Losung: Gott ist weise und mächtig; wem ist's je gelungen, der sich gegen ihn
gestellt hat? Hiob 9,4
Lehrtext: Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst? Römer 9,20
Liebe Leserin, lieber Leser,
»Gott« – wie unbedacht sprechen wir dieses kurze Wort oft
aus und machen uns nicht klar, dass wir damit alles sagen, was zu sagen ist.
Mehr geht nicht. Wer Gott sagt, der sagt „das Ganze". Wer Gott sagt, der
sagt Leben und Tod, Licht und Finsternis, Himmel und Erde, gut und böse. Wie
bitte, auch böse? Gerade wer das Hiob-Buch kennt, aus dem die heutige Losung
stammt, weiß, dass angesichts von Gottes Allmacht unsere menschlichen Begriffe
von gut und böse nicht mehr passen. Hiob hat das, was er erleiden musste, als
durch und durch böse erfahren, zumal er sich keiner Schuld bewusst war. Aber er
hat nicht irgendeinen Teufel angeklagt, sondern Gott. Er hat sich gleich an die
oberste Instanz gewandt, weil nur von dort auch echte Hilfe kommen kann.
Was ist schon gut, was ist schon böse! Wir kleinen und
kurzlebigen Menschen mit einem schwachen Erinnerungsvermögen und der
Unfähigkeit, in die Zukunft zu schauen, wir können nur für den Augenblick
sagen, was wir jetzt als gut und als böse erfahren. Aber wissen wir denn, ob
aus dem, was uns jetzt gut erscheint, nicht Böses werden kann und umgekehrt?
Kann Gott nicht auch aus Bösem Gutes entstehen lassen? Gott macht keine Fehler.
Aber ich.
Nehmen wir den Zweiten Weltkrieg, eine durch und durch böse
Geschichte. Dadurch wurden die Verhältnisse in Europa und weltweit dermaßen
durchgeschüttelt, das anschließend eine völlig andere Ausgangslage da war als
wenn es ihn nicht gegeben hätte. Meine Eltern hätten sich ohne diesen bösen
Krieg niemals kennen gelernt, und dann wären ich und infolge meine Kinder und
mein Enkelsohn nie geboren. Gut, an mir und meinen Nachkommen soll es nicht
liegen. Aber das trifft wohl für die meisten Menschen zu, die heute leben,
zumindest in Deutschland. Kurz gesagt, ohne diesen Krieg würden heute andere Menschen
leben als wir. Und so lassen sich zahllose andere Beispiele anführen. Wir haben
in unserer Sprache dafür Sprichwörter wie „Alles hat seine zwei Seiten"
und wir Franken sagen manchmal „Es gibt keinen Schaden, wo nicht auch ein
Nutzen dabei ist."
Natürlich brauchen wir Begriffe wie „gut" und
„böse", damit wir uns über Werte verständigen können und ein Zusammenleben
möglich ist. Doch ich muss mir klar machen, wie relativ und vorläufig diese
Begriffe sind.
Ein guter Richter weiß, dass er einem Angeklagten mit
seinem Urteil nach dem gegenwärtig geltenden Wertesystem nicht gerecht werden
kann, dass er aber trotzdem Recht sprechen muss, damit der Rechtsfriede gewahrt
bleibt. Auch ein Verbrechen kann in der Zukunft eine positive Auswirkung haben,
von der ich mir jetzt keine Vorstellung machen kann, aber Gott. Ich überblicke
das Ganze nicht, aber er. Deshalb möchte ich vorsichtig sein mit meinen
Urteilen über andere Menschen, über mich, über die Welt und über Gott. Mit ihm
rechten, ihn zur Rechenschaft ziehen zu wollen, ist unmöglich.
Ja, du kannst
mit ihm hadern, ihn in deiner Verzweiflung anklagen, ihm dein ganzes Leid
vorhalten – so wie es die getan haben, von denen die Psalmen in der Bibel
stammen. Aber ihm nachweisen zu wollen, dass er nicht recht getan hat, geht
nicht. Das hat auch Hiob eingesehen. Und als er soweit war, erlebte er den
Wendepunkt in seinen Leiden und kehrte ins Leben zurück. Wir können nur mit
Gott leben und nicht gegen ihn. Schließlich setzt sich sein Wille durch und
nicht der unsere.
Gebet: Vater unser im
Himmel, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Amen
Herzliche Grüße
Hans Löhr
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