafür, dass sich bei mir etwas verändert, ist, dass ich das auch wirklich will. Ich muss im Gebet Gott sagen können, was er für mich tun soll, immer wieder und wieder. Manchmal tagelang oder wochenlang oder sogar jahrelang.
Drittens, ein solches Gebet macht nur dann Sinn, wenn ich Gott auch ganz und gar zutraue, dass er mir helfen kann und wird. Vielleicht wird das nicht genau so geschehen, wie ich mir das vorstelle. Aber doch so, wie es mir schließlich zum Besten dient.
In jedem Sonntagsgottesdienst hier in der Kirche rufen wir Jesus mit dem Satz des Blinden von Jericho, ich auf Griechisch und ihr auf Deutsch: „Kyrie eleison – Herr erbarme dich. Christe eleison – Christus erbarme dich!” Meinen wir das wirklich ernst? Was wäre, wenn er jetzt plötzlich vor uns stünde und zu dir sagen würde: „Ich habe dich rufen gehört. Hier bin ich. Was willst du von mir?” Was werden wir, was wirst du ihm dann sagen? „Entschuldigung, ich habe nichts dabei gedacht. Ich will gar nichts von dir.” Oder: „Herr Jesus, da schau: Das sind meine Sorgen, das ist meine Angst und meine Not. Du kannst mir helfen. Dir traue ich das zu. Kyrie eleison!” Wenn du das so oder so ähnlich zu ihm sagen kannst, bleibt das nicht ohne Wirkung. Dann wird sich etwas für dich zum Guten ändern.
Der Blinde von Jericho hatte seinen Blindenstock, die Binde und die Bettelschale unter das Kreuz gelegt. Er hat das alles losgelassen, hat es Jesus  gegeben und ein neues Leben gewagt. Was wirst du unter das Kreuz legen? Was hergeben, was los lassen und was aufgeben für ein anderes, ein neues Leben?
·        Vielleicht die unnötigen Tabletten, die du ständig zu dir nimmst?
·        Vielleicht einen unrealistischen, schädlichen Wunsch?
·        Vielleicht eine schlechte Angewohnheit, die du schon längst loswerden möchtest, und die dich und andere belastet?
·        Vielleicht irgendeine Abhängigkeit, nicht nur vom Alkohol, sondern auch von einem Menschen, der dir nicht gut tut oder vom Fernsehen oder von anderen Dingen?
·        Vielleicht eine alte Schuld oder einen alten Streit?
·        Vielleicht auch das falsche Bild, das du von dir hast, dass du immerzu jung aussehen und den Anschein erwecken musst, als seist du topfit, obwohl du doch älter wirst?
Denke an den Blinden von Jericho: Wenn du willst, dass in deinem Leben etwas anders werden soll, dann hör nicht auf das, was andere sagen. Dann lass die Leute reden. Du aber rede mit deinem Gott. Sage ihm klipp und klar, was du willst und traue ihm zu, dass er dir geben wird, was gut für dich ist. So wirst auch du seine Wunder erleben. Amen HL
(Bezugnahme auf den Aspekt der Dankbarkeit im Fürbittengebet.
Rekronstruktion des mündlichen Vortrags)

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