Predigt am 12. Sonntag nach Trinitatis von Hans Löhr.
Text:
Jesaja 42,3 „Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden
Docht wird er nicht auslöschen.” (Wochenspruch)
Liebe
Gemeinde,
„das geknickte Rohr” – dieses
Wort aus der Bibel macht deutlich, wie sich viele Menschen fühlen. Jeder
versteht dieses Bild. Damals, zur Zeit des Propheten Jesaja und heute. Manchen
kann man es sogar äußerlich ansehen, dass sie innerlich geknickt sind. So war
das auch bei dem Mann, der mir damals in meinem Büro in München gegenüber saß.
Er hatte mich um ein Beichtgespräch gebeten. Da es schon lange her ist und niemand ihn hier kennt, kann ich davon erzählen, ohne das Beichtgeheimnis zu verletzen.
Das Problem dieses Mannes
war, dass er mit seiner Sexualität nicht zurecht gekommen ist. Seine Frau hatte
nicht dieses Verlangen wie er. Das hatte ihn enttäuscht und gekränkt. Ein
solches Problem kommt in Ehen und Partnerschaften ziemlich häufig vor. Nur spricht
man nicht darüber. Anders der Apostel Paulus. Er hat es in seinem ersten Brief
an die Korinther angesprochen und den christlichen Eheleuten geraten, sich
einander nicht zu entziehen, damit der Teufel keinen Angriffspunkt habe (1. Kor 7,5+6).
Doch auch dieser Rat löst das
Problem nicht wirklich. Es gibt wohl nur diesen einen Weg, dass Paare es
lernen, damit zu leben, ohne einander ständig weh zu tun. Ich meine, zum Leben
von Erwachsenen gehört die Einsicht, dass nun mal bestimmte Wünsche nicht in
Erfüllung gehen auch wenn das schmerzt.
Der Mann, von dem ich
erzähle, war gläubiger Christ. „Mir ist der Glaube wichtig, darum komme ich zu
Ihnen, um zu beichten.” Sagte er. „Ich leide unter meiner Situation. Ich weiß
nicht wohin mit meinem sexuellen Verlangen. Darum kaufe ich mir immer wieder
einmal Sex. Aber natürlich weiß ich auch, dass ich damit meine Frau betrüge und
Ehebruch begehe.”
Er
litt sichtlich unter seinen in der Ehe unerfüllten Wünschen und unter seiner Schuld. Er
war ein solches geknicktes Rohr, von dem der Prophet Jesaja sprach. Ich musste
ihm seine Schuld nicht erst bewusst machen. Ihm war das selber klar. Und so kämpfte
er mit seinem schlechten Gewissen.
Nur als er fragte: „Warum hat
Gott uns Männer nur so geschaffen, dass wir bei attraktiven Frauen automatisch
an Sex denken?”, habe ich widersprochen. Er soll, sagte ich ihm, seine Schuld
nicht auf Gott schieben, sondern sie ihm bekennen und ihn um Vergebung bitten.
Andererseits war mir auch
klar, dass ich den Geknickten vor mir nicht durch unbedachtes Reden zerbrechen
durfte. Mein Auftrag war nicht, ihn zu verurteilen noch sein Problem zu lösen.
Das kann ich nicht. Aber mein Auftrag war, ihn von seiner quälenden Last zu befreien, ihm im Namen Jesu seine Schuld zu vergeben und ihn zu einem anderen Verhalten
zu ermutigen. Das Bibelwort vom „geknickten Rohr” war mir dabei eine
Richtschnur.
Ich bin nach wie vor überzeugt: Gott richtet Menschen, die schuldig geworden sind, nicht hin, sondern er richtete sie auf. Er zerbricht sie nicht, sondern heilt die Reumütigen. An diesen Gott, wie er sich in Jesus gezeigt hat, glaube ich. In seiner Gegenwart können wir Menschen mit unseren Lebensbrüchen, mit dem einen oder anderen seelischen Knick aufatmen.
Ich bin nach wie vor überzeugt: Gott richtet Menschen, die schuldig geworden sind, nicht hin, sondern er richtete sie auf. Er zerbricht sie nicht, sondern heilt die Reumütigen. An diesen Gott, wie er sich in Jesus gezeigt hat, glaube ich. In seiner Gegenwart können wir Menschen mit unseren Lebensbrüchen, mit dem einen oder anderen seelischen Knick aufatmen.
Ein englisches Sprichwort sagt:
„Der letzte Strohhalm bricht dem Kamel den Rücken.” Man kann einem solchen Tier viel Stroh aufladen. Aber irgendwann ist es zu viel. Da braucht es dann nur noch einen letzten Halm und es bricht unter der Last zusammen. Ich denke, unsere
Aufgabe kann nicht sein, einander mit immer noch mehr Vorwürfen und Schuldzuweisungen zu
belasten bis es schließlich zum Bruch kommt. Unsere Aufgabe ist, dass wir
einander entlasten. „Einer trage des anderen Last” – so heißt das Gesetz Jesu
Christi. Sein Kreuz ist der Ort, zu dem wir mit unseren
Lasten kommen, wo wir sie abladen und frei werden können. Er ist es auch, der das
geknickte Rohr nicht zerbricht und den glimmenden Docht nicht auslöscht. In
seinem Namen habe ich zu dem Mann gesagt: „Dir sind deine Sünden vergeben.
Friede sei mit dir!”
Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen – Vor einiger Zeit ging ich in meinem Heimatdorf spazieren. Dabei kam ich an einem Wäldchen vorbei, durch das ich einstmals als Indianerhäuptling Winnetou gesprungen bin. Doch jetzt hatte die Motorsäge ganze Arbeit geleistet. Die Schnittflächen der kreuz und quer liegenden Stämme leuchteten grell aus dem Gewirr welkender Äste. Es war ein Bild des Jammers und der Zerstörung. Traurig ging ich weiter. Man wird wohl ein Haus bauen. Soll ich's übel nehmen? Andere wollen auch Platz zum Leben. Was zählen da schon die sentimentalen Gefühle eines grau gewordenen Indianers?
Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen – Vor einiger Zeit ging ich in meinem Heimatdorf spazieren. Dabei kam ich an einem Wäldchen vorbei, durch das ich einstmals als Indianerhäuptling Winnetou gesprungen bin. Doch jetzt hatte die Motorsäge ganze Arbeit geleistet. Die Schnittflächen der kreuz und quer liegenden Stämme leuchteten grell aus dem Gewirr welkender Äste. Es war ein Bild des Jammers und der Zerstörung. Traurig ging ich weiter. Man wird wohl ein Haus bauen. Soll ich's übel nehmen? Andere wollen auch Platz zum Leben. Was zählen da schon die sentimentalen Gefühle eines grau gewordenen Indianers?
Ein paar Meter weiter standen
die Bäume noch. Am Waldrand fiel mein Blick auf eine junge Kastanie. Sie wuchs
wild mitten im Straßengraben. Dem kaum mannshohen Bäumchen war anzusehen, dass
es schon einmal umgeknickt war. Aber es hatte wieder neu getrieben. Hatte sich
den Lebenswillen nicht brechen lassen. Doch das allein hätte ihm wohl nicht
geholfen, wäre da nicht jemand gewesen, der mit ihm Erbarmen gehabt hatte. Und
so stak im Straßengraben dicht neben dem Bäumchen ein Pfahl. Daran war die Kastanie gebunden.
An ihm konnte sie sich aufrichten und Halt finden. Sie streckte sich
unter hohen Bäumen dem Licht entgegen. Ob da in einigen Jahren für ihre Krone
genug Platz sein würde? „Was soll's” dachte ich mir. Jetzt musste das Bäumchen aufgerichtet werden. Jetzt brauchte es Halt. Das hat einer gesehen und hat es getan. Das
tat der Kastanie gut und mir auch.
Vielleicht ist jetzt jemand
unter uns, der sich so wie diese Kastanie im Straßengraben fühlt: unbeachtet,
misshandelt, wertlos. Dem will ich sagen: „Denke an unser heutiges Bibelworte.
Da ist einer, der auf dich achtet. Er sieht die Wunden, die dir das Leben
geschlagen hat. Er richtet dich auf und gibt dir Halt. Für ihn bist du wer. Ihm
bist du es wert, dass er sich dir zuwendet. Das gibt dir ein neues
Selbstwertgefühl und neues Selbstvertrauen. Das lässt dich sagen: „Mag sein,
dass ich eine alte, kranke Frau oder Mann bin. Aber ich bin zuerst eine
Tochter / ein Sohn des Höchsten. Von ihm gewollt. Von ihm angesehen. Von ihm
geliebt. Vielleicht bin ich ein geknicktes Rohr, aber eines, das Gott beachtet
und hegt. Amen
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