Sonntag, 26. Juni 2022

Krieg und Frieden (Predigt) hl

Losung: Gott, der du uns viel Angst und Not hast erfahren lassen, du wirst uns wieder beleben. Psalm 71,20 


Lehrtext: Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht. Johannes 14,27

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich predige heute in der Kirche über die beiden Bibelworte des heutigen Tages, über das Losungswort aus dem Alten und den Lehrtext aus dem Neuen Testament. Da heißt es in Psalm 71 Vers 20: "Gott, der du uns viel Angst und Not hast erfahren lassen, du wirst uns wieder beleben." 

Ja, ich habe in meinem Leben auch Angst und Not erfahren, aber wenig im Vergleich zu meinem Vater, der in der Ukraine gekämpft hat und zu meiner Mutter, die den Bombenhagel auf Nürnberg erlebt hat. Und bestimmt hat auch der Verfasser des Losungswortes damals in Jerusalem und Umgebung mehr gelitten als ich, viel mehr. Bis heute ist dieser kleine Landstrich im Würgegriff von Feindschaft und Hass, von Gewalt und Gegengewalt.

So viele sind in den Kriegen und Notzeiten der Vergangenheit untergegangen, aber nicht alle. Die Überlebenden konnten jenes Psalmwort nachsprechen. Und die Toten? Was würden sie sagen, wenn sie reden könnten? Würden sie sagen: „Ja, mein Tod war es wert, dass mein Land mit militärischer Gewalt zurückschlägt?“ Oder würden sie die Lebenden anflehen und sagen: „Haltet ein! Hört auf mit dem Wahnsinn, mit dem Kämpfen und Töten. Nichts ist mehr wert als das Leben. Unser Tod war sinnlos und wertlos. Wenn wir schon sterben mussten, so bleibt wenigstens ihr mit euren Kindern am Leben!“

In unserem Land redet man darüber, welche Waffen in die Ukraine geliefert werden müssen. Merkwürdig, wer plötzliches alles Militärexperte sein will. Fast immer sind das Leute, die nie Krieg erlebt haben und nicht wissen, was er bedeutet. Immer mehr Waffen werden dazu beitragen, den Krieg zu verlängern. Sie werden dazu beitragen, dass weiterhin Menschen sterben, nicht nur Soldaten, auch Kinder. Viele Zeitungsredakteure sind dafür. Viele Politiker und Politikerinnen sind dafür. Sie reden darüber im Parlament. Sie reden darüber in den Talkshows. Sie tun so, als ob die Ukraine den Krieg gewinnen könne und halten ihn damit am Kochen.

Kein Krieg, nur der Friede ist gerecht

Ist es das, was auch wir Christen zu sagen haben? Oder sollen wir uns auf das Jesuswort aus dem Lehrtext besinnen: "Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht"? Überlege bitte selbst, was wir in dieser Frage als Christen denken und sagen sollten. Meine Antwort ist klar: Es gibt keinen gerechten Krieg. Nur der Friede ist gerecht. 

Viele reden davon, was alles passieren könnte, wenn man jetzt nicht Waffen liefert. Niemand weiß, was wirklich geschehen wird. Aber das wissen wir alle, dass schon jetzt durch militärischer Gewalt und Gegengewalt viele gestorben, verstümmelt und auf der Flucht sind. Wofür? Weißt du das? Kannst du einer ukrainischen oder russischen Mutter erklären, wofür ihr Kind, wofür ihr Sohn gestorben ist? Für Ruhm, Ehre und Freiheit der Nation? Für die Interessen der politischen Führer? War es das wert?

Was ist mit dem Frieden, den Christus uns gelassen hat? Was haben wir aus ihm in den letzten 50 Jahren gemacht in der Ukraine, in Afghanistan, im Jemen, in Libyen, im Irak, in Serbien, in Vietnam? Der Friede Jesu Christi wird nicht militärisch errungen, wird nicht mit immer mehr und noch mehr Waffen erzwungen. Er wirkt, wo Feinde aufeinander zugehen und miteinander reden, sich die Hand zur Versöhnung reichen und von der Gewalt lassen um der Menschen willen, die einfach nur leben wollen.

Viele in unserem Land scheinen genau zu wissen, was richtig und falsch, wer gut und wer böse ist. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass jeder Krieg gottlos ist. Dass in der Bibel steht: "Bekämpft nicht Böses mit Bösem, sondern überwindet es mit Gutem". Und dass wir die andere Backe hinhalten und nicht zurückschlagen sollen. Anders gesagt, dass wir die Spirale der Gewalt unterbrechen müssen und nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen dürfen. „Der Klügere gibt nach“, heißt ein Sprichwort. Wo sind diese Klügeren jetzt, wo es darauf ankäme, auf sie zu hören? Und auch das weiß ich noch, dass das alles auch im Kleinen gilt, in der Partnerschaft und in der Familie, in der Nachbarschaft und am Arbeitsplatz.

Das wichtigste Gebot

Und dann hat Jesus allen, die mit ihm leben wollen, noch sein wichtigstes Gebot gegeben: "Liebet eure Feinde. Bittet für die, die euch verfolgen. Segnet, die euch fluchen..." ( Matthäus 5,44)  Das, liebe Freunde, ist verdammt schwer. Aber es gibt dazu nun mal keine Alternative, wenn wir Menschen auf dieser Erde miteinander auskommen und eine Zukunft haben wollen. Oder es geht nach dem Gesetz der Blutrache: Einer schlägt dem anderen den Schädel ein, bis alle tot sind. Irgendwann müssen die Feinde wieder miteinander reden und verhandeln.

Warum nicht gleich? Müssen denn noch mehr und noch mehr auf beiden Seiten sterben, wenn es am Ende doch auf einen Kompromiss hinausläuft? Die Ukraine wird, anders als manche behaupten, den Krieg nicht gewinnen. Das verhindert schon das bloße Vorhandensein von russischen Atomwaffen. Wer kann wollen, dass die zum Einsatz kommen, wenn immer mehr und noch mehr Waffen aus Westeuropa und den USA geliefert werden?

Ich erinnere noch einmal an das Losungswort: "Gott, der du uns viel Angst und Not hast erfahren lassen, du wirst uns wieder beleben." Was für ein kühnes Wort! Die Menschen der Bibel haben darauf vertraut, dass Gott ihr Schicksal wieder zum Guten wenden wird. Und sie haben erstaunlicherweise nicht nur ihren Feinden die Schuld gegeben für die Angst und Not, die sie immer wieder ausstehen mussten. Sie glaubten, nichts geschieht ohne Gottes Willen, auch das Leid nicht, das wir Menschen erfahren. Sie haben das damals oft genauso wenig verstanden wie wir heute. Aber sie haben sich gefragt: "Wo haben wir versagt? Was hätten wir anders machen sollen?" Sie wollten aus ihrem Unglück lernen und nicht nur die Schuld dafür auf ihre Feinde schieben. Das ist immer zu einfach, auch heute. Die Denkweise "Wir sind die Guten und die anderen sind die Bösen", stimmt selten. Wer sich selbst für gut hält und andere für böse, sollte sich fragen, ob nicht gerade das böse ist.

Krieg entsteht immer in den Köpfen und Herzen der Menschen. Und da wird er auch beendet. Um Frieden zu schließen, braucht es Menschen mit einem klaren Kopf, die verantwortungsbewusst und vernünftig sind und sich nicht von ihren negativen Gefühlen hinreißen lassen. Um Frieden zu schließen, braucht es Menschen mit Herz, die Erbarmen haben mit den Opfern, mit den Kindern zumal. Die den Mut haben, nachzugeben. Die die Kraft zur Versöhnung haben und die seelische Größe, zu vergeben. Um Frieden zu schließen, braucht es Menschen, die den Frieden Jesu Christi in sich tragen und ihren Feinden die Hand reichen. Für sie wollen wir beten. Amen


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