Mittwoch, 19. August 2020

Trostgeschichten ja, Absolutheitsanspruch nein hl

 Losung: Mose sprach zu dem HERRN: Sieh doch, dass dies Volk dein Volk ist. 2.Mose 33,13 

Lehrtext: Paulus schreibt: Gott hat euch berufen durch unser Evangelium, damit ihr die Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus erlangt. 2.Thessalonicher 2,14 

Liebe Leserin, lieber Leser, 

welche Bedeutung hat die Bibel für dich? Sagt sie dir, was du tun und glauben und wie du leben sollst? Vermittelt sie dir die Werte, nach denen du heute die große Welt und deine kleine bewertest? Ist sie für dich eine moralische Instanz, nach der du dich richtest?

     Das alles hat seine Bedeutung. Doch die wichtigste Bedeutung der Bibel ist für mich eine andere. Erstens zeigt sie mir den liebevollen Gott, wie er mir in Jesus begegnet. Zweitens weckt und stärkt sie mein Gottvertrauen. Drittens spendet sie Trost. Auf diese Weise ist die Bibel für mich eine Quelle der Kraft, der Zuversicht und der Freude. Das wiederum ermöglicht mir, dass ich Gott, meine Mitmenschen und mich selbst lieben kann.

     Die vielleicht meisten Geschichten vor allem im Alten Testament sind Trostgeschichten. Sie wurden höchstwahrscheinlich von Priestern verfasst und überliefert, um das kleine, oftmals geschundene und in seiner Existenz bedrohte Volk der Israeliten zu ermutigen und zu motivieren, allen Katastrophen zum Trotz am Glauben festzuhalten.

     Die biblischen Verfasser hatten nicht die Absicht, Geschichte zu schreiben so wie heute die Historiker (Geschichtsschreiber). Sondern sie schrieben, wie gesagt, Glaubens- und Trostgeschichten für die Menschen ihrer Zeit. Auch unsere heutige Losung stammt aus einer solchen Trostgeschichte, die erzählt, wie Mose mit Gott spricht, damit er bei seinem Volk bleibe und es führe.

     Die Israeliten damals wussten durchaus, dass sie ein winziges, unbedeutendes und ohnmächtiges Völkchen waren ohne Chance, etwas gegen die Großmächte ringsum, gegen die Assyrer, Babylonier, Perser, Ägypter, Makedonen und Römer ausrichten zu können. Sie waren und blieben immer nur Spielball der anderen. Auch dass sie selbst einmal unter einem König David groß und mächtig gewesen seien, war und blieb ein Mythos, der die gedemütigten Israeliten und später die Juden auf sich selbst stolz machen sollte.

     Und zu diesem Mythos gehört auch, dass nur die Israeliten Gottes auserwähltes Volk seien und dass der Schöpfer und Herr des gesamten Universums nur die paar zehntausend Hebräer begünstigen würde. In diesem Zusammenhang steht auch die Losung, in welcher Mose zu Gott sagt: »Sieh doch, dass dies Volk dein Volk ist.« Und drei Verse weiter heißt es: »Woran soll erkannt werden, dass ich (Mose) und dein Volk vor deinen Augen Gnade gefunden haben, wenn nicht daran, dass du mit uns gehst, sodass ich und dein Volk erhoben werden vor allen Völkern, die auf dem Erdboden sind(2. Mose 33,16) Soweit ich weiß, ist das noch heute die Ansicht der orthodoxen Juden.

     Aber so ganz falsch ist das Losungswort auch wieder nicht. Vom Evangelium her gelesen stimmt es durchaus, dass die Israeliten Gottes Volk waren und die Juden heute es immer noch sind. Nur trifft das auf alle anderen Völker dieser Erde ebenfalls zu. Auch sie sind ja alle seine Geschöpfe. Warum sollen sie dann nicht auch seine Völker sein? Es wird höchste Zeit, dass die Völker und Religionen ihren Exklusivitäts- und Absolutheitsanspruch und damit auch ihren Nationalismus ablegen und zu der Erkenntnis gelangen, dass sie heute nur noch miteinander eine Chance zum Überleben haben.

     Ähnliches trifft auch auf den Lehrtext zu. Auch Paulus, der zunächst pharisäischer Jude war bevor er Christ wurde, hat für die jungen Christengemeinden sofort wieder einen Absolutheitsanspruch reklamiert. »Ihr«, so schreibt er ihnen, »seid durch unser Evangelium dazu berufen, die Herrlichkeit Christi zu erlangen« (Lehrtext). Das sind seiner Meinung nach alle anderen Menschen auch, aber nur, wenn auch sie Christen werden.

     Ganz ähnlich denken leider Gottes auch die Muslime von sich und die Anhänger anderer Religionen. Auch die Atheisten tun das auf ihre Weise. Doch dieses Absolutheitsdenken führt meines Erachtens unweigerlich und unaufhaltsam in die große Menschheitskatastrophe.

     Und was könnte uns retten? Aus meiner Sicht ist es die Einsicht, dass wir alle auf dieser Erde Gottes geliebte Kinder sind, dazu bestimmt, im Frieden miteinander auszukommen und die gemeinsame Erde zu bebauen und zu bewahren. Gerade wir Christen könnten und sollten als Bannerträger dieser Einsicht vorangehen und versuchen, alle anderen ebenfalls dafür zu gewinnen, ohne dass diese ihren Glauben aufgeben müssen. 

Gebet: Ja, barmherziger Gott und Vater, darauf kommt es heute mehr denn je an, dass du mit uns gehst, mit uns Menschen und allen deinen Geschöpfen. Und genau das hast du ja auch versprochen und in Jesus gezeigt. Lass mich im Glauben immer wieder erfahren, dass du dabei bist in meinem Leben und auch im Leben der anderen. So finden wir gemeinsam den Weg zum Frieden in eine menschenwürdige Zukunft. Amen 

Herzliche Grüße, 

Ihr / dein Hans Löhr 

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