Predigt von Hans Löhr in Reuth, St. Kunigund und Neuendettelsau, St. Nikolai am 27.5.2018
Liebe Gemeinde,
ich möchte heute zu euch über das Thema sprechen „Warum liebt dich Gott?“ Dass er dich liebt, daran solltest du auf keinen Fall zweifeln. Aber warum tut er das? Dazu schaue ich mit euch einen Liedvers genauer an und erzähle die Geschichte von der Puppe Anna. Das alles geschieht im Licht der Bibel und des Glaubens.
In diesen wunderschönen Maitagen muss man einfach die schönen alten Loblieder aus dem Gesangbuch singen wie wir das in diesem Kirchengottesdienst tun. Ich möchte aber nun auf den Kehrvers eines neuen Lobliedes zu sprechen kommen. Es erfreut sich in zeitgemäßen Gottesdiensten wie im ElfvorElf-Gottesdienst im Gemeindehaus (in Neuendettelsau) oder in unserem Lichtblickgottesdienst in der Schule in Burgoberbach großer Beliebtheit. Darum wird es oft gesungen.
Der Kehrvers lautet:
Und ich danke dir, (Gott), dass du mich kennst und trotzdem liebst.
Und dass du mich beim Namen nennst und mir vergibst.
Und dass du mich beim Namen nennst und mir vergibst.
Auf den ersten Blick ist an diesem Vers nichts Besonderes. Aber ich glaube, dass er einen schwerwiegenden Fehler enthält. Vielleicht hat der eine oder andere von euch ihn schon erkannt. Ich werde im Lauf der Predigt darauf zu sprechen kommen, weil ihr dann vielleicht besser versteht, warum mir dieser Vers nicht gefällt.
Doch zunächst will ich von der Puppe Anna erzählen. Das ist schon viele Jahre her, dass meine kleine Nachbarin Tabea damals eine Stoffpuppe mit diesem Namen hatte. Tabea liebte ihre Puppe über alles. Vom Aufwachen am Morgen bis zum Einschlafen am Abend war Anna überall mit dabei. Tabea hat sie auch aufs Klo mitgenommen. Entsprechend mitgenommen sah Anna bald aus. Ihr Kleid war zerrissen, ihr Stoffgesicht war kaum noch zu erkennen, von den Haaren hatte sie auch nur noch die Hälfte auf dem Kopf. Und trotzdem wurde Anna heiß und innig von Tabea geliebt. Sie schien Annas erbärmlichen Zustand gar nicht zu bemerken. Tabeas Mama wollte die verschlissene Stoffpuppe ersetzen und kaufte eine, die genauso wie Anna aussah, nur eben neu war. Eines Morgens also lag die neue Anna auf Tabeas Kopfkissen. Aber was für ein Geschrei kam aus dem Kinderzimmer! Tabea schrie nach ihrer alten Anna. Die neue mochte sie nicht mal anfassen. Für sie gab es eben nur die eine Anna, mit der sie durch dick und dünn gegangen war. Die Puppe war ihr, so wie sie war, ans Herz gewachsen. Denn Anna war für Tabea unverwechselbar. Ihr Geruch, ihr Aussehen, die Macken - alles an der Puppe war einzigartig und durch nichts zu ersetzen.
Und nun frage ich euch: Warum hat Tabea ihre Puppe geliebt? Obwohl oder weil sie so schäbig war?
Noch mal zurück zum Kehrvers aus jenem neuen Lied. Da heißt es:
Und ich danke dir, (Gott), dass du mich kennst und trotzdem liebst.
Und dass du mich beim Namen nennst und mir vergibst.
Und dass du mich beim Namen nennst und mir vergibst.
Weißt du jetzt, was an dem Kehrvers nicht stimmt?
In einem der bekanntesten Bibelworte aus dem Evangelium des Johannes, Kapitel drei Vers 16, heißt es: »So hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für sie hergab. Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.« Ich halte fest: Gott hat nicht die Kirche geliebt, sondern die Welt. Für sie hat er seinen Sohn hergegeben, damit alle eine Hoffnung haben.
So weit, so gut. Aber welche Menschen hat er geliebt? Die guten, die braven, die frommen, die anständigen, die tüchtigen und tugendhaften? Sind das die Menschen, die Gott geliebt hat und liebt?
Fragen wir den Apostel Paulus, was er dazu schreibt. In seinem Brief an die Christen in Rom in Kapitel fünf Vers acht heißt es: »Wie sehr Gott uns liebt, zeigt er uns damit, dass Christus für uns starb, als wir noch Sünder waren.« Das, liebe Freunde, gehört zum absoluten Zentrum zumindest des evangelischen Glaubens, dass Gott die Sünder geliebt hat und liebt, solche, die Fehler machen, scheitern, versagen, schuldig werden an ihren Mitmenschen an Gott und an sich selbst. Das sind die Menschen, die Gott liebt, für die Jesus in der Krippe lag und am Kreuz hing und auferstanden ist. Ich weiß nun nicht, ob ihr hier auch dazu gehört. Ob ihr auch solche seid, die an Gott und ihren Mitmenschen scheitern, die nach außen, vor den Leuten, den schönen Schein wahren, wo es aber innen, im Herzen, oft genug erbärmlich ausschaut. Ich jedenfalls gehöre dazu, zu den Sündern, wie die Bibel sagt. Ich gehöre zu denen, die Gott liebt. Aber warum? Obwohl ich ein Sünder bin, oder weil ich das bin? Was meinst du?
Ich sage jetzt, was ich meine und warum ich den Kehrvers aus jenem Lied nicht mag. Gott liebt mich doch nicht, weil ich liebens-wert wäre. Im Gegenteil. Er tut das, weil ich seine Liebe brauche. Wäre ich ein perfekter Mensch, bräuchte ich Gottes Liebe, bräuchte ich Jesus nicht. So aber ist sie wie eine rettende Medizin. Sie heilt meine seelischen Wunden und meinen brüchigen Glauben. Sie heilt meine Seele, die ausschaut wie die Puppe Anna, und macht sie wieder gesund und schön. Ja, das kann Gottes Liebe, die Jesus zu uns gebracht hat und weswegen er so viel auf sich genommen hat, damit wir nicht verloren sind. Seine Gemeinde ist die Gemeinde der geliebten Sünder. Eine andere interessiert ihn nicht. Wer kein Sünder sein will, weil er meint, er würde schon alles richtig machen, der muss sich eine andere Gemeinde suchen, zum Beispiel die große Gemeinschaft, die Mega-Church der Selbstgerechten.
Weil mir aber das Lied, aus dem jener Kehrvers stammt, so gut gefällt, habe ich eine kleine Änderung vorgenommen und ein Wort ausgetauscht. Ich habe das Wort „trotzdem“ durch das Wort „darum“ ersetzt. Nun stimmt der Kehrvers in meinen Augen und heißt:
Und ich danke dir, (Gott), dass du mich kennst und darum liebst.
Und dass du mich beim Namen nennst und mir vergibst.
Herr, du richtest mich wieder auf,
und du hebst mich zu dir hinauf.
Ja, ich danke dir, dass du mich kennst und darum liebst.
Und dass du mich beim Namen nennst und mir vergibst.
Herr, du richtest mich wieder auf,
und du hebst mich zu dir hinauf.
Ja, ich danke dir, dass du mich kennst und darum liebst.
Ja, liebe Freunde, Gott kennt dich und mich ganz genau. Ihm brauche ich nichts vorzumachen. Er weiß längst, dass bei mir der Lack ab ist und ich mir im Laufe des Lebens manche Blessuren geholt habe. Doch gerade das macht mich in seinen Augen einzigartig und unverwechselbar so wie die Puppe Anna in Tabeas Augen. Er kennt die Brüche in meinem Leben, sieht die Narben an meiner Seele und weiß, was mir weh tut. Und darum, darum (!) kommt er mit entgegen wie der Vater in Jesu Geschichte dem Verlorenen Sohn entgegenkommt. Und er schließt mich in seine Arme – und dich hier in der Kirchenbank auch. Jetzt ist alles wieder gut und ich kann sagen: Ja, ich danke dir, dass du mich kennst und darum liebst. Amen
Das ist mir aus der Seele gesprochen. Hatte auch immer meine Schwierigkeit mit dem "trotzdem"! Gott kennt mich und DARUM liebt er mich. Was für eine schöne Sonntagsbotschaft!!
AntwortenLöschenMir tun diese Worte auch sehr gut. Gerade heute, wo ich wieder sehr mit meinem Glauben und meiner christlichen Unvollkommenheit auf Kriegsfuß stehe. Danke. Jetzt fühl ich mich leichter.
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