Losung:
Wer
den Armen verspottet, verhöhnt dessen Schöpfer; und wer sich über eines andern
Unglück freut, wird nicht ungestraft bleiben. Sprüche
17,5
Lehrtext: Jesus sprach: Wenn du
ein Mahl machst, so lade Arme, Verkrüppelte, Lahme und Blinde ein, dann wirst
du selig sein, denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten. Lukas
14,13-14
Liebe Leserin, lieber Leser,
kein Mensch bettelt gern. Jedenfalls kann ich mir das nicht
vorstellen. Denn wer bettelt, erniedrigt sich. Und wer eh schon ganz unten ist,
wer sozusagen am Boden liegt, den darf man nicht auch noch treten. Denn auch
der Arme hat seine Würde. Er ist Gottes Ebenbild, er ist von ihm geschaffen wie
du und ich.
Aber wie soll man dann mit einem Armen umgehen, ohne dass
man ihn beschämt? Ich meine, dass man zum Beispiel einem Bettler in der
Fußgängerzone nicht einfach so im Vorbeigehen einen Euro in die Mütze schmeißt,
sondern kurz stehen bleibt, ihn anschaut, anlächelt und außer Geld auch noch
ein gutes Wort für ihn übrig hat. Noch besser wäre es, wenn man ihm ein wenig
Zeit schenken würde. Vielleicht hat er ja was zu sagen. Und was jeder immer tun
kann, ist, für ihn zu beten.
Der Dichter Rainer Maria Rilke hat noch etwas anderes
erlebt: Gemeinsam mit einer jungen Französin kam er mittags an einem Platz in
Paris vorbei, an dem eine Bettlerin saß, die um Geld anhielt. Ohne zu
irgendeinem Geber je aufzusehen, ohne ein anderes Zeichen des Bittens oder
Dankens zu äußern als nur immer die Hand auszustrecken, saß die Frau stets am
gleichen Ort. Rilke gab nie etwas, seine Begleiterin gab häufig ein Geldstück.
Eines Tages fragte die Französin verwundert nach dem Grund, warum er nichts
gebe, und Rilke gab ihr zur Antwort: "Wir müssen ihrem Herzen schenken,
nicht ihrer Hand." Wenige Tage später brachte Rilke eine eben aufgeblühte Rose
mit, legte sie in die offene, abgezehrte Hand der Bettlerin und wollte
weitergehen.
Da geschah das Unerwartete: Die Bettlerin blickte auf, sah
den Geber, erhob sich mühsam von der Erde, tastete nach der Hand des fremden
Mannes, küsste sie und ging mit der Rose davon. Eine Woche lang war die Alte
verschwunden, der Platz, an dem sie vorher gebettelt hatte, blieb leer. Nach
acht Tagen saß die Bettlerin wieder wie früher am gewohnten Platz. Sie war
stumm wie damals, wiederum nur ihre Bedürftigkeit zeigend durch die
ausgestreckte Hand. "Aber wovon hat sie denn all die Tage, da sie nichts
erhielt, nur gelebt?", frage die Französin. Rilke antwortete: "Von
der Rose . . ."
Gebet: Allmächtiger Gott und barmherziger Vater,
vor dir bin auch ich ein Bettler. Denn alles was ich bin und habe, hast du mir geschenkt
und willst das auch weiterhin tun. Lass mich das nicht vergessen, wenn ich auf
einen Menschen treffe, der mich um etwas bittet. Ich möchte gerne so großzügig
sein wie du zu mir bist. Hilf mir dabei. Amen
Herzliche Grüße
Hans Löhr
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