Predigt zum ersten Sonntag nach Epiphanias 2012 von Hans Löhr
Predigttext 1. Korinther Kapitel 1 Verse 26-31 / Stilles Gebet
Liebe Gemeinde,
als ich noch in München Pfarrer war, hatten wir öfter Prominente in unserer Studentengemeinde zu Gast. Ich fragte sie dann nach ihrem Leben und auch nach ihrem Glauben. Einmal war der damals noch junge Günther Jauch bei uns. „Wie lebt es sich denn so als Prominenter?“ fragte ich ihn. „Das größte Problem ist”, sagte er, „jemanden kennenzulernen, der mich nicht wegen meiner Popularität anhimmelt, sondern mich so mag wie ich privat bin, mit meinen Vorzügen, aber auch mit meinen Fehlern und Schwächen.”
Was das mit unserem heutigen Predigttext zu tun hat, wird hoffentlich am Schluss der Predigt klar sein. Dann verrate ich auch, wie das Gespräch weiterging. Jetzt aber verreisen wir erst einmal durch Raum und Zeit, nach Süden in die griechische Hafenstadt Korinth zweitausend Jahre zurück in die Vergangenheit.
Dort ist es dem Apostel Paulus gelungen, Menschen für den Glauben an Jesus Christus zu gewinnen und eine erste kleine Gemeinde zu gründen. Viele sind es nicht, die sich für die neue Religion interessieren, kaum so viel, wie heute hier in den Gottesdienst gekommen sind. Und wer sich da von ihm hat gewinnen lassen, nun, das sind offenbar nicht die Trendsetter des Hellenismus, weder Schicki noch Micki, keine Yuppies und Grand Seigneurs, weder Manager noch Intellektuelle.
Fragwürdige Gestalten In der Lagerhalle
Antigone, die Frau des Fischhändlers, gehört dazu. Sie hat noch am meisten Renommee und einen Lagerraum. Da trifft sich die kleine Christenschar zu ihren Versammlungen. Und da riecht es eben nach Fisch. Und wenn die Zusammenkunft zu Ende ist, riechen alle genauso. Aber es stört sie nicht. Sie sind froh über diesen Raum, wo sie unbehelligt reden und singen können, Gottesdienst feiern und - was sehr wichtig ist - gemeinsam essen. Denn viele von ihnen werden nur dort richtig satt.
Telemach, zum Beispiel, der als junger Mann erblindete und sich nun als Bettler durchs Leben schlägt oder Barbara, eine Witwe ohne Angehörige. Dafür kann sich Telemach die Geschichten aufs Wort genau merken, die Paulus von Jesus erzählt hat, und trägt sie in den Gottesdiensten vor. Das ist sehr wichtig, denn das Neue Testament gibt es noch nicht. Und Barbara hat eine herrliche Stimme, mit der sie die Herzen selbst der hartgesottenen Matrosen rührt. Und mehr noch, sie dichtet ihre Lieder für den Gottesdienst selbst und erfindet wundersame Melodien.
Und Georgos, ein Alkoholiker aus dem Hafenviertel, gehört dazu. Er begleitet sie kunstvoll auf seiner Kitarra. Und es stimmt, auch Katharina und Helena, die im Bordell ihr Brot verdienen, kommen ab und zu dahin. Und Aristoteles, der nicht ganz richtig im Kopf ist, aber wenn er einem Kranken die Hände auflegt, geht es dem oft besser. Und Onesimos, ein entlaufener Sklave und Chloe, die wegen Diebstahl im Gefängnis war und die beten kann, dass es uns alle ergreift. Aber auch Quintus, ein römischer Feldwebel, der von seiner Frau getrennt lebt, ist Mitglied dieser kleinen Gemeinde und der Geldwechsler Apollos, von dem die Leute sagen, dass er betrüge. Aber unsere bescheidene Gemeindekasse ist bei ihm in guten Händen. Und dann noch Eumaios, der Schreiber, Philemon, der Maurer, Eugenia, die Waschfrau, Hermes, der Eilbote und noch ein Dutzend andere.
Bis auf wenige Ausnahmen stammen die meisten aus der Unterschicht. Das wird für sie bald zu einem Problem. Besser gestellte Leute meiden die kleine Christengemeinde. Mit solchen Proleten, mit solch moralisch fragwürdigen Figuren und Versagern wollen sie sich nicht gemein machen, auch nicht im Gottesdienst. Deshalb wird Eumaios beauftragt, dem Gemeindegründer Paulus einen Brief nach Jerusalem zu schreiben, wo der Apostel zwischen seinen Missionsreisen immer wieder mal verweilt.
Krisenstimmung - Der Brief des Eumaios
»Freude zuvor! Wir danken Gott, lieber Paulus, dass er dich nach Korinth geschickt hatte und du uns das Evangelium von Jesus Christus verkündigt hast.
Heute brauchen wir Deinen Rat. Es gelingt uns kaum noch, neue Leute für unsere Gemeinde und den Glauben an unseren Herrn Christus zu gewinnen. Viele lachen uns aus, wenn wir sagen, dass er für uns der Gottessohn ist und dass er gekreuzigt wurde. „Gottessöhne“, so sagen sie, „mag es ja geben. Aber dass die römischen Diktatoren einen Gottessohn kreuzigen können, so etwas hat man noch nie gehört“. Und neulich hat einer gesagt: „Was ist das bloß für ein seltsamer Gott, der so etwas mit seinem Sohn geschehen lässt?!" Andere verspotten uns und sagen: "Ausgerechnet Ihr wollt die Auserwählten Gottes sein? Solche armen Schlucker wie ihr können doch nur einen ärmlichen Gott haben. Ihr habt einfach keine Ahnung, sonst würdet ihr nicht auf so eine komische Religion hereinfallen."
Paulus, uns tut das weh. Haben diese Leute, die gebildeter sind als wir, am Ende vielleicht recht? Will denn Gott wirklich mit Menschen wie uns sein Reich bauen? Bei uns herrscht Krisenstimmung. Schreibe uns bitte bald, was Du dazu meinst?
Sei gesegnet! Es grüßen Dich Deine Glaubensgeschwister aus Korinth«
Zwei Monate später bringt Hermes, der Eilbote, die Antwort in die Lagerhalle des Fischhändlers. Es ist der erste Brief, den Paulus an die Gemeinde in Korinth schreibt. Deshalb sind alle begierig zu hören, was wohl drin steht. Als Eumaios zu lesen beginnt, wird es ganz still:
Niemand soll auftrumpfen - Die Antwort des Paulus
»Paulus, von Gott berufen zum Apostel Jesu Christi, an die Gemeinde Gottes in Korinth. Ich grüße alle, die durch Jesus Christus zu Gottes Volk berufen sind und bitte Gott, unseren Vater, und den Herrn Jesus Christus, euch Gnade zu geben und Frieden.
Ja, liebe Korinther, an dem, was die Leute über euch sagen, ist schon was dran. Schaut doch euch selbst an, meine Glaubensgeschwister! Wen hat Gott denn da berufen? Kaum einer von Euch ist gebildet oder mächtig oder angesehen. Gott hat sich vielmehr die Einfältigen ausgesucht, weil er die Klugen demütigen wollte. Er hat sich die Machtlosen ausgesucht, weil er die Mächtigen demütigen wollte. Er hat sich die Geringen und Verachteten ausgesucht, die nichts gelten, denn er wollte die zu nichts machen, die vor den Menschen etwas sind. Niemand soll vor ihm mit irgend etwas auftrumpfen können.
Euch aber hat Gott zur Gemeinschaft mit Jesus Christus berufen. Der ist unsere Weisheit, die von Gott kommt. Durch ihn können wir vor Gott bestehen. Durch ihn hat Gott uns zu seinem Volk gemacht und von unserer Schuld befreit. Es soll so sein, wie es schon in den heiligen Schriften heißt: "Wer auf etwas stolz sein will, soll stolz sein auf das, was der Herr getan hat."
Steht fest im Glauben! Ich bitte unseren gemeinsamen Herrn Jesus Christus, Euch auch in Zukunft Gnade zu schenken. Durch ihn sind wir miteinander verbunden. Meine Liebe gilt euch allen! Euer Paulus«
Das Evangelium der Prostituierten Helena
Eumaios rollt den Brief wieder sorgfältig zusammen. Da ruft Philemon, der Maurer, in die Stille: „Recht hat Paulus. Diese hochnäsige, feine Gesellschaft, die sich wer weiß was einbildet auf ihre Bildung, ihre Stellung, ihr Geld - die gelten nichts vor Gott. Endlich ist es einmal umgekehrt. Endlich sind wir die Ersten, die man uns immer wie den letzten Dreck behandelt. Wir haben eben den rechten Glauben und die nicht!”
Einige nicken „Halt, Philemon”, fällt ihm ausgerechnet Helena, die Prostituierte, ins Wort. „Ich glaube nicht, dass Paulus es so gemeint hat. Mit einem rechthaberischen Glauben hat das nichts zu tun. Sonst wären wir darauf stolz wie die anderen auf ihr Geld. Wo wäre da noch ein Unterschied? Nein, ich denke, der entscheidende Satz im Brief des Paulus heißt: „Durch Jesus Christus können wir vor Gott bestehen. Durch ihn hat Gott uns zu seinem Volk gemacht.” Nicht darauf kommt es an, was wir haben und denken, sondern darauf, was er für uns ist. Christus räumt weg, was uns von Gott trennt. Er macht dich zu seinem Bruder und mich zu seiner Schwester, einfach so, und nur deshalb bist auch du ein Sohn und ich eine Tochter Gottes.”
„Einfach so?”, Philemon schaut etwas skeptisch, „Ist das wirklich so einfach?” „Ja, so einfach ist das”, sagt Helena „und doch so schwer anzunehmen.” „Ja aber dann hab ich doch gar keinen Vorteil davon, dass ich Christ bin. Dann können die Reichen, die Gebildeten und Mächtigen auch Christen sein.”
Helena denkt kurz nach: „So ist es. Alle können Kinder Gottes sein, denn für alle ist Jesus am Kreuz gestorben. Aber vielen steht im Weg, was sie erreicht und erworben haben. Sie möchten, dass das zählt, was sie von anderen unterscheidet und worauf sie stolz sind, ihre Bildung, ihr Geld, ihre Karriere. Sie möchten auch vor Gott besser sein als andere sind und noch im Himmel ihre Privilegien haben. Aber wenn sie sterben, müssen sie alles hergeben, was sie jemals erreicht haben, nicht nur das Geld und die Macht, auch die Bildung, ihr Wissen und die Kultur. Dann stehen wir alle nackt vor Jesus Christus, der die Lebenden und die Toten richtet. Doch er wird uns nicht bestrafen für das, was wir unserem Leben falsch gemacht haben. Er wird uns das Kleid der Gerechtigkeit anziehen, sein Kleid, und uns so zu Gott führen.” Helena, die bei den letzten Sätzen aufgestanden ist, setzt sich wieder. Philemon ist anzusehen, wie er nachdenkt. Eumaios runzelt die Stirn: „Ob das wirklich so einfach ist?” Chloe freut sich und Barbara stimmt ein Lied an, in das nach und nach alle einfallen:
Jesus lässt mich nicht im Stich.
Ja, darauf verlass ich mich.
Das eine weiß ich ganz bestimmt,
dass er mich in die Arme nimmt.
Er fragt nicht, was ich habe,
er selbst ist meine Gabe.
Das Christentum riecht
Ja, liebe Gemeinde, nun ist es Zeit, von Korinth Abschied zu nehmen und nach Sommersdorf / Thann zurückzukehren. Ich meine, es täte uns gut, wenn wir hier die Korinther nicht vergäßen und auch nicht die niedere Herkunft der ersten Christengemeinden. Seitdem riecht das Christentum immer auch ein wenig nach Schweiß und Fisch, nach armen Leuten also. Wir haben keinen Grund, uns dieser Herkunft zu schämen, aber allen Grund danach zu fragen, warum nicht mehr von ihnen in unserer Gemeinde zuhause sind. Und noch etwas müssen wir uns fragen: Stimmt das, was Helena gesagt hat? Ist es wirklich so einfach, dass bei Gott nichts auf unsere Erfolge, aber alles auf unseren Glauben an Jesus Christus ankommt? Ich überlasse es Ihnen / Euch, darauf die Antwort zu finden. Vielleicht wollt Ihr dazu diese Geschichte noch einmal nachlesen in Eurer Bibel, im ersten Brief an die Korinther im Kapitel eins. Doch merkwürdig ist es schon, wie widersprüchlich wir oft in unserem Herzen sind. Jeder möchte vor den anderen ein bisschen stolz sein können auf das, was er geschafft hat. Aber wohl keiner möchte wegen seines Geldes geliebt und wegen seiner Armut verachtet werden.
Ohne Fernseher zum Glück
Ich erinnere noch einmal an Günther Jauch, der sagte: „Das größte Problem ist, jemanden kennenzulernen, der mich nicht wegen meiner Popularität anhimmelt, sondern mich so mag wie ich privat bin, mit meinen Vorzügen, aber auch mit meinen Fehlern und Schwächen.” Sie wollen wissen, wie es mit ihm weiterging? Er ist am Tag nach dem Gespräch in der Evangelischen Studentengemeinde Vater geworden, weil er eine Frau gefunden hatte, die keinen Fernseher besaß. Amen
Predigttext 1. Korinther Kapitel 1 Verse 26-31 / Stilles Gebet
Liebe Gemeinde,
als ich noch in München Pfarrer war, hatten wir öfter Prominente in unserer Studentengemeinde zu Gast. Ich fragte sie dann nach ihrem Leben und auch nach ihrem Glauben. Einmal war der damals noch junge Günther Jauch bei uns. „Wie lebt es sich denn so als Prominenter?“ fragte ich ihn. „Das größte Problem ist”, sagte er, „jemanden kennenzulernen, der mich nicht wegen meiner Popularität anhimmelt, sondern mich so mag wie ich privat bin, mit meinen Vorzügen, aber auch mit meinen Fehlern und Schwächen.”
Was das mit unserem heutigen Predigttext zu tun hat, wird hoffentlich am Schluss der Predigt klar sein. Dann verrate ich auch, wie das Gespräch weiterging. Jetzt aber verreisen wir erst einmal durch Raum und Zeit, nach Süden in die griechische Hafenstadt Korinth zweitausend Jahre zurück in die Vergangenheit.
Dort ist es dem Apostel Paulus gelungen, Menschen für den Glauben an Jesus Christus zu gewinnen und eine erste kleine Gemeinde zu gründen. Viele sind es nicht, die sich für die neue Religion interessieren, kaum so viel, wie heute hier in den Gottesdienst gekommen sind. Und wer sich da von ihm hat gewinnen lassen, nun, das sind offenbar nicht die Trendsetter des Hellenismus, weder Schicki noch Micki, keine Yuppies und Grand Seigneurs, weder Manager noch Intellektuelle.
Fragwürdige Gestalten In der Lagerhalle
Antigone, die Frau des Fischhändlers, gehört dazu. Sie hat noch am meisten Renommee und einen Lagerraum. Da trifft sich die kleine Christenschar zu ihren Versammlungen. Und da riecht es eben nach Fisch. Und wenn die Zusammenkunft zu Ende ist, riechen alle genauso. Aber es stört sie nicht. Sie sind froh über diesen Raum, wo sie unbehelligt reden und singen können, Gottesdienst feiern und - was sehr wichtig ist - gemeinsam essen. Denn viele von ihnen werden nur dort richtig satt.
Telemach, zum Beispiel, der als junger Mann erblindete und sich nun als Bettler durchs Leben schlägt oder Barbara, eine Witwe ohne Angehörige. Dafür kann sich Telemach die Geschichten aufs Wort genau merken, die Paulus von Jesus erzählt hat, und trägt sie in den Gottesdiensten vor. Das ist sehr wichtig, denn das Neue Testament gibt es noch nicht. Und Barbara hat eine herrliche Stimme, mit der sie die Herzen selbst der hartgesottenen Matrosen rührt. Und mehr noch, sie dichtet ihre Lieder für den Gottesdienst selbst und erfindet wundersame Melodien.
Und Georgos, ein Alkoholiker aus dem Hafenviertel, gehört dazu. Er begleitet sie kunstvoll auf seiner Kitarra. Und es stimmt, auch Katharina und Helena, die im Bordell ihr Brot verdienen, kommen ab und zu dahin. Und Aristoteles, der nicht ganz richtig im Kopf ist, aber wenn er einem Kranken die Hände auflegt, geht es dem oft besser. Und Onesimos, ein entlaufener Sklave und Chloe, die wegen Diebstahl im Gefängnis war und die beten kann, dass es uns alle ergreift. Aber auch Quintus, ein römischer Feldwebel, der von seiner Frau getrennt lebt, ist Mitglied dieser kleinen Gemeinde und der Geldwechsler Apollos, von dem die Leute sagen, dass er betrüge. Aber unsere bescheidene Gemeindekasse ist bei ihm in guten Händen. Und dann noch Eumaios, der Schreiber, Philemon, der Maurer, Eugenia, die Waschfrau, Hermes, der Eilbote und noch ein Dutzend andere.
Bis auf wenige Ausnahmen stammen die meisten aus der Unterschicht. Das wird für sie bald zu einem Problem. Besser gestellte Leute meiden die kleine Christengemeinde. Mit solchen Proleten, mit solch moralisch fragwürdigen Figuren und Versagern wollen sie sich nicht gemein machen, auch nicht im Gottesdienst. Deshalb wird Eumaios beauftragt, dem Gemeindegründer Paulus einen Brief nach Jerusalem zu schreiben, wo der Apostel zwischen seinen Missionsreisen immer wieder mal verweilt.
Krisenstimmung - Der Brief des Eumaios
»Freude zuvor! Wir danken Gott, lieber Paulus, dass er dich nach Korinth geschickt hatte und du uns das Evangelium von Jesus Christus verkündigt hast.
Heute brauchen wir Deinen Rat. Es gelingt uns kaum noch, neue Leute für unsere Gemeinde und den Glauben an unseren Herrn Christus zu gewinnen. Viele lachen uns aus, wenn wir sagen, dass er für uns der Gottessohn ist und dass er gekreuzigt wurde. „Gottessöhne“, so sagen sie, „mag es ja geben. Aber dass die römischen Diktatoren einen Gottessohn kreuzigen können, so etwas hat man noch nie gehört“. Und neulich hat einer gesagt: „Was ist das bloß für ein seltsamer Gott, der so etwas mit seinem Sohn geschehen lässt?!" Andere verspotten uns und sagen: "Ausgerechnet Ihr wollt die Auserwählten Gottes sein? Solche armen Schlucker wie ihr können doch nur einen ärmlichen Gott haben. Ihr habt einfach keine Ahnung, sonst würdet ihr nicht auf so eine komische Religion hereinfallen."
Paulus, uns tut das weh. Haben diese Leute, die gebildeter sind als wir, am Ende vielleicht recht? Will denn Gott wirklich mit Menschen wie uns sein Reich bauen? Bei uns herrscht Krisenstimmung. Schreibe uns bitte bald, was Du dazu meinst?
Sei gesegnet! Es grüßen Dich Deine Glaubensgeschwister aus Korinth«
Zwei Monate später bringt Hermes, der Eilbote, die Antwort in die Lagerhalle des Fischhändlers. Es ist der erste Brief, den Paulus an die Gemeinde in Korinth schreibt. Deshalb sind alle begierig zu hören, was wohl drin steht. Als Eumaios zu lesen beginnt, wird es ganz still:
Niemand soll auftrumpfen - Die Antwort des Paulus
»Paulus, von Gott berufen zum Apostel Jesu Christi, an die Gemeinde Gottes in Korinth. Ich grüße alle, die durch Jesus Christus zu Gottes Volk berufen sind und bitte Gott, unseren Vater, und den Herrn Jesus Christus, euch Gnade zu geben und Frieden.
Ja, liebe Korinther, an dem, was die Leute über euch sagen, ist schon was dran. Schaut doch euch selbst an, meine Glaubensgeschwister! Wen hat Gott denn da berufen? Kaum einer von Euch ist gebildet oder mächtig oder angesehen. Gott hat sich vielmehr die Einfältigen ausgesucht, weil er die Klugen demütigen wollte. Er hat sich die Machtlosen ausgesucht, weil er die Mächtigen demütigen wollte. Er hat sich die Geringen und Verachteten ausgesucht, die nichts gelten, denn er wollte die zu nichts machen, die vor den Menschen etwas sind. Niemand soll vor ihm mit irgend etwas auftrumpfen können.
Euch aber hat Gott zur Gemeinschaft mit Jesus Christus berufen. Der ist unsere Weisheit, die von Gott kommt. Durch ihn können wir vor Gott bestehen. Durch ihn hat Gott uns zu seinem Volk gemacht und von unserer Schuld befreit. Es soll so sein, wie es schon in den heiligen Schriften heißt: "Wer auf etwas stolz sein will, soll stolz sein auf das, was der Herr getan hat."
Steht fest im Glauben! Ich bitte unseren gemeinsamen Herrn Jesus Christus, Euch auch in Zukunft Gnade zu schenken. Durch ihn sind wir miteinander verbunden. Meine Liebe gilt euch allen! Euer Paulus«
Das Evangelium der Prostituierten Helena
Eumaios rollt den Brief wieder sorgfältig zusammen. Da ruft Philemon, der Maurer, in die Stille: „Recht hat Paulus. Diese hochnäsige, feine Gesellschaft, die sich wer weiß was einbildet auf ihre Bildung, ihre Stellung, ihr Geld - die gelten nichts vor Gott. Endlich ist es einmal umgekehrt. Endlich sind wir die Ersten, die man uns immer wie den letzten Dreck behandelt. Wir haben eben den rechten Glauben und die nicht!”
Einige nicken „Halt, Philemon”, fällt ihm ausgerechnet Helena, die Prostituierte, ins Wort. „Ich glaube nicht, dass Paulus es so gemeint hat. Mit einem rechthaberischen Glauben hat das nichts zu tun. Sonst wären wir darauf stolz wie die anderen auf ihr Geld. Wo wäre da noch ein Unterschied? Nein, ich denke, der entscheidende Satz im Brief des Paulus heißt: „Durch Jesus Christus können wir vor Gott bestehen. Durch ihn hat Gott uns zu seinem Volk gemacht.” Nicht darauf kommt es an, was wir haben und denken, sondern darauf, was er für uns ist. Christus räumt weg, was uns von Gott trennt. Er macht dich zu seinem Bruder und mich zu seiner Schwester, einfach so, und nur deshalb bist auch du ein Sohn und ich eine Tochter Gottes.”
„Einfach so?”, Philemon schaut etwas skeptisch, „Ist das wirklich so einfach?” „Ja, so einfach ist das”, sagt Helena „und doch so schwer anzunehmen.” „Ja aber dann hab ich doch gar keinen Vorteil davon, dass ich Christ bin. Dann können die Reichen, die Gebildeten und Mächtigen auch Christen sein.”
Helena denkt kurz nach: „So ist es. Alle können Kinder Gottes sein, denn für alle ist Jesus am Kreuz gestorben. Aber vielen steht im Weg, was sie erreicht und erworben haben. Sie möchten, dass das zählt, was sie von anderen unterscheidet und worauf sie stolz sind, ihre Bildung, ihr Geld, ihre Karriere. Sie möchten auch vor Gott besser sein als andere sind und noch im Himmel ihre Privilegien haben. Aber wenn sie sterben, müssen sie alles hergeben, was sie jemals erreicht haben, nicht nur das Geld und die Macht, auch die Bildung, ihr Wissen und die Kultur. Dann stehen wir alle nackt vor Jesus Christus, der die Lebenden und die Toten richtet. Doch er wird uns nicht bestrafen für das, was wir unserem Leben falsch gemacht haben. Er wird uns das Kleid der Gerechtigkeit anziehen, sein Kleid, und uns so zu Gott führen.” Helena, die bei den letzten Sätzen aufgestanden ist, setzt sich wieder. Philemon ist anzusehen, wie er nachdenkt. Eumaios runzelt die Stirn: „Ob das wirklich so einfach ist?” Chloe freut sich und Barbara stimmt ein Lied an, in das nach und nach alle einfallen:
Jesus lässt mich nicht im Stich.
Ja, darauf verlass ich mich.
Das eine weiß ich ganz bestimmt,
dass er mich in die Arme nimmt.
Er fragt nicht, was ich habe,
er selbst ist meine Gabe.
Das Christentum riecht
Ja, liebe Gemeinde, nun ist es Zeit, von Korinth Abschied zu nehmen und nach Sommersdorf / Thann zurückzukehren. Ich meine, es täte uns gut, wenn wir hier die Korinther nicht vergäßen und auch nicht die niedere Herkunft der ersten Christengemeinden. Seitdem riecht das Christentum immer auch ein wenig nach Schweiß und Fisch, nach armen Leuten also. Wir haben keinen Grund, uns dieser Herkunft zu schämen, aber allen Grund danach zu fragen, warum nicht mehr von ihnen in unserer Gemeinde zuhause sind. Und noch etwas müssen wir uns fragen: Stimmt das, was Helena gesagt hat? Ist es wirklich so einfach, dass bei Gott nichts auf unsere Erfolge, aber alles auf unseren Glauben an Jesus Christus ankommt? Ich überlasse es Ihnen / Euch, darauf die Antwort zu finden. Vielleicht wollt Ihr dazu diese Geschichte noch einmal nachlesen in Eurer Bibel, im ersten Brief an die Korinther im Kapitel eins. Doch merkwürdig ist es schon, wie widersprüchlich wir oft in unserem Herzen sind. Jeder möchte vor den anderen ein bisschen stolz sein können auf das, was er geschafft hat. Aber wohl keiner möchte wegen seines Geldes geliebt und wegen seiner Armut verachtet werden.
Ohne Fernseher zum Glück
Ich erinnere noch einmal an Günther Jauch, der sagte: „Das größte Problem ist, jemanden kennenzulernen, der mich nicht wegen meiner Popularität anhimmelt, sondern mich so mag wie ich privat bin, mit meinen Vorzügen, aber auch mit meinen Fehlern und Schwächen.” Sie wollen wissen, wie es mit ihm weiterging? Er ist am Tag nach dem Gespräch in der Evangelischen Studentengemeinde Vater geworden, weil er eine Frau gefunden hatte, die keinen Fernseher besaß. Amen
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