Predigt von Hans Löhr im Lichtblickgottesdienst
Liebe Freunde,
letzten Mittwoch, 19:30 Uhr, in der Orangerie in Ansbach. Im Rahmen der Bachwoche wird das zweite Brandenburgische Konzert von Johann Sebastian Bach aufgeführt. Ein paar hundert Leute füllen den Raum bis auf den letzten Platz. Die meisten freuen sich vor allem auf den ersten Satz mit der Solotrompete. Bach hat für dieses Instrument wunderbare Sequenzen komponiert. Da passiert es. Der Trompeter kommt mit dem schwierigen Instrument, einer originalen Barocktrompete, nicht zurecht. Raunen im Saal. Hie und da auch Gelächter. Doch das Konzert geht weiter. Der erste Satz ist noch längst nicht zu Ende und der zweite und dritte kommt auch noch. Was soll der Musiker machen? Die Trompete in die Ecke werfen und sich beschämt davonschleichen? Es bleibt ihm kaum etwas anderes übrig, als durchzuhalten bis zuletzt. Er kann nicht das ganze Konzert platzen lassen, wegen der anderen Kollegen im Orchester nicht und auch wegen der Zuhörer nicht. Also hält er durch und dafür gebührt ihm Respekt.
Manchmal, liebe Freunde, muss man im Leben durchhalten. Da kann man nicht bei der erstbesten Gelegenheit die Flinte ins Korn werfen. Da muss man auch mal die Zähne zusammenbeißen und unangenehme Situationen aushalten. Apropos Zähne. Ebenfalls letzten Mittwoch war ich beim Zahnarzt. Da musste ich auch durchhalten und konnte nicht einfach nach dem ersten Schmerz vom Stuhl aufstehen. Und dabei konnte ich noch nicht mal die Zähne zusammenbeißen, sondern musste den Mund offen lassen.
Jeder von euch, die ihr jetzt zuhört, muss auf die eine oder andere Weise durchhalten: In der Ausbildung, im Beruf, in der Krankheit, in der Partnerschaft, in der Kindererziehung und so weiter. Und wir alle, jeder von uns, muss im Leben durchhalten bis zuletzt. Und doch gibt es auch Grenzen im Durchhalten.
Die Bibel erzählt, dass es Mose zu viel wurde, als er das Volk der Israeliten durch die Wüste in das verheißene Land führen sollte. Die Verantwortung wurde ihm zu schwer. Er sagte Gott, dass er die Brocken hinwerfen wolle, weil er nicht mehr durchhalten könne. Doch Gott entließ ihn nicht aus der Verantwortung. Er hatte keinen anderen Anführer wie Mose. Doch er wusste eine Lösung für das Problem und sagte, Mose solle aus dem Volk siebzig Männer auswählen, die für eine bestimmte Anzahl Menschen zuständig sein und so mit ihm die Last der Verantwortung teilen sollten. (4. Mose 11,10-17)
Die Zuständigkeit, die Verantwortung und damit die Last teilen – das ist bis heute ein erprobtes Mittel, damit ein Mensch nicht überfordert wird oder sich selbst überfordert. Schon die Römer hatten das Sprichwort »Ultra posse nemo obligatur« - Niemand soll über seine Kräfte und Möglichkeiten hinaus verpflichtet werden.
Natürlich ist das leichter gesagt als getan, wenn eine Frau ihren dementen Mann oder Vater pflegen soll oder ein schwerbehindertes Kind oder wenn einem katholischen Pfarrer mehrere Pfarrgemeinden auf einmal aufgeladen werden oder wenn ein Mitarbeiter im Betrieb einen ausgefallenen Kollegen zusätzlich ersetzen soll. Doch niemand ist damit gedient, wenn solche Menschen unter ihrer Überforderung leiden, krank werden und ausfallen. Der schlechteste Rat wäre, zu sagen: „Stell dich nicht so an. Beiß die Zähne zusammen und halte durch, es wird schon wieder besser werden.“ Wer so redet, ist einfach nur gefühllos und unbarmherzig.
Ich meine, wer Chef sein will, hat auch die Verantwortung für seine Mitarbeiter, dass sie unter erträglichen Bedingungen arbeiten, nicht überfordert werden und gesund bleiben. Und wer überfordert ist, hat auch sich selbst und seiner Familie gegenüber die Verantwortung, das Problem anzusprechen und auf eine Verbesserung zu drängen. Doch dazu muss man erst mal sich selbst und dann auch anderen eingestehen, dass man am Ende seiner Kräfte ist und Hilfe braucht. Dazu fehlt manchen der Mut, auch der Mut, einen eventuellen Konflikt auszuhalten. Doch es gibt immer eine Lösung und wenn du aus welchem Grund auch immer komplett ausfällst, muss es ja auch eine Lösung geben, damit es in der Firma oder in der Familie irgendwie weitergeht. Nur wer sich alles gefallen lässt, braucht sich nicht zu wundern, dass er untergebuttert und überfordert wird.
Niemand soll bis zum Zusammenbruch durchhalten müssen. Für uns Christen ist das sogar ein Gebot, das in der Bibel steht und heißt: »Einer trage des anderen Last, so werdet ihr den Auftrag Jesu Christi erfüllen!« (Galater 6,2) Darauf kann und soll man sich unter uns Christen berufen. Falscher Stolz und falsche Scham sind da unangebracht. Was aber angebracht ist, das ist ein weithin bekanntes Gebet, in dem es heißt:
Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann
und den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
und den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Viel mehr Dinge als man glaubt, lassen sich ändern. Und darum möchte ich auch jedem von euch hier Mut zusprechen und sagen: „Nimm nicht alles hin, schluck nicht alles runter, wehre dich, wenn es dir zu viel wird. Suche dir rechtzeitig Hilfe und gib von deinen Lasten etwas ab. Und wenn es der Fall ist, so lass ab von deinem falschen, gottlosen Stolz, als könntest du alles alleine regeln, kontrollieren und tun. Ich kenne Menschen, die haben sich und andere mit einem solchen vermessenen Stolz zerstört
Aber nun gibt es ja auch einige Dinge, die man nicht ändern kann. Wer trotzt Flugangst beim Start immer noch im Flugzeug sitzt, muss durchhalten bis zur Landung. Nun, das ist spätestens nach ein paar Stunden wieder vorbei. Andere müssen in der Pflege jahrelang durchhalten und wieder andere, die selbst schwer krank oder pflegebedürftig sind, auf unabsehbare Zeit.
Wie man das aushält, kann ich nicht aus eigener Erfahrung sagen. Dietrich Bonhoeffer, von dem das Lied stammt „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ und den die Nationalsozialisten noch im April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet haben, - dieser Dietrich Bonhoeffer saß jahrelang im Gefängnis, ohne zu wissen, wie lange noch und ob er da jemals wieder herauskommen würde. Andere haben sich in einer solchen Situation das Leben genommen. Er hat durchgehalten bis zum Ende und unter anderem dazu gesagt: »Das Leiden muss getragen werden, damit es vorübergeht.« Doch das war für ihn keine Allerweltsweisheit. Dahinter steht ein Wort von Jesus, der zu ihm sagte, was er auch jetzt zu dir sagt: »Komm her zu mir, der du unter deiner Last leidest! Ich helfe dir tragen.« (Matthäus 11,28)
Darauf hat Bonhoeffer vertraut und aufgrund eigener, leidvoller Erfahrung gesagt: »Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern auf ihn verlassen.«
Vielleicht hält man tatsächlich nur dann eine unabsehbare Leidenszeit durch, wenn man darauf vertrauen kann, dass Gott einem jeden Tag aufs Neue so viel Kraft gibt, wie man braucht. Vielleicht besteht man in einer lang anhaltenden Notlage nur dann, wenn man nicht auf sich und seine Kraft schaut, sondern auf ihn, von dem wir im Vaterunser sagen: »Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit.«
Wie gesagt ich bin von solchen langen Leidenszeiten und Notlagen bisher verschont worden und kann deshalb nicht aus eigener Erfahrung sagen, wie man sie besteht und wie man durchhält bis zuletzt. Aber wir alle müssen in diesem Leben durchhalten bis zuletzt, bis zur letzten Stunde ohne zu wissen, was auf uns noch zukommt und wie lange es dauern wird. Wir können einzig darauf hoffen, dass wir dabei nicht allein sind und dass andere uns begleiten und unterstützen, wenn es erforderlich ist.
Denn Schluss ist erst, wenn Gott sagt, dass Schluss ist und nicht ein Arzt oder anderer Mensch. Bis dahin können wir vertrauen, dass ER uns begleitet und das nicht nur bis zur Grenze des Todes, sondern darüber hinaus.
Zum Schluss will ich noch von einem erzählen, der durchgehalten hat bis zum Schluss und der im Unterschied zu dir und zu mir wusste, was auf ihn zukommen würde. Noch im Garten Gethsemane hat Jesus Gott angefleht, ob es nicht einen Weg am bevorstehenden Leiden und am Kreuz vorbei gebe. Doch dann ist ihm klar geworden, dass der Weg der Liebe, den er unter den Menschen gegangen ist, ihn unausweichlich auch ans Kreuz und in den Tod führen würde. Und so ist er diesen Weg zu Ende gegangen bis zu dem Augenblick, da er im Sterben sagte: „Es ist vollbracht.“
So hat Jesus durchgehalten bis zuletzt und ist der Liebe treu geblieben nicht nur zu seinen Freunden, nicht nur zu seinen Nächsten, sondern auch zu seinen Feinden. Seitdem können alle wissen, die Ohren haben zu hören und Augen zu sehen: Gottes Liebe gilt allen Menschen ohne Ausnahme und ohne Bedingung sie seien seine Freunde oder Feinde. Seine Liebe gilt auch dir und mir wie auch immer wir zu ihm stehen, ob wir glauben oder nicht. Ob wir ihm treu sind oder nicht. Er ist uns treu und bleibt uns treu. Das gilt.
Von ihm wünsche ich mir, dass auch ich im Glauben durchhalten kann bis zuletzt. Und wenn ich dann einmal alles verliere, so bleibt mir doch Gott, mit dem ich alles gewinne.
Amen
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Herzliche Grüße
Hans Löhr
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Hans Löhr / Sommersdorf 5 / 91595 Burgoberbach
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