Predigt zur Christvesper am 24.12.2012 von Hans Löhr
Predigttext: Johannes 1, 9.11-13: »Das
Wort kam von Gott als Licht der Wahrheit in die Welt, um das Leben jedes
einzelnen Menschen hell zu machen.Jesus Christus ist dieses Wort von Gott. Er kam in sein Eigentum, doch die Seinen
nahmen ihn nicht auf. Doch allen, die ihr ganzes Vertrauen auf ihn setzten und
ihn aufnahmen, gab er die Vollmacht, als Kinder Gottes leben zu können, das
sind die Menschen,… für die Gott wirklich Vater geworden ist.«
Liebe Freunde,
an Weihnachten feiern wir, feierst Du
das Außergewöhnliche, ja nahezu Unglaubliche, dass Gott, der Schöpfer des
Universums, in dem kleinen Jesuskind Mensch geworden ist. Und mit Dir feiert
das die halbe Menschheit auf allen Kontinenten und in allen Ländern dieser
Erde. Aber wo findest Du, finde ich Jesus auch jenseits von Weihnachten,
wenn die Feiertage wieder vorbei sind und der Alltag beginnt?
Ein Kollege von mir hat an
Weihnachten ein Krippenspiel aufgeführt. Dazu hatte er sich die Baby-born-Puppe
seiner dreijährigen Tochter Anna ausgeliehen. Wer hier weiß was das ist?... Das
ist eine Puppe, die - ich hab mich im Internet erkundigt - Schlafaugen hat sowie weinen, Brei essen, trinken und
in die Windel machen kann. Letzteres ist besonders wichtig. Das Mädchen, das beim Krippenspiel die Maria spielte, hatte diese Puppe im Arm. Die kleine Anna sah
aufmerksam zu. Danach sagte sie: »Papa, hast Du gesehen, die Maria hatte auch
eine Baby-Born-Puppe, genau wie ich? Aber wo war eigentlich Jesus?« Ja, wo war
er? Wo ist er? Weißt Du, wo er ist?
Vorhin, zu Beginn des Gottesdienstes, war ich mit einer brennenden Kerze vor der Krippe gestanden und habe den alten Liedvers gebetet:
»Ich steh an Deiner Krippen hier , o Jesu, Du mein Leben... «. Aber ist diese Kerze
, die in der Krippe brennt, Jesus? Er ist das Licht von Gott, das unser Leben hell
macht, sagt die Bibel. Und die Kerze weist darauf hin so wie alle Kerzen, die
wir an Weihnachten anzünden. Doch wo ist er selbst?
Damals, in Bethlehem, haben die Leute
nicht wahrgenommen, dass Maria, dieses vielleicht fünfzehnjährige Mädchen, mit
Gottes Sohn schwanger war. Und darum haben sie sie nicht ins Haus gelassen. In
jedem Krippenspiel, wird diese Szene der Herbergssuche immer wieder dargestellt.
Und die Frage, die sich für den Zuschauer daraus ergibt, ist immer wieder dieselbe:
Kann ich, will ich Jesus bei mir aufnehmen? In meinem Herzen? In meinem Leben? Aber,
so magst Du Dich vielleicht jetzt fragen, begegnet mir denn der Mensch
gewordene Gott wahrhaftig in meinem Alltag? Bei welcher Gelegenheit sollte das
denn sein?
Ich denke, er begegnet dir auf
vielfältige Weise. Er begegnet dir in der Bibel, in den Liedern, die wir heute
singen, in deinen Gebeten. Er begegnet dir aber auch in dem Obdachlosen am
Brückencenter, dem du eine Wurstsemmel kaufen kannst. Oder in dem Kollegen, den
du trotz allem Ärger grüßen kannst. Oder in der gestressten Bäckereiverkäuferin,
der du ein Lächeln schenken kannst. Ist Jesus, ist Gott wirklich so alltäglich?
Ja, sagt die Bibel, dazu ist er zu uns auf die Erde gekommen, mitten in Dein
und mein Leben, um uns im Alltag nahe zu sein..
Natascha war mit ihrem Mann vor 15
Jahren aus Russland ausgereist und nach Württemberg gekommen. Ich bin ihr auf
eine Geburtstagsfeier begegnet. Da hat sie mir ihre Geschichte erzählt. Ihr
Mann hat in Deutschland nicht Fuß fassen können. Er kam mit dem Leben hier einfach
nicht zurecht. So hat er das bisschen Geld, das Natascha verdient hatte,
vertrunken. Und so verlor er erst den Führerschein und dann die Arbeit. Als er
anfing, sie zu schlagen, hat Natascha ihn verlassen. Sie packte einen Koffer
mit Wäsche in ihr kleines Auto und fuhr davon. Sie wusste nicht einmal wohin. Nur
weg aus diesem Leben, das keines war. Aufgewühlt wie sie war verunglückte sie.
Das Auto, das noch nicht abbezahlt war, hatte Totalschaden. Natascha setzte
sich in den Straßengraben und weinte sich die Augen aus. Alles war kaputt, die
Ehe, ihre Existenz, das Zuhause, das Auto, und hier, in Deutschland war sie noch immer fremd.
Sie wusste nicht mehr wie es weitergehen sollte. Da passierte etwas, was sie
von Grund auf verändern sollte. Sie sagte: „ Herr Pfarrer, auf einmal
spürte ich, wie es in mir warm wurde und leicht ums Herz. Ich erlebte eine
Liebe, die ich nie zuvor gekannt hatte. Ich kannte Gott bisher nur vom Hörensagen, kannte ihn aus dem Religions- und Konfirmandenunterrichts so wie die meisten Menschen.
Ich hatte nie eine persönliche Beziehung zu ihm. Doch damals, am absoluten
Tiefpunkt meines Lebens, bin ich dem lebendigen Gott begegnet. Da habe ich mich
bekehrt.” Und Natascha fügte hinzu, dass sie von seiner Liebe bis heute
getragen wird und damals versprochen hat, sie weiterzugeben an alle, denen sie
begegnet. So begann für sie ein neues Leben.
Vielleicht musst Du Gott gar nicht
suchen, weil er Dich sucht bis Du Dich von ihm finden lässt. Wie war das damals
in Bethlehem? Gott ist in Jesus am absoluten Tiefpunkt zur Welt gekommen, in
der hintersten römischen Provinz. Er ist nicht in einem Palast geboren, nicht
in einem Haus, sondern in einem Stall. Ganz unten ist er zur Welt gekommen,
tiefer ging‘s nicht mehr. So wollte und konnte er den Menschen nahe sein, die
selbst ganz unten waren. Er lag nicht in einer goldenen Wege, nicht in einem
Stubenwagen, sondern in einem Futtertrog. Und die Nachricht von seiner Geburt
haben nicht wir Pfarrer bekommen, nicht Bischöfe oder Päpste, auch keine Kanzler,
Präsidenten und Bank-Vorstände, keine Wirtschaftsbosse und Stars, sondern
zerlumpte Hirten, die damals der Abschaum waren.
Ja, vielleicht muss man selber mal ganz
unten gewesen sein, vielleicht nicht unbedingt materiell, aber seelisch, dass
man nicht mehr wusste, wie es weitergehen würde. Oder gesundheitlich, als Du
vielleicht knapp dem Tod entronnen bist. Oder emotional, was die Partnerschaft
betrifft. Vielleicht musst Du so etwas ähnliches erlebt haben, damit Gott Dich
finden kann. Vielleicht hat unser größter Dichter, Johann Wolfgang von Goethe,
Recht, der sagt:
Wer
nie sein Brot mit Tränen aß,
Wer nie die kummervollen Nächte
Auf seinem Bette weinend saß,
Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte.
Wer nie die kummervollen Nächte
Auf seinem Bette weinend saß,
Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte.
Ja, vielleicht ist es so. Es muss nicht
so sein. Du kannst auch auf anderen Wegen zu Gott finden und er zu Dir. Jeder
von Euch hier hat auch schon Momente großen Glücks erlebt. Zum Beispiel, als Du
über beide Ohren verliebt warst und die Welt plötzlich mit ganz anderen Augen
gesehen hast. Oder als Dein Kind geboren wurde. Man muss schon ein Herz aus
Stein haben, wenn einen so etwas nicht im Innersten berührt. Solche Dinge
stehen nicht in der Zeitung und davon berichtet auch nicht das Fernsehen. Doch
für Dich sind das echte Wunder. Aber manchmal begegnet Dir der lebendige
Gott eben an den Tiefpunkten Deines Lebens. Und das ist ja eigentlich auch tröstlich,
dass Du gerade dann, wenn Du ihn brauchst, nicht verlassen bist.
Wo findest Du das Jesuskind und nicht
nur eine Puppe? Wo findest Du Gott? Du findest ihn nicht in den spektakulären
Ereignissen der Außenwelt. Du findest ihn in Dir. Sage zu ihm mit diesen Worten
oder Deinen eigenen: „Mein Jesus, mein Gott, ich weiß nicht, ob ich glauben
kann. In mir sind so viele Fragen und Zweifel. Ich fühle mich da unsicher. Ich
weiß zu wenig und kenne mich mit dem Glauben nicht aus. Aber ich will‘s heute
an Weihnachten wieder versuchen. Komm zu mir. Ich bin bereit.”
In dem Bibelwort, das ich eingangs
vorgelesen habe und das dieser Predigt zu Grunde liegt, heißt es: »Allen, die
ihr ganzes Vertrauen auf ihn setzen und ihn aufnehmen, gibt er die Vollmacht,
als Kinder Gottes leben zu können. Das sind die Menschen,… für die Gott wirklich
Vater geworden ist.« Dass Gott auch für Dich wirklich Vater ist, das steht von ihm aus fest. Dir wünsche ich, dass Du das glauben kannst, damit es auch für Dich Weihnachten wird. Amen HL
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