Predigt von Hans
Löhr im Lichtblickgottesdienst
Predigttext
= Tageslosung: Befiehl dem HERRN deine Wege
und hoffe auf ihn, er wird's wohlmachen. Psalm 37,5
Liebe Freunde,
2010, nach dem Besuch unserer Partnergemeinde in Tansania, waren wir auf
dem Mount Meru. Das ist der Nachbarberg zum knapp 6000 Meter hohen Kilimandscharo,
auf dem wir 2006 waren. Der Mount Meru, ebenfalls ein Vulkan, ist nur 4500
Meter hoch, aber landschaftlich noch reizvoller. Beide Berge sind nicht schwer
zu besteigen. Die meiste Zeit kann man wandern. Auf beiden Touren habe ich
etwas gelernt. Wer auf den Klimandscharo will, muss sich Zeit lassen, viel
Zeit. Auf- und Abstieg haben 6 Tage gedauert. Pole, pole sagen die Tansanier, schön
langsam und Schritt für Schritt. Es geht auch schneller, ist aber nicht
empfehlenswert. Denn wer sich nicht allmählich an die Höhe gewöhnt, wird
schnell höhenkrank. Und das kann lebensgefährlich werden.
Für den Hin- und Rückweg auf
den Mount Meru braucht man nur drei Tage. Und so dachte ich mir: „Ich hab doch
schon den großen Kilimandscharo geschafft. Da mache ich diesen „kleinen“ Berg mit
links“. Doch es sollte anders kommen. In den ersten Stunden läuft man durch
eine Savanne. Links und rechts Giraffenherden und grasende Zebras. Dann geht’s
schon steiler bergauf. Neben dem Führer, den man mieten muss und ohne den
nichts geht, hat uns dieses Mal ein Ranger mit geladenem Gewehr begleitet.
„Wegen der Leoparden“, sagte er, „und wegen der Büffel“. Zu meinem Leidwesen
habe ich keinen Leoparden gesehen. Aber als wir durch den nebelverhangenen
Regenwald aufwärts stiegen, tauchte vor uns plötzlich die Silhouette eines
afrikanischen Büffels auf. Der Ranger nahm vorsorglich sein Gewehr von der
Schulter. Wir gingen leise weiter.
Am zweiten Tag wanderten wir den
Kraterrand entlang zum höchsten Punkt. Das Panorama links und rechts ist
atemberaubend. Aber der steile Weg war es im wahrsten Sinn des Wortes auch. Von
wegen „das mache ich mit links“. Obwohl der Mount Meru 1200 Meter niedriger ist
als der Kilimandscharo, bekam ich mit der Zeit unerwartete Probleme. Ich musste
wie ein afrikanischer Büffel schnaufen. Doch im Gegensatz zu ihm ging mir mit
der Puste auch die Kraft aus. Die letzten 50 Meter bin ich auf allen Vieren den
Berg hochgekrochen. Oben war ich völlig fertig. Schnell ein Blick durch
Wolkenlücken, ein Foto, und dann ging‘s wieder bergab.
Doch dieses Mal keine
Euphorie, keine Erleichterung wie auf dem Kilimandscharo. Stattdessen hielten
die Probleme an. Immer, wenn es wieder ein kleines Stückchen bergauf ging,
warteten neue Qualen trotz pole, pole und Schritt für Schritt. Warum nur? Ich
weiß es bis heute nicht.
Dann kam ein letzter größerer
Anstieg bevor es hinunter zur Hütte ging. „O Gott“, sagte ich mir, „das schaffe
ich nicht mehr“. Und das habe ich nicht gedankenlos dahingesagt. Das war schon
ein Stoßgebet. Aber ich hatte keine Wahl. Also machte ich die ersten Schritte
bergauf. Okay, das ging noch. Dann die nächsten Schritte. Die gingen auch.
Verwundert lief ich weiter. Alle Erschöpfung war weg. Problemlos schaffte ich
den letzten Anstieg und stieg dann nahezu beschwingt zur Hütte ab. „Danke,
Herr.“
Was ich auf dem Mount Meru
gelernt habe? Manchmal musst du dich mit letzter Kraft durch’s Leben schleppen,
durch eine Krankheit, durch eine private Krise, durch eine Prüfung oder eine
schwierige Zeit im Betrieb. Und dann musst du auch am nächsten Tag
funktionieren und am übernächsten und so weiter und krabbelst mehr als dass du
läufst und siehst kein Licht am Ende des Tunnels. Und dann ist plötzlich auch
diese Schinderei vorbei. Der Weg ist wieder leichter, und du wunderst dich,
woher du nur die Kraft hattest, das durchzustehen. Manch einer ist dann dankbar.
Mir hatte der Mount Meru eine Lektion erteilt hat.
Das Bibelwort für den
heutigen Tag sagt, wie man sowas schafft. Da heißt es im Psalm 37 Vers 5: Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf ihn, er
wird's gut machen.
Paul Gerhard hat daraus das Lied gemacht: »Befiehl du deine Wege und was das
Herze kränkt«. Im Konfirmandenunterricht musste ich mehrere von den zwölf
Strophen dieses Liedes auswendig lernen. Damals wusste ich nicht, was sie für
mich bedeuten. Heute ist das anders. Und ich bin dankbar, dass ich sie noch
immer kann. Denn dieses populäre Lied, das schon Generationen vor mir getröstet
hat, entfaltet auch heute noch seine Kraft:
Befiehl du deine Wege
und was dein Herze kränkt
der allertreusten Pflege
des, der den Himmel lenkt.
Der Wolken Luft und Winden
gibt Wege, Lauf und Bahn
der wird auch Wege finden,
da dein Fuß gehen kann.
und was dein Herze kränkt
der allertreusten Pflege
des, der den Himmel lenkt.
Der Wolken Luft und Winden
gibt Wege, Lauf und Bahn
der wird auch Wege finden,
da dein Fuß gehen kann.
Das ist für jeden, der mit seiner Kraft am Ende ist, eine klare Ansage
und zugleich ein kräftiger Zuspruch: „Befiehl du deine Wege“ – anders gesagt: Vertraue dich und dein Leben
Gott an. Vertraue ihm in jeder Situation. Auf jedem Abschnitt deines
Lebensweges.
„Und was das Herze kränkt“ – auch das, was dich krank macht, was dir
schwer auf dem Herzen liegt, vertraue auch das deinem Gott an. Gib‘s an ihn ab
und lass ihn machen. Er, der für die Wolken und die Winden Wege weiß, „der wird
auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.“ Er hat das bisher gewusst, sonst
wärst du nicht so weit gekommen bis zum heutigen Tag. Er weiß auch wie‘s
weitergeht.
Dietrich Bonhoeffer betete in seiner Gefängniszelle entsprechend: „Herr,
ich kenne meine Wege nicht. Aber du weißt den Weg für mich.“ Das ist auch bei
uns, die wir in Freiheit sind, nicht anders. Denn niemand von uns kann um die
nächste Kurve schauen und weiß, wie‘s weitergeht und was da auf ihn zukommt.
Frank Sinatra hatte einst den Welthit „My Way“, auf Deutsch „Mein Weg“,
gesungen, der heutzutage oft auf Beerdigungen gespielt wird. Dieser Song ist
sozusagen ein Rückblick auf sein Leben. Und er sagt damit etwas trotzig: Ich
hab‘s auf meine Art gemacht. Ich bin meinen Weg gegangen, habe mein Leben gelebt. Ja, das möchte ich
auch einmal von mir sagen.
Aber wenn ich ehrlich auf mein Leben zurückblicke, weiß ich, dass Vieles
anders gekommen ist als geplant. Ich jedenfalls konnte Vieles nicht planen,
nicht voraussehen. Manchmal verstehe ich heute noch nicht, weshalb ich diesen
oder jenen Weg gehen musste. Dann sage ich mir: Vielleicht hat mich dieser
Umweg vor Schlimmerem bewahrt. Oder diese und jene schwierige Wegstrecke hat
mich reifer und erfahrener gemacht. Oder warum bin ich jenen Weg ohne oder
gegen Gott und sein Wort gegangen? Kein Wunder, dass darauf kein Segen lag. Und
heute denke ich an das, was die Bibel sagt: „Des Menschen Herz erdenkt sich seinen
Weg, aber der Herr lenkt seinen Schritt“. Er führt und fügt und das auch mal gegen
meine Absicht und meinen Willen. „I did it my way? – Bin ich meinen Weg gegangen, wie ich wollte? Eher nicht.
Hin und wieder kommst du in eine Situation, wo es gar nicht mehr weiterzugehen scheint. Du siehst keinen Ausweg, hast keine Lösung, alles ist verbaut.
Da kann man nicht nur nervös, da kann man auch schnell panisch werden. Du
steckst in einer tiefen Partnerschaftskrise, dein Geschäft geht bankrott, die
Schulden wachsen dir über den Kopf, dein Kind kommt mit seinem Leben nicht
zurecht. Beispiele gibt es genug. Da hilft es auch nichts, nächtelang wach im
Bett zu liegen und sich den Kopf zu zermartern.
Aber wenn du ein Mensch mit Gottvertrauen bist, dann kann dir helfen,
was in unserem Lied in einem anderen Vers steht:
Auf, auf, gib
deinem Schmerze
und Sorgen Gute Nacht!
Lass fahren, was das Herze
betrübt und traurig macht;
bist du doch nicht Regente,
der alles führen soll:
Gott sitzt im Regimente
und führet alles wohl.
und Sorgen Gute Nacht!
Lass fahren, was das Herze
betrübt und traurig macht;
bist du doch nicht Regente,
der alles führen soll:
Gott sitzt im Regimente
und führet alles wohl.
Immer wieder müssen wir uns von unseren Sorgen und seelischen Schmerzen
abnabeln und loslassen „was das Herze betrübt und traurig macht“. Ich bin‘s
doch nicht, der ich mein Leben in der Hand habe, der ich allein alles unter
größten Anstrengungen hinbiegen muss. Da ist immer noch der, der größer ist als
ich und stärker, der weiter sieht und Möglichkeiten hat, von denen ich nicht
mal zu träumen wage. Der mein kleines Leben regiert und die große Welt und
schließlich und endlich alles zu dem guten Ende bringt, das er vorgesehen hat.
Dieses Gottvertrauen hat schon vielen geholfen, unter ihren Sorgen und
Lasten nicht zu zerbrechen und neuen Lebensmut zu schöpfen. Denn plötzlich ist
doch ein Ausweg da, wo zunächst kein Weg zu sein schien. Plötzlich öffnet sich
eine Tür, wo du zuvor keine gesehen hattest.
Die Bibel erzählt eine Geschichte, die viele Menschen als Gleichnis für
ihr eigenes Leben verstanden haben. Die meisten von euch kennen sie. Mose
flieht mit den Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten. Doch plötzlich sitzen
sie in der Falle. Vor ihnen versperrt
ihnen das Rote Meer den Weg. Hinter
ihnen kommt schon Pharao mit seiner Armee. Kein Ausweg ist da. Keine Rettung in
Sicht. Da lässt Gott einen starken Wind kommen, der die Wasser des Meeres
auseinander treibt und einen Weg ans rettende Ufer freigibt. Und als dann die
Ägypter auf diesem Weg hinterher stürmen, strömen die Wasser zurück und das Heer
des Pharao geht unter.
„Herr, ich kenne meine Wege nicht, aber du weißt den Weg für mich“ – das
galt für die Israeliten. Das gilt für dich und für mich. Denn was Gott gestern
getan hat, das kann er auch heute tun.
Manchmal ist aber auch das der Ausweg, dass du nicht länger mit dem Kopf
gegen die Wand rennst, sondern einen anderen Weg nimmst, einen Umweg vielleicht,
den du zunächst nicht gehen wolltest, der sich dann doch als der richtige
herausstellt.
Vor ein paar Wochen bin ich auf kleinen, kurvenreichen Straßen Richtung Sommersdorf
gefahren. Plötzlich versperrte eine Schranke den Weg. Aber es kam kein Zug. Da
sah ich eine Art Notrufsäule neben der Schranke. Als ich den Hebel
herunterdrückte, meldete sich tatsächlich eine Stimme, und ich fragte, was los
sei. Ja, die Schranke sei eben kaputt und ich müsse umkehren. Sauber, dachte
ich mir. Ganz in der Nähe war ein Feldweg. Na, der wird wohl auf eine größere
Straße führen. Doch mit einem Mal endete er abrupt vor einem Fluss. Also wieder
zurück. Schließlich war ich dann nach einem längeren Umweg auf der Straße, die
mich nach Hause gebracht hat. Manchmal ist eben der kürzeste Weg nicht der
richtige. Manchmal musst du ein Hindernis akzeptieren. Manchmal musst du eben
umkehren, wenn’s so nicht weitergeht. Und manchmal musst du auch durch’s finstere
Tal der Leiden und Ängste.
Diese Erfahrungen sind so alt, wie es uns Menschen gibt. Da erzähle ich nichts
Neues. Aber auch die andere Erfahrung ist uralt, dass Menschen auf ihren Wegen
nicht verloren und verlassen sind. Der Psalm 23 spricht davon, dass Gott bei
dir ist und dich mit seinem Stecken und Stab tröstet. Jesus sagt: „Ich bin dein
Licht, gerade wenn es in dir oder um dich finster ist. Geh mit mir, dann wirst
du nicht in der Finsternis herumirren, sondern das Licht des Lebens sehen.“
Und er sagt noch etwas. Auf die Frage seines Freundes Petrus: „Herr,
wohin sollen wir bloß gehen?“ Sagt er: „Ich bin der Weg, der dich in Gottes
Arme führt. Da bist du sicher und geborgen.“ Ja, er führt und begleitet. Aber
gehen muss ich schon selbst. Oft wird dann der Weg nach schweren Zeiten auch
wieder leichter, wie ich es auf dem Mount Meru erlebt habe. Und manchmal, wenn dich
die Kraft verlässt, wirst du auch getragen. Amen
Vielen Dank Herr Löhr für diese tröstende und aufbauende Auslegung!
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