Sonntag, 14. September 2014

Wer übertreibt, wird rausgeworfen. hl

Predigt am 14. September 2014 von Hans Löhr.
Predigttexte: Tageslosung Jeremia 7,4-5 und Lehrtext Galater 5,14

Verlasst euch nicht auf Lügenworte, wenn sie sagen: »Hier ist des HERRN Tempel, hier ist des HERRN Tempel, hier ist des HERRN Tempel!« Sondern bessert euer Leben und euer Tun. Jeremia 7,4-5

Das ganze Gesetz ist in einem Wort erfüllt, in dem: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst«! Galater 5,14

Liebe Leserin, lieber Leser,

letzten Donnerstag habe ich um 0:45 Uhr drei Leute aus der Sommersdorfer Kirche gewiesen. Normalerweise lade ich Menschen in die Kirche ein. Aber die habe ich rausgeworfen. Der eine von ihnen ist um die 20 und kommt aus der Gemeinde Thann. Der andere dürfte Ende 40 sein ist und ist katholisch. Und die Frau ist Mitte 60 und kommt aus der Gemeinde Sommersdorf. Alle drei waren schon etwa 6 Stunden zugange und das nicht zum ersten Mal. Schon mehrmals haben sie sich nachts in der Kirche zu schaffen gemacht. Dieses Mal aber hatte ich sie erwischt. Sie hatten sich dadurch verraten, dass um 0:15 Uhr plötzlich zwei Glockenschläge ertönten. Das hatte mich hellhörig gemacht und ich bin in die Kirche gegangen.
Was die drei da nachts in unserer Kirche verloren hatten?
Unter der Anleitung des katholischen Ingenieurs haben sie einen Großteil der Elektroinstallation in unserer Kirche erneuert. Das war in der Tat längst überfällig. Kabel wurden verlegt. Alte Steckdosen ausgetauscht. Neue Steckdosen angebracht. Scheinwerfer wurden montiert. Und demnächst wird noch der neue Beamer installiert, den wir künftig für unsere Gottesdienste benötigen. Alle drei sind schon seit längerem Mitarbeitende in unserer Gemeinde. Zwei engagieren sich seit Jahren im Lichtblick-Gottesdienst in Burgoberbach. Die andere in unserer Kirche in Sommersdorf. Aber warum machen die sowas? Sie kriegen kein Geld dafür. Sie opfern ihre Freizeit. Einer kam gegen 1:00 Uhr ins Bett. Um 6:00 Uhr musste er wieder aufstehen und um 7:00 Uhr auf der Arbeit sein. Sie hätten doch auch zuhause vor dem Fernseher sitzen können oder vor dem Computer. Ja, warum machen die das?
Einer von ihnen sagte: Noch für fünf Jahren wäre mir das nie im Leben eingefallen. Da hätte ich gesagt: „Ich bin doch nicht blöd und arbeite Abende lang umsonst in der evangelischen Kirche in Sommersdorf!“ Und jetzt hat er's doch getan. Warum?
Ganz einfach, weil in ihm der Glaube aufgewacht und lebendig geworden ist. Er war vorher schon getauft und hat hin und wieder Gottesdienste besucht. Doch nach vielen Jahren ist ihm plötzlich Gott wichtig geworden. Seine innere Einstellung hat sich verändert. Andere Dinge sind im jetzt wichtig und wieder andere nicht mehr so wichtig wie bisher. Alle drei arbeiten nicht für Geld, nicht für den Pfarrer, nicht einmal für die Pfarrerin, sondern für Gott. Ihr Einsatz kommt aus ihrem Glauben. Und das gilt nicht nur für diese drei, sondern für viele, die in unserer Gemeinde mitarbeiten. Sie alle haben etwas begriffen, was nicht selbstverständlich ist. Nämlich, dass der Glaube an Gott keine unsichtbare innere Einstellung ist, sondern im selbstlosen Einsatz für andere sichtbar wird: »In niemands Herz man sehen kann. An Werken wird erkannt ein Mann« (EG 413,2), werden wir im Anschluss an diese Predigt singen.
Ein Glaube, der sich selbst genügt, bei dem es nur um das eigene Seelenheil geht, nur um den eigenen Vorteil, ein solcher Glaube ist kein Glaube. Das sage nicht ich. Das sagt die Bibel. So heißt es im Brief des Apostels Paulus an die Christen in Galatien in Kapitel sechs Vers fünf: „In Christus zählt nur der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.“ Natürlich gehört dazu auch, sich Zeit zu nehmen, um daheim Gottes Wort zu lesen, sei es in der Bibel oder in den Losungsauslegungen und einen Gottesdienst zu besuchen, wo man mit anderen eine Predigt hört und mit ihnen betet und singt und geistlich auftankt. Denn der Glaube ist ein stetiges Nehmen und Geben. Ich empfange beim Beten oder im Gottesdienst neue Kraft, neuen Mut, neuen Trost. Mit einem Wort, ich empfange Gottes Liebe. Aber ich darf und kann sie nicht behalten, sondern soll sie weitergeben an andere. Anders gesagt: Der Glaube ist ein ständiges Einatmen und Ausatmen. Beides ist wichtig. Niemand kann immer nur einatmen und niemand immer nur ausatmen. Nur wer aufnimmt, kann auch wieder abgeben. Und nur wer abgibt, kann auch wieder aufnehmen.
Im heutigen Losungswort aus der Bibel heißt es: Verlasst euch nicht auf Lügenworte, wenn sie sagen: »Hier ist die Kirche Gottes, hier ist die Kirche Gottes!« Sondern bessert euer Leben und euer Tun (Jeremia 7,4-5). Damit wollte der Prophet Jeremia die Menschen seinerzeit aufrütteln aus ihrer religiösen Selbstsicherheit und geistlichen Schläfrigkeit. In unsere Zeit übertragen würde das bedeuten: „Täuscht euch nicht, wenn man sagt: ‚Wir haben doch die Kirche im Dorf. Wir sind doch getauft. Wir zahlen doch Kirchensteuer. Und ab und zu gehen wir auch in die Kirche. Wir sind konfirmiert und kirchlich getraut und lassen unsere Kinder taufen. Das muss doch reichen! Was will man denn noch alles von uns?“
Auf diese Frage gibt der Prophet eine klare Antwort: „Bessert euer Leben und euer Tun!“  Darauf kommt es also entscheidend an und nicht auf Gebäude, Rituale und religiöse Gewohnheiten. Doch was meint er damit? In unserer Zeit ist es für viele enorm wichtig, das eigene Leben zu verbessern. Da wird viel Zeit und Geld investiert, um gesünder, jünger schöner und erfolgreicher zu sein. Doch diese Art von Selbstverbesserung hat der Prophet Jeremia nicht im Blick. Ihm geht es um bessere Beziehungen zu anderen Menschen, darum , dass wir einander freundlich und ehrlich, hilfsbereit und anständig begegnen, , dass wir niemanden ausnützen, herabsetzen, beleidigen oder ausgrenzen und erst recht nicht schlecht über andere hinter ihrem Rücken reden. Das ist der Glaube, der durch die Liebe tätig wird.
Im biblischen Lehrtext für den heutigen Tag heißt es dazu: „Der Wille Gottes ist in einem Wort erfüllt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“
Zu dieser Art der Nächstenliebe gehört zum Beispiel, dass man auch mal einen Putzlappen in die Hand nimmt und in der Kirche die Bänke abwischt, nicht nur den eigenen Sitzplatz, sondern auch den für die anderen Kirchenbesucher. So wie es die Frauen letzten Freitag getan haben, als nach den Malerarbeiten in der Sommersdorfer Kirche alles wieder sauber gemacht werden musste. Gott sei Dank haben wir solche Leute in unseren Dörfern, die sich nicht erst lange bitten lassen, wenn sie gebraucht werden. Aber andere haben wir auch. Da weiß ich von vornherein, dass ich die gar nicht zu fragen brauche, weil ich doch nur Ausreden zu hören bekomme.
Gott sei Dank haben wir Leute in unseren Dörfern, denen der Pfarrer nicht erst mit Bibelworten sagen muss, wie sie sich verhalten sollen. Die kümmern sich von sich aus um andere, nicht nur um die eigenen Angehörigen, sondern auch um Nachbarn oder Flüchtlinge. Die spenden von sich aus für die Waisenkinder in Tansania, die wir vorletzte Woche besucht haben und für die alle, die etwas für sie übrig haben, ein Hoffnungsstrahl sind.
Ja, meine Frau und ich und auch die Mitglieder unseres Kirchenvorstands wissen, was wir an unseren Leuten in der Gemeinde haben. Dass es auch die anderen gibt, die nur an sich selbst denken – geschenkt! So etwas hat es zu allen Zeiten gegeben. Aber entscheidend ist, dass das wichtigste Gebot, das Gott uns gibt, in unseren Gemeinden von vielen befolgt wird: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ Das ist einfach nur großartig. Und dafür möchte ich euch allen, die ihr so glaubt und lebt, danken.


Und manchmal, wenn ihr es übertreibt und noch nach Mitternacht in der Kirche werkelt, dann muss ich euch eben hinaus werfen. Amen

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