Predigt von Hans Löhr am Sonntag Exaudi im
Lichtblick-Gottesdienst
Predigttext: Psalm
71,2+3 (Gute-Nachricht-Bibel)
Liebe Leserin,
lieber Leser,
ich werde heute
über das Thema predigen „Wo deine Seele ein Zuhause hat“. Jeder von uns braucht
einen Ort, wo er sich daheim fühlen kann, wo es ihm gut geht und wo er sicher
ist. Ich hoffe, dass das bei dir so ist. Und falls du gerade dabei bist, dir
ein neues Zuhause zu suchen, dann wünsche ich dir, dass du einen solchen guten
Ort für dich findest.
Doch wie ist das mit deiner Seele? Hat sie
auch einen Ort, wo sie leben kann und wo es ihr gut geht? Ist das da, wo du
wohnst?
Mit Seele meine ich dich, wie du in deinem
Innersten bist, was kein anderer Mensch wirklich weiß, weil niemand auf den
Grund deiner Seele blicken kann, nur du allein. Der Mensch, der du für andere
bist, lebt in einer Wohnung oder in einem Haus und hat eine Postadresse. Aber
du, du ganz persönlich, wo bist du daheim? Wo fühlst du dich geborgen?
Als vor 74 Jahren am Ende des Zweiten Weltkriegs
die Deutschen aus ihrer Heimat im Osten flohen, aus Ost- und West Preußen, aus
Schlesien, aus dem Sudetenland, aus dem Banat, aus Siebenbürgen, da stellte
sich für viele von ihnen die Frage: ‚Hat denn wenigstens meine Seele eine
innere Heimat, wenn ich schon meine äußere verloren habe?‘ Und bei manchen
entschied diese Frage über Leben und Tod. Denn wenn auch die Seele entwurzelt
war, hatten sie gar keinen Halt mehr.
Andere aber hatten so viel innere Widerstandskraft, dass sie auch solche
schweren Zeiten überstanden haben und wieder neu anfangen konnten. Das sichere
Zuhause für ihre Seele war der Glaube, besser: war Gott. Er war die Kraftquelle,
aus der sie lebten.
Und wir? Auch, wenn von uns hier niemand auf
der Flucht ist, stellt sich trotzdem die Frage: ‚Hat meine Seele ein Zuhause,
wo sie willkommen ist? Kann ich mich geborgen fühlen, kann ich zuversichtlich
und getrost sein auch in meinen Krisenzeiten?‘
Eine Antwort finde ich im Bibelwort für
diese Predigt. Es steht im Psalm 71 und heißt:
»Herr, hör
mich doch, hilf mir! Sei mir ein sicheres Zuhause, wohin ich jederzeit
kommen kann! Du hast doch zugesagt, mir zu helfen. Du bist meine Burg und meine
Hoffnung. Du bist mein Zufluchtsort!«
Der Mensch, der vor zweieinhalb
Jahrtausenden so gebetet hat, hatte auch seine eigenen vier Wände. Und trotzdem
bittet er noch um ein anderes, ein sicheres Zuhause. Dabei beruft er sich auf
Gottes Zusage: „Ich bin dein Zufluchtsort.“ Nun, liebe Freunde, Eines ist es,
diese Zusage, diese gute Nachricht zu hören. Ein Anderes aber ist es, sie auch
zu glauben und danach zu leben.
Wie machst du das? Wenn du Sorgen hast oder sogar Angst, machst du das dann
mit dir allein aus? Ziehst du dich in dich selbst zurück? Versuchst du, dir
nichts anmerken zu lassen? Wie gut, wenn du dann einen anderen Menschen hast,
zu dem du kommen, mit dem du über alles reden kannst. Aber das geht nur
begrenzt. Einerseits ist er nicht immer erreichbar. Und andererseits wird es
deinem Gesprächspartner auch irgendwann mal zu viel. Auch die Geduld und das
Verständnis deiner besten Freundin, deines besten Freundes ist irgendwann
erschöpft. Und dann?
Ja, gut für dich, wenn du einen anderen
Menschen hast, zu dem du kommen kannst. Noch besser aber, wenn du zugleich im
Gebet zu Gott gehst und ihm sagst, was du auf dem Herzen hast. Denn zu ihm
kannst du jederzeit kommen, am Tag und mitten in der Nacht. Zu ihm kannst du
überall kommen, in deiner Wohnung, im Auto, in der Natur, am Arbeitsplatz oder
im Krankenbett. Und ihm kannst du alles sagen, wirklich alles, weil er dich
besser kennt als du dich selbst. Ihm musst du nichts vormachen. Ihm kannst du
noch deine geheimsten Gefühle und Gedanken zeigen, die du auch vor deinem
besten Freund verschweigst.
In dem Film „Martin Luther – er veränderte
die Welt“ ist zu sehen, wie Luther 1521 auf dem Reichstag zu Worms seine
Schriften widerrufen soll. Ihm wird befohlen, vor dem Kaiser, vor den
Machthabern der katholischen Kirche, vor den deutschen Kurfürsten und vor den
Abgesandten der freien Reichsstädte Rede und Antwort zu stehen.
Auf dem Weg dorthin ist ihm bang ums Herz.
Er weiß, dass er als der Feind des Papstes und des Kaisers gilt. Beide wollen
ihn töten. Er hat nur für kurze Zeit freies Geleit. Und dann? Er weiß auch, wie
viel davon abhängt, dass er standhaft bleibt und nicht klein beigibt. Zahllose
Menschen in Deutschland und darüber hinaus, mächtige Fürsten und arme Bauern,
einflussreiche Bürger und kleine Handwerker setzen ihre Hoffnung auf ihn. Sie
wollen das kirchliche Joch der Bevormundung, der Höllenangst, der seelischen
Unterdrückung abschütteln. Luther ist für sie der Mann, der ihnen mit seinem
Verständnis der Bibel auf dem Weg in die Freiheit des Glaubens und des
Gewissens vorangeht. Was, so fragt er sich, wird sein, wenn ich versage, wenn ich
gegen meine Überzeugung sage, dass ich mich geirrt habe? Der Druck, der auf ihm
lastet, ist riesig. Wird er die Kraft haben, ihn auszuhalten?
Als Martin Luther bei seinem ersten
Auftritt vor dem Reichstag gefragt wird, ob er seine Schriften widerrufe, ist
er nervös, unsicher und ängstlich. Er weiß, jetzt geht’s um alles. Er kann
keine klare Antwort gebe. Kleinlaut erbittet er sich Bedenkzeit.
Am nächsten Tag noch einmal das gleiche
Schauspiel, dieselbe Frage. Jetzt aber ist Luther sicher und klar. Mit fester Stimme
sagt er:
"Wenn ich nicht durch die Heilige Schrift
und klare Vernunftgründe überzeugt werde, so bin ich durch die Bibelworte, die
ich genannt habe, an mein Gewissen und an das Wort Gottes gebunden. Daher kann
und will ich nichts widerrufen, weil gegen das Gewissen etwas zu tun weder
sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!"
Woher der plötzliche Sinneswandel? Gestern
war Luther noch ängstlich und unsicher. Heute ist er plötzlich seiner Sache
gewiss und vertritt sie freimütig und standhaft. Der Film zeigt, wie Martin
Luther in der Nacht dazwischen mit seinen Ängsten und Zweifeln ringt. Endlich
sucht er seine Zuflucht bei Gott, bei Christus und überwindet im Gebet alle
Bedenken. Jetzt weiß er, wo seine Seele zuhause ist, wo sie Halt und Hilfe
findet. Wo sie Kraft und Mut bekommt. Und als er am nächsten Tag wieder
aufgefordert wird, zu widerrufen, redet er nicht mehr aus seinem ängstlichen
Herzen, sondern aus seinem Vertrauen auf Gott. So rettet er in jener Stunde den
evangelischen Glauben für sich und alle, die sich fortan auf ihn berufen.
Liebe Freunde, das Beispiel Martin Luther
zeigt, wie unsicher und schwankend wir sind, wenn unsere Seele keinen Ort hat,
an dem sie geborgen ist und Halt findet. Aber auch das Gegenteil wird deutlich,
welche Kraft und Sicherheit ein Mensch gewinnt, der in Gott lebt und bei ihm
zuhause ist.
Doch das muss von jedem immer wieder neu
errungen werden. Wir können uns nicht darauf ausruhen, dass wir gestern
geglaubt und auf Gott vertraut haben. Heute, heute ist unser Glaube wieder neu
gefragt. Heute muss sich unser Gottvertrauen wieder bewähren. Heute muss ich
aufs Neue im Gebet zu Gott gehen und bitten:
„Herr, stärke meinen Glauben, stärke mein
Vertrauen auf dich und halte meine Seele fest. Ich habe aus mir heraus nicht
genug Energie, den Anforderungen des Tages zu begegnen. Ich halte die
Ungewissheit mit meiner Krankheit nicht aus. Mir fehlt die Kraft, diesen
Konflikt durchzustehen. Ich leide unter meiner Einsamkeit. Ich bin verzweifelt,
dass ich immer wieder versage. Aber mit dir wird es gelingen. Mit dir schaffe
ich meine Aufgaben. Mit dir werde ich wieder gesund. Mit dir kann ich tragen,
was mich belastet. Denn du bist die Kraft, die mir oft fehlt …“ So findet die
Seele im Gebet wieder zu Gott zurück. Bei ihm ist ihr Zuhause. Da kann sie Vertrauen
fassen und neuen Mut gewinnen.
Martin Luther hat damals das Lied
gedichtet: „Ein feste Burg ist unser Gott“, wo ich geborgen bin vor dem, was
mir Angst macht. Er hatte dabei unser heutiges Psalmwort vor Augen, wo es
ebenfalls heißt: „Gott, du bist meine Burg. Mein Zufluchtsort.“ Von Burgen
sprechen wir heute nicht mehr. Die sind in unserer Zeit kein Symbol mehr für
Sicherheit. Aber Zufluchtsorte brauchen wir dennoch, nicht nur Schutzräume und
Bunker in Kriegszeiten, sondern auch Frauenhäuser, Kliniken oder Gespräche mit
einem Freund, einer Seelsorgerin oder einem Therapeuten. Die besten Schutzräume
für unsere Seele sind Menschen unseres Vertrauens und das Gebet, das
Zusammensein mit Gott.
Und was ist mit denen, die bei Gott kein sicheres Zuhause haben, weil sie ihn nicht kennen, weil sie zu ihm keinen Zugang finden oder andere ihnen den Zugang verbaut haben? Was ist mit denen, die dement sind, depressiv, unter Verfolgungswahn leiden oder an anderen seelischen Krankheiten? Und was ist mit unseren Kindern, wenn sie das Elternhaus verlassen und nun auf eigene Verantwortung leben?
Und was ist mit denen, die bei Gott kein sicheres Zuhause haben, weil sie ihn nicht kennen, weil sie zu ihm keinen Zugang finden oder andere ihnen den Zugang verbaut haben? Was ist mit denen, die dement sind, depressiv, unter Verfolgungswahn leiden oder an anderen seelischen Krankheiten? Und was ist mit unseren Kindern, wenn sie das Elternhaus verlassen und nun auf eigene Verantwortung leben?
Ich kann nur hoffen, dass Gott einen
Zugang zu ihnen allen findet. Dass Jesus, der gute Hirte, ihnen nachgeht, sie
behütet und sie findet, wenn sie sich verlaufen haben. Und ich kann mit meinen
Gebeten einen solchen Schutzraum um sie alle bauen. Und dich bitte ich auch
darum. “Gott gibt auch den Einsamen ein Zuhause“, heißt es in der Bibel im Psalm
68,6-7 (neue Übersetzung). Er ist und bleibt die letzte Zuflucht.
Zum Schluss ein kleines Rätsel:
Ich gehe alle Tage aus
und bleib doch stets in meinem Haus.
Wer bin ich?
Ich gehe alle Tage aus
und bleib doch stets in meinem Haus.
Wer bin ich?
Bestimmt weiß jemand hier die Antwort. Also,
um wen handelt es sich? <Die Schnecke> Nun, weil sie so langsam ist, macht
sie nicht viel her. Aber für mich ist sie ab sofort eine Art Gleichnis. Wohin
auch immer ich gehe, wo auch immer ich bin, soll meine Seele ihr Haus dabei
haben, soll sie im Glauben bei Gott ein Zuhause haben.
Daran erinnert mich dieses Schneckenhaus. Ich
habe es gestern in unserem Garten gefunden. Ab heute Mittag wird es auf meinem
Schreibtisch liegen. Und sooft ich es da sehe, soll es mich daran erinnern, wo
meine Seele ihr Zuhause hat.
Und wenn du in Zukunft mal eine Schnecke
mit Haus siehst oder ein leeres Schneckenhaus findest, dann hebe es auf und
nimm‘s mit. Dann soll auch dir der Gedanke durch den Kopf gehen: Moment mal, da
war doch was. So ein Schneckenhaus sollte mich an was erinnern. Was war das
doch gleich wieder? Ach ja, es soll mir sagen: Deine Seele hat immer und
überall ein sicheres Zuhause. Sie ist geborgen bei Gott. Auch jetzt. Amen
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