Sonntag, 19. Februar 2012

Selbstkritik hl

Losung: Der HERR allein ist im Recht; denn seinem Worte habe ich getrotzt. Klagelieder 1,18

Lehrtext: Der Sohn sprach: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. Lukas 15,21

Liebe Leserin, lieber Leser,

was die Bibel zur Zeit ihrer Entstehung einzigartig macht, ist unter anderem die Selbstkritik im Volk Gottes. So ist das heutige Losungswort nicht das Wort eines einzelnen Menschen, sondern wird der Stadt Jerusalem in den Mund gelegt. Es ist sozusagen ein Urteil der Königsstadt über sich selbst. Anders die Völker und Regierungen des alten Orients. Sie beweihräucherten sich unerträglich selbst so wie es die politischen Parteien in unserem Land noch immer tun. Alles, was die eigene Partei tut, ist demzufolge grundsätzlich gut, und das was die anderen tun, grundsätzlich schlecht. Aber das ist eine ziemlich kindische Verhaltensweise. Bei Kindern versteht man das ja. Aber dass sich Erwachsene, die Verantwortung für die Zukunft eines Landes tragen oder übernehmen wollen, sich ebenfalls so verhalten, ist erbärmlich. Die nächsten Wahlkämpfe werden das wieder an den Tag bringen.
Ja, in der Hauptstadt Jerusalem hatten vor 2600 Jahren die Herrschenden, die Pfarrer und Bewohnern nur noch auf ihren eigenen Vorteil geschaut und nicht mehr nach dem Willen Gottes gefragt. Man hatte pro forma noch immer Gottesdienst gefeiert mit allen Ritualen und Traditionen. Die damalige Kirche funktionierte prächtig. Der religiöse Betrieb lief wie geschmiert. Aber das  Herz der Menschen war nicht mehr bei Gott, sondern bei ihrer Karriere, bei ihren Vergnügungen, dabei, wie man sich auf Kosten anderer bereichern konnte. Ihr Wahlspruch war: „Geiz ist geil“ und „Ich bin doch nicht blöd“.  Die Folge war eine einzige Katastrophe für alle. Die Leute wollten die Zeichen der Zeit nicht sehen. Sie meinten, es würde schon immer so weiter gehen. Gott würde schon dafür sorgen, dass alles gut ginge. Das Gegenteil war der Fall.
Als dann die Katastrophe da war, kamen sie zur Besinnung. Zu spät. Das Unheil nahm seinen Lauf. Aber die Selbstkritik, das Schuldbekenntnis, verhalf den Überlebenden zu einem neuen Anfang in Demut und Bescheidenheit.
Nach dem Nazi-Terror und dem Krieg hatte die evangelische Kirche ein solches Schuldbekenntnis stellvertretend für das ganze deutsche Volk abgelegt. Das trug wesentlich dazu bei, dass Deutschland im Lauf der Jahre wieder in die Gemeinschaft der zivilisierten Völker aufgenommen wurde. Aber vielleicht könnte man ja auch mal zur Besinnung kommen und sich ändern, bevor das nächste Unheil hereinbricht.
Christian Wulff wäre vielleicht noch Bundespräsident, wenn er frühzeitig und umfassend klar gestellt hätte, dass er bedauerliche Fehler gemacht hatte. Wie so oft ist nicht der Fehler das eigentliche Problem, sondern der Umgang damit.
Und ich? Eine Sache ist es, die Fehler anderer zu analysieren. Eine andere, für das eigene Leben daraus zu lernen und die Konsequenzen zu ziehen. Das Sündenbekenntnis ist in unserer Gesellschaft nicht populär. Aber vor Gott und vor den Menschen komme ich nicht darum herum. Das Zusammenleben der Menschen im kleinen wie im großen klappt nur, wenn ich bereit bin, meine Fehler einzugestehen, andere um Vergebung zu bitten, aber auch selbst zu vergeben.

Gebet: Vater im Himmel, vergib mir meine Schuld wie auch ich denen vergebe, die an mir schuldig geworden sind. Amen
  
Herzliche Grüße

Hans Löhr

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ERGEBNIS: Die Umfrage zu unseren Auslegungen zu Losung und Lehrtext „Nachdenken über die Bibel“ ist abgeschlossen. Allen, die sich daran beteiligt haben, ein herzliches Dankeschön. Die für uns interessanten und aufschlussreichen Ergebnisse finden Sie hier: Umfrageergebnisse
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Hier der Link zu den Lichtblick-Predigten 

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