Donnerstag, 3. April 2014

Die Bettlerin und die Rose hl

Losung: Wer den Armen verspottet, verhöhnt dessen Schöpfer; und wer sich über eines andern Unglück freut, wird nicht ungestraft bleiben. Sprüche 17,5

Lehrtext: Jesus sprach: Wenn du ein Mahl machst, so lade Arme, Verkrüppelte, Lahme und Blinde ein, dann wirst du selig sein, denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten. Lukas 14,13-14

Liebe Leserin, lieber Leser,

kein Mensch bettelt gern. Jedenfalls kann ich mir das nicht vorstellen. Denn wer bettelt, erniedrigt sich. Und wer eh schon ganz unten ist, wer sozusagen am Boden liegt, den darf man nicht auch noch treten. Denn auch der Arme hat seine Würde. Er ist Gottes Ebenbild, er ist von ihm geschaffen wie du und ich.
Aber wie soll man dann mit einem Armen umgehen, ohne dass man ihn beschämt? Ich meine, dass man zum Beispiel einem Bettler in der Fußgängerzone nicht einfach so im Vorbeigehen einen Euro in die Mütze schmeißt, sondern kurz stehen bleibt, ihn anschaut, anlächelt und außer Geld auch noch ein gutes Wort für ihn übrig hat. Noch besser wäre es, wenn man ihm ein wenig Zeit schenken würde. Vielleicht hat er ja was zu sagen. Und was jeder immer tun kann, ist, für ihn zu beten.
Der Dichter Rainer Maria Rilke hat noch etwas anderes erlebt: Gemeinsam mit einer jungen Französin kam er mittags an einem Platz in Paris vorbei, an dem eine Bettlerin saß, die um Geld anhielt. Ohne zu irgendeinem Geber je aufzusehen, ohne ein anderes Zeichen des Bittens oder Dankens zu äußern als nur immer die Hand auszustrecken, saß die Frau stets am gleichen Ort. Rilke gab nie etwas, seine Begleiterin gab häufig ein Geldstück. Eines Tages fragte die Französin verwundert nach dem Grund, warum er nichts gebe, und Rilke gab ihr zur Antwort: "Wir müssen ihrem Herzen schenken, nicht ihrer Hand." Wenige Tage später brachte Rilke eine eben aufgeblühte Rose mit, legte sie in die offene, abgezehrte Hand der Bettlerin und wollte weitergehen.
Da geschah das Unerwartete: Die Bettlerin blickte auf, sah den Geber, erhob sich mühsam von der Erde, tastete nach der Hand des fremden Mannes, küsste sie und ging mit der Rose davon. Eine Woche lang war die Alte verschwunden, der Platz, an dem sie vorher gebettelt hatte, blieb leer. Nach acht Tagen saß die Bettlerin wieder wie früher am gewohnten Platz. Sie war stumm wie damals, wiederum nur ihre Bedürftigkeit zeigend durch die ausgestreckte Hand. "Aber wovon hat sie denn all die Tage, da sie nichts erhielt, nur gelebt?", frage die Französin. Rilke antwortete: "Von der Rose . . ."

Gebet: Allmächtiger Gott und barmherziger Vater, vor dir bin auch ich ein Bettler. Denn alles was ich bin und habe, hast du mir geschenkt und willst das auch weiterhin tun. Lass mich das nicht vergessen, wenn ich auf einen Menschen treffe, der mich um etwas bittet. Ich möchte gerne so großzügig sein wie du zu mir bist. Hilf mir dabei. Amen

Herzliche Grüße


Hans Löhr 

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