Freitag, 6. April 2012

liebesbedürftig hl (Karfreitagspredigt 2012)

Bibelwort: Joh. 3,16 »Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.«

Liebe Gemeinde,

haben Sie / hast du schon mal etwas aus Liebe getan? Wirklich aus Liebe? Was geht dir bei dieser Frage durch den Kopf und vielleicht auch durchs Herz? Möglicherweise denkst du: „Ja, meinen Mann habe ich damals wirklich aus Liebe geheiratet. Und dass ich auch in den bösen Tagen bei ihm geblieben bin, obwohl ich manchmal am liebsten davongelaufen wäre, auch das war Liebe.“ Und jemand anders hier denkt sich vielleicht: „Für meine Kinder habe ich manche Mühe aus Liebe auf mich genommen. Da war ich die eine oder andere Nacht an ihrem Bett gesessen, als sie krank waren. Hab zahllose Stunden mit ihnen über den Hausaufgaben verbracht. Hab für sie xmal Essen gekocht, gewaschen, geputzt, vorgelesen, gespielt und sie mit dem Auto da- und dorthin gefahren. Für Geld hätte ich das alles nicht gemacht.“

Und wieder ein anderer hier in der Kirche sagt vielleicht: „Ich hab den Schwiegervater gepflegt. Es war früher nicht immer einfach mit ihm. Aber am Ende seines Lebens hat er mir leidgetan. Wenn ein Mensch so hilflos wird, kann man ihn doch nicht sich selbst überlassen. Ob ich das aus Liebe getan habe? Die Frage habe ich mir noch gar nicht gestellt. Ja, vielleicht.“ Das waren jetzt drei Beispiele dafür, dass Menschen etwas aus Liebe tun, und ich könnte noch mehr anführen wie zum Beispiel jene Männer in unseren Dörfern, die sich noch im hohen Alter um ihre demenzkranken Frauen kümmern.

Die Liebe ist vom Himmel gefallen
Aber woher kommt denn diese Liebe? Ist sie vielleicht vom Himmel gefallen? In gewisser Hinsicht schon. Denn da heißt es im heutigen Bibelwort für den Karfreitag: »Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.« Ich glaube, alle wirkliche Liebe ist ein Abglanz von Gottes Liebe mit der er dich und mich liebt. Sie ist wirklich ein Geschenk des Himmels auch für die, die nicht daran glauben. Heute, am Karfreitag, denken wir daran, wie sehr Gott dich liebt und was ihn das gekostet hat – nicht weniger als das Leben seines einzigen Sohnes Jesus. Und wofür das Ganze?

Der Apostel Paulus schreibt in der Bibel: „Als Jesus noch in der ewigen Herrlichkeit bei seinem Vater war, hat er beschlossen, auf alles zu verzichten, um uns Menschen zu retten. Er verzichtete auf ein Leben in Glückseligkeit, auf seine göttliche Gestalt, darauf, Gott gleich zu sein. Auf all seine Macht und Herrlichkeit hat er verzichtet, weil du für ihn unverzichtbar bist. Und so wurde der König des Himmels zum Knecht der Menschen. So hat er uns gedient mit seinem Leben und Sterben am Kreuz.“ Soweit der Apostel.

geschafft
Und nun frage ich, hätte es für ihn nicht einen Ausweg gegeben? Noch am Kreuz hatte er zwei Möglichkeiten: Entweder das zu tun, was die Spötter ihm zuriefen: „Los, steig herab, wenn du Gottes Sohn bist; dann wollen wir an dich glauben.“ 
Und wenn er es getan hätte, was dann? Hätte er mit denen, die ihn foltern und ans Kreuz schlagen ließen blutig abrechnen sollen? Oder hätte er sich gleich in den Himmel verdrücken sollen? So hätte er sich selbst Genugtuung verschafft, aber die vielen, auch uns, hätte er für immer im Stich gelassen. 
Aber Jesus hat dieser Versuchung nicht nachgegeben, so groß sie auch war. Er hat ausgehalten am Kreuz, stundenlang in der Mittagshitze unter unbeschreiblichen Qualen. Und als der Tod kam, sagte er: „Geschafft! Es ist vollbracht.“ Sein göttlicher Auftrag war erfüllt. Er hat die Welt, er hat die Menschen, er hat dich und mich geliebt bis zum bitteren Ende. So hat er gezeigt, dass die Liebe Gottes stärker ist als unsere Sünde und Schuld, stärker als Rache und Tod. Nein, einen anderen Weg zu unserer Erlösung hat es nicht gegeben als den. Nur so hat er dir und mir gezeigt, dass er dich und mich nicht aufgibt.

Der Eintänzer
In meiner Kindheit lebte in unserer Nachbarschaft ein Sonderling. Mitten in einem Garten, in dem er Fasane züchtete, hatte er sich ein kleines Haus aus Stein gebaut. Über der Eingangstür stand, so dass es jeder auch vom Weg aus noch lesen konnte, sein Lebensmotto: »Wer Menschen kennt, liebt Tiere.« Damals hatte ich den Satz nicht gleich verstanden. Als ich älter wurde, wusste ich, dass er damit seine Abneigung gegenüber anderen Menschen zum Ausdruck gebracht hat. Die hatten wir auch als Kinder zu spüren bekommen und darum mochten wir ihn nicht. Doch dieser Sonderling hielt es mit sich und seiner Menschenfeindlichkeit allein nicht aus. Er verstand es, zur Abendbrotzeit sich ungebeten in die Häuser der Nachbarschaft einzuladen. Da saß er dann mit am Tisch, beklagte die schlechte Welt und hat ganz selbstverständlich mitgegessen. Alle fühlten sich in seiner Gegenwart unwohl, aber keiner brachte es übers Herz, ihn wieder vor die Tür zu schicken. Man sagte von ihm, er sei früher „Eintänzer“ gewesen. Das muss vor dem Krieg gewesen sein, denn nun zog er ein beschädigtes Bein hinter sich her.

Gottes Motto heißt anders: „Wer Menschen kennt, liebt Menschen.“ Und er liebt uns nicht deshalb, weil wir so liebenswürdig wären, sondern weil jeder von uns hier liebesbedürftig ist. Gott kennt unser Innerstes, unsere Seele. Er weiß wie es da aussieht. Er weiß, wie einsam wir manchmal sind und wie enttäuscht. Wie wir bisweilen unter unseren schwarzen Gedanken und hässlichen Gefühlen selber am meisten leiden so wie vermutlich auch der sonderbare Eintänzer. Er kennt die Sünde, die uns zerstört. Und er weiß, dass nur Liebe uns hilft, eine, die frei ist von Vorwürfen und Besserwisserei, die stark genug ist, uns die dunklen Lasten abzunehmen und zu vergeben. Und weil wir Menschen dazu zu schwach sind, hat er uns seinen Sohn geschickt, dessen Liebe unsere wunde Seele heilt.

Das, liebe Gemeinde, ist der Sinn von Karfreitag. Und darum feiern wir heute nicht den Tod, sondern die Liebe Gottes zu dir und mir. Ihretwegen gab er seinen einzigen Sohn dahin, damit alle, die an ihn glauben, gerettet werden. Von dieser Liebe leben wir. Sie ist es, die uns dazu bringt, selbst etwas aus Liebe zu tun, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.

Doch das soll zum Schluss auch noch gesagt werden: Damit das alles auch für mich gilt, muss ich glauben, muss ich dieser Liebe trauen. Nur so werde ich sie erfahren und du auch. Amen


Hans Löhr 
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Hier ein Musikvideo und ein Link zum Begriff "Eintänzer": "Schöner Gigolo, armer Gigolo" und "Eintänzer"

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