Sonntag, 3. Februar 2013

Jesus-Freaks in der Bibel ebl

Predigt im Lichtblick am 03.02.2013 von Elfriede Bezold-Löhr

Erst heißt er „der von Gott Erbetene“. Ein Sohn aus gutem Hause. Seine Eltern haben das römische Bürgerrecht. Das heißt, dass sie wählen und in ein politisches Amt gewählt werden dürfen, dass sie Eigentum besitzen und und dass sie im Streitfall auf eine ordentliche Gerichtsverhandlung bauen können.
Als Gegenleistung müssen sie ihren Verdienst versteuern und Wehrdienst leisten. Wer das römische Bürgerrecht hat, steht gut da.
Der Sohn der Familie bekommt eine gute Ausbildung. Er kennt sich bald in den diversen philosophischen Denkrichtungen der griechischen Geisteswelt aus. Er kennt die bunt bevölkerte Götterwelt der Region und weiß, welche Gottheit mit welchen Bräuchen verehrt wird. Er selbst gehört mit seinen Eltern dem jüdischen Glauben an. Sie wohnen in Tarsus, einer lebendigen Hafenstadt in Kleinasien in der heutigen Türkei. Nur zwei Kilometer sind es damals von Tarsus aus über den Fluss Kydnos bis zum Mittelmeer.
„Der von Gott Erbetene“, kürzer „Saulus“, bekommt außerdem eine fundierte theologische Ausbildung bei einer der ersten Adressen seiner Zeit: Gamaliel, ein renomierter Schriftgelehrter, bringt ihm die Auslegung der fünf Bücher Mose bei und macht ihn mit der jüdischen Tradition vertraut.
Der Schüler Saulus lernt fleißig und vorbildlich. Er lebt auch vorbildlich – hält sich genauestens an die Jüdischen Reinigungs- und Speisegesetze und macht alles richtig.
Klug, ehrgeizig und verlässlich, wie Saulus ist, bekommt er als junger Mann einen Spezialauftrag: Er soll sich um die Anhänger eines Zimmermannssohnes kümmern. Dieser Zimmermannssohn hat allen Ernstes behauptet, der Sohn Gottes zu sein. Seine Anhänger glauben ihm das und nennen sich nach diesem ‚Christus‘ entsprechend ‚Christen‘. Eine gefährliche Sondermeinung scheint sich da zu entwickeln, vor allem in Jerusalem – und die Zahl der Anhänger wächst! Höchste Zeit, finden die jüdischen Würdenträger, einzuschreiten. Dieser Sekte muss der Garaus gemacht werden, bevor sie zu viele Leute anzieht.
Bei der Steinigung des Christen Stephanus schaut Saulus zu und haftet persönlich dafür, dass keines der Obergewänder verschwindet, das die Männer ausgezogen haben, die Stephanus mit Steinen erschlagen. Nach dieser Hinrichtung gibt Saulus den Startschuss für eine Razzia in ganz Jerusalem: Auf seinen Befehl hin wird Haus für Haus durchkämmt und Hunderte von Christen wandern ins Gefängnis.

Und dann, eines Tages, stellt sich Gott dem jungen Mann mit aller Macht in den Weg.

Saulus ist auf dem Weg in die Stadt Damaskus, um auch dort eine ‚Säuberungsaktion‘ vorzunehmen. Er hat die Stadt fast erreicht, als ihn ein gleißendes Licht blendet. Er geht in die Knie. Hört eine Stimme, die ihn fragt: „Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich?“
Saulus kann nur stammeln: „Wer … wer bist du, Herr?“
„Ich bin Jesus, den du verfolgst. Ich möchte, dass du jetzt aufstehst und in die Stadt gehst. In der Stadt wird dir dann gesagt werden, was du tun sollst.“ (Apg. 9)
Er, der vorher andere kommandiert hatte, bekommt jetzt von Jesus klare Ansagen. Er, vor dem die anderen gezittert  haben, wird jetzt blind und zittrig nach Damaskus hineingeführt. Was ihm da passiert ist, kann er sich beim besten Willen nicht erklären. Seine ganze Weisheit hilft ihm nichts. Drei Tage und drei Nächte sitzt er in vollkommener Finsternis und fastet. Am vierten Tag bekommt er erlösenden Besuch von einem gewissen Hananias. Der legt ihm die Hände auf und sagt zu ihm: „Bruder Saulus, der Herr  hat mich geschickt, derselbe Jesus, den du auf dem Weg hierher gesehen hast. Er hat mich zu dir gesandt, damit du wieder sehen kannst und mit dem Heiligen Geist erfüllt wirst.“

Von jetzt an nennt er sich selber „der Kleine“.  Paulus. „Der Kleine, Geringe, Niedrige“.  Paulus, „der Kleine“, geht schnurstracks in die örtliche Synagoge in Damaskus. Es sprudelt aus ihm heraus, was er mit Jesus erlebt hat. Er, der noch Tage vorher Christen sterben sehen wollte, sagt jetzt: „Ja, Jesus ist wirklich der Sohn des lebendigen Gottes.“ Die Leute trauen natürlich ihren Ohren nicht! „Ist das nicht der Mann, der sich in Jerusalem darum bemüht hat, alle zu vernichten, die sich zu Jesus bekennen? Und kam er nicht hierher, um hier genauso durchzugreifen und alle diese Sektierer ins Gefängnis werfen zu lassen, damit sie den Hohenpriestern zur Verurteilung vorgeführt werden?“

Doch, es ist der Mann. Er ist nicht wiederzuerkennen. Aber nicht nur die Christen reiben sich die Augen. Die jüdischen Würdenträger sind genauso perplex. Ihr Garant für eine schnelle Beseitigung dieser christlichen Widerstandsnester sollte übergelaufen sein? Jetzt selber begeistert von Christus reden? Es ist unfassbar! Und es ist unerträglich. Erst schauen sie hilflos zu, dann wird klar: „Der muss auch zum Verstummen gebracht werden. Je schneller, desto besser.“ Plötzlich ist Paulus der Verfolgte. Aus Damaskus kann er nur entkommen, weil seine neuen Freunde ihn nachts in einem großen Korb über die Stadtmauer hinunterlassen. In Jerusalem, wo Paulus seinen Mund auch nicht hält, geht es ihm nicht besser! Selbst dort steht er bald auf der Todesliste.
Paulus geht zurück nach Tarsus. Dort, in seiner Heimat, bleibt er zehn Jahre. Es wird still um ihn. Könnte gut sein, dass er dort die biblischen Bücher noch einmal neu liest. Mit Augen, die ihm von Gott geöffnet worden sind.

Alles, was ich einmal für besonders wichtig und wertvoll gehalten habe, kommt mir jetzt, seit ich Jesus kenne, geradezu lächerlich vor. Ja ich halte es sogar für schädlich, weil es der alles überragenden Erkenntnis Jesu Christi entgegensteht. Für ihn habe ich gern alles aufgegeben und halte so manche großartige Sache meiner religiösen Erziehung für – entschuldigt den Ausdruck – Bockmist. Ich möchte nie mehr die Gemeinschaft mit Jesus verlieren, die ich mir nicht durch meine Gesetzestreue verdient habe, sondern die Gott geschenkt hat, weil ich mein Vertrauen auf ihn gesetzt habe. Ich möchte Jesus immer besser kennenlernen und auch am eigenen Leib die Kraft erfahren, mit der er vom Tod auferweckt wurde. Ja, ich sehne mich danach, mit ihm zu leiden und ihm im Tod ähnlich zu werden. So hoffe ich auch, mit allen, die an Christus glauben, von den Toten aufzuerstehen.“ (Phil.3 in der Übersetzung ‚Willkommen daheim‘)
Das schreibt Paulus an die Gemeinde in Philippi, die er mit Freunden gründet und dann seelsorgerlich begleitet. Sein ganzes Leben dreht sich jetzt nur noch darum, dass möglichst viele Leute etwas von Jesus Christus erfahren. Dafür reist er tausende von Kilometern, predigt sich heiser, lässt sich ins Gefängnis sperren, anfeinden und auslachen. Er stemmt sich gegen eine chronische Krankheit, die ihn quält, und lässt doch nicht nach. Bis – bis ihm in Rom der Prozess gemacht werden soll wegen seiner Missionstätigkeit. Zunächst kommt er nach zwei Jahren hinter römischen Gefängnismauern noch einmal frei. Aber – davon erzählen andere Zeitzeugnisse – am Ende wird er auf Befehl des Kaisers Nero mit dem Schwert hingerichtet, gemeinsam mit anderen Christen.

Und ich? Was hat diese ganze Sache jetzt mit mir und mit dir und mit Ihnen zu tun? Ganz schön viel! Wir verdanken es Paulus, dass wir hier im ‚Abendland‘ überhaupt von Jesus Christus etwas wissen. Er war der Erste, der sich „mit dem Evangelium unter dem Arm“ zu uns nach Europa auf den Weg gemacht hat.
Wir verdanken es Paulus, dass wir klar sagen können, worum es Gott geht: Es geht ihm um die Gemeinschaft mit uns. Nur dafür, einzig und allein deswegen ist Gott in Jesus Mensch geworden. Damit er in unserer Nähe ist.
Wir lernen an der Lebensgeschichte von Paulus auch: Näher zu Gott kommen wir nicht durch ein möglichst ‚korrektes‘ Leben. Näher zu Gott kommen wir nur, indem wir alles loslassen. Uns mit leeren Händen vor Gott hinstellen. Unsere Hände offen ausstrecken und sagen: „Füll du sie mir, Gott. Ich vertraue dir, dass du mir Brot gibst und keine Steine.“
Paulus sagt uns auch deutlich wie kein anderer, wie Gott es mit unseren Schwächen und unserer Schuld halten wird: All das ist in Jesus aufgehoben. Was hatte dieser Mann nicht alles aus seinem ‚ersten Leben‘ mitgebracht? Wegen ihm saßen Menschen unschuldig im Gefängnis. Er war verantwortlich für Todesurteile. Er war ein Mörder. Mit dem Gott eine Segensgeschichte ohnegleichen anfängt.
Das Leben von Paulus läuft nicht einlinig. Da gibt es die Zeiten des Aufbruchs. Es gibt Zeiten der Stille, ja des scheinbaren Stillstandes – zehn Jahre taucht er in Tarsus ab! Es gibt Zeiten des Erfolgs, in denen Menschen sich dem Evangelium öffnen und gläubig werden. Es gibt Zeiten der Frustration. Es gibt Streit und Krach unter den Freunden um die richtige Lehre.
Es ist bei Paulus wie im Leben von jedem von uns. Hartes und Schönes sind miteinander verwoben. Das bedeutet ‚den Glauben leben‘ Damals wie heute. Das entlastet und ermutigt mich. Gott wirkt auch in meiner Geschichte. In allen Phasen, auch wenn ich es selber gerade nicht wahrnehme. Das soll mich ermutigen. Amen.

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