Liebe Freunde,
ich beginne mit zwei
Rätseln. Das erste hat meine Tochter aus der Grundschule mitgebracht: „Wo
wohnen die Katzen? … Antwort: Im Miez-Haus (Mietshaus). Okay, das war nun nicht
gerade geistreich.
Das zweite Rätsel ist etwas
anspruchsvoller und hat mit dem Thema unseres Gottesdienstes „Dein ist die
Herrlichkeit" zu tun:
Wer kennt diese Gemeinde?
Sie befindet sich in unserem Landkreis. Wenn Sie Gottesdienst feiert, kommt
etwa ein Viertel von denen, die eingeladen sind. Das ist im Verhältnis zu
anderen Gottesdiensten ein sehr guter Wert. Zu ihr gehören Männer jeglichen
Alters und aus verschiedenen Ländern. Sie haben verschiedene Bekenntnisse und
manche sind konfessionslos. Beim Friedensgruß des Abendmahls kommt es vor, dass
einer auf den anderen zugeht, ihm die Hand gibt und sagt: „Entschuldigung, ich
hab mich blöd benommen. Tut mir leid!" Alle kommen freiwillig zum Gottesdienst
und doch ist keiner gern in dieser Gemeinde. …
Mir hat vorgestern der
katholische Gefängnisseelsorger von dieser Gemeinde erzählt. Und er tat das mit
viel Sympathie für diejenigen, die dazu gehören. Denn in dieser Gemeinde von
Betrügern, Dieben, Gewaltverbrechern, vielleicht auch Totschlägern, in diesen
Kriminellen, die da miteinander Gottesdienst feiern, verherrlicht sich Gott. Er
verherrlicht sich in den Liedern, die sie ihm singen, in den Gebeten, mit denen
sie zu ihm kommen, in dem kümmerlichen Glauben, den der eine oder andere nach
langer Zeit aus dem hintersten Winkel seines Herzens kratzt.
In all dem spiegelt sich
Gottes Majestät und Pracht. Und damit zeigt er mir, dass ich keinen einzigen
von ihnen dort in der Brauhausstraße in Ansbach abschreiben darf, weil er es
auch nicht tut. Sie sind genauso seine Söhne wie ich einer bin. Er gibt ihnen
die gleiche Würde wie mir. Und er gibt ihnen jeden Tag eine neue Chance, wie er
auch mir immer wieder eine neue Chance gibt.
Was meint ihr? Stimmt das,
was ich sage? Verherrlicht sich Gott wirklich in solchen Menschen? Vielleicht
habt ihr nach der Predigt eine Antwort auf diese Frage.
Wie oft haben wir nicht
schon am Schluss des Vaterunsers gebetet „Denn dein ist die Herrlichkeit."
Was könnte denn dieser Satz bedeuten? Wo scheint Gottes Herrlichkeit auf? Im
Himmel oder auch auf der Erde? In der Ewigkeit oder auch hier in unserer Zeit?
Ich meine, viele suchen seine Herrlichkeit dort, wo sie auch die Weisen aus dem
Morgenland bzw. die Heiligen Drei Könige gesucht haben, dort, wo Menschen sich
verherrlichen.
Ich denke da zum Beispiel an
die Königspaläste damals wie heute. Nicht umsonst sitzen Millionen von Menschen
in aller Welt vor dem Fernseher, wenn ein Prinz und eine Prinzessin heiraten.
Und die Zeitschriften, die vom Luxusleben der Prominenten berichten, haben bei
uns eine hohe Auflage. Aber die Heiligen Drei Könige haben Gottes Herrlichkeit
nicht im Palast des Königs Herodes in Jerusalem gefunden und auch nicht im
Tempel der Hauptstadt, sondern in einem Stall in der kleinen Stadt Bethlehem,
genauer, in einer Futterkrippe. Und ich glaube, dass auch wir seine
Herrlichkeit nicht in den Palästen unserer Zeit finden, auch nicht in den Wolkenkratzern
der Banken, auch nicht in den Zentralen großer Konzerne.
Und ich glaube, dass du
Gottes Herrlichkeit auch nicht in den Domen und Kathedralen und prächtigen
Kirchen unseres Landes findest, sondern da, wo du gerade bist. Hier zum
Beispiel. Oder nachher Zuhause. Oder morgen auf der Arbeit.
Es gibt mir zu denken, dass
Gott sich weder in einem Bischof noch in einem Theologieprofessor noch in einem
Pfarrer verherrlicht hat, sondern in dem armen Wanderprediger Jesus aus
Nazareth. Und in einer Gruppe aus Fischern und kleinen Leuten, die er dazu
bestimmt hat, seine Apostel zu sein. Und je länger ich darüber nachdenke, desto
mehr bin ich davon überzeugt, dass Gottes Herrlichkeit dort aufscheint, wo wir
Menschen nur noch schwarzes Elend sehen, so wie es der Kehrvers aus dem Lied (The
Lost Are Found) beschreibt, dass wir soeben gesungen haben:
„Verlor‘n-gesucht.
Blind und geheilt.
Gelähmt – gesund.
Von Schuld befreit.“
Blind und geheilt.
Gelähmt – gesund.
Von Schuld befreit.“
Am hellsten aber strahlt sie
dort, wo es niemand vermutet, in Jesus, der wehrlos am Kreuz hängt und stirbt. In
dem Bibelwort aus dem Johannesevangelium, das meine Frau vor der Predigt
vorgelesen hat, sagt er: "Vater, die Stunde ist gekommen! … Ich habe hier
auf der Erde den Menschen gezeigt, wie herrlich du bist. Ich habe deinen
Auftrag erfüllt …“ Und wenig später sagt der sterbende Jesus am Kreuz „Es ist
vollbracht."
Gott verherrlicht sich in
der Liebe seines Sohnes Jesus zu den Menschen, die seine Liebe besonders nötig
haben. Und das sind nicht in erster Linie die Berühmten, die Reichen, die
Mächtigen, die Schönen, die Erfolgreichen, sondern Menschen wie du und ich mit
ihren Fehlern und Schwächen und solche, die im Gefängnis in Ansbach sitzen. Für
sie, für uns hat Jesus am Kreuz ausgehalten bis zum bitteren Ende und alles auf
sich genommen, was uns von Gott trennt, damit die Liebe stärker ist als alle
Schuld und alles Leid und auch der Tod. So hat Gott sich in der Liebe seines
Sohnes zu uns verherrlicht und ihn damit gekrönt, dass er ihn von den Toten auferweckt
hat.
Das mag für uns nicht
einfach zu verstehen sein. Aber nun geht es erst richtig los. Gott verherrlicht
sich ja auch in deinem und in meinem Leben oder, wie Paulus schreibt, Christus
wird an meinem Leib verherrlicht es sei durch Leben oder Tod.
In meiner Not verherrlicht
Gott sich durch die Hilfe, mit der er meine Not wendet: Ich erleide zum
Beispiel einen schweren Verkehrsunfall und komme wie durch ein Wunder davon.
Aber was heißt schon „wie durch“. Ich komme durch sein Wunder davon. So verherrlicht sich Gott. Oder du kannst nach
längerer Krankheit das Krankenhaus verlassen und zum ersten Mal wieder die
"normale" Welt sehen, die Geschäftigkeit der Menschen auf den
Straßen, den Wind in den Bäumen, den Glanz der Sonne in den Regenpfützen. Dann
atmest du tief und befreit durch und spürst etwas von Gottes Herrlichkeit. Vielleicht
kann man es auch so sagen: Erst wenn uns etwas fehlt an Kraft, Gesundheit, Glück,
Zuversicht merken wir, wie Gott unseren Mangel behebt. Ja, er verherrlicht sich
in deinem und meinem Leben. Ich muss dazu nur etwas weiter vorausschauen, über
die Probleme hinaus, die mich im Augenblick bedrängen.
Vielleicht bist du gerade
krank und machst dir große Sorgen, wie es mit dir weitergehen soll. Dann lass
dich von deiner Krankheit nicht überwältigen, sondern bete: „Vater, dein ist die Herrlichkeit. So
verherrliche dich darin, dass ich bald wieder gesund bin." Oder du
lebst gerade im Streit mit deinem Partner oder Bruder oder Nachbarn. Dann bete:
„Vater, dein ist die Herrlichkeit. So
verherrliche Dich darin, dass wir uns bald die Hand zur Versöhnung geben."
Oder du lebst in Trauer um einen lieben Menschen, dann bete: „Vater, dein ist die Herrlichkeit. So
verherrliche Dich darin, dass ich den Verstorbenen dankbar erinnern kann und
wieder frei werde für das Leben, das du mir noch geben willst.“ Sieh dich
jetzt schon vor deinem inneren Auge als die Person, die du durch seine Hilfe
sein wirst: geheilt oder versöhnt oder zufrieden.
Als der
Fußballnationalspieler Cacau verletzt im Krankenhaus lag, sah er sich mit
Gottes Hilfe wieder Tore schießen. Gestern hat er wieder getroffen und -
gedankt. Solange wir nur unsere Misere bejammern, gibt es keine Fortschritte.
Sobald wir aber auf Gottes Kraft und Herrlichkeit schauen, auf das Gute, das er
für uns noch „auf Lager hat“, beginnt der Heilungsprozess.
Die Schwierigkeiten, mit
denen du gerade zu kämpfen hast, das Leid, das du vielleicht gerade erlebst,
die Sorgen, die du dir gerade machst, – sie sind nicht alles. Sie sind eine
Vorstufe zu dem, was Gott daraus machen wird. Sie sind für ihn der Anlass, sich
mit seiner Hilfe in deinem Leben zu verherrlichen. Ich denke an Hiob, von dem
die Bibel erzählt. Dieser Mann hat unsägliches Leid erlebt, sodass seine Frau
verbittert zu ihm sagte: „Sage Gott ab und stirb!“ Doch er hat über sein Elend hinausgeblickt
und gesagt: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über
dem Staub sich erheben. Und geht es mir auch noch so schlecht, so werde ich
doch Gott sehen. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.“
Ein Kollege, den ich
schätze, sagte einmal: Wenn es mir schlecht geht, nehme ich mir eine kurze
Auszeit. Ich suche einen Platz, wo ich ungestört bin. Dort mache ich mir
bewusst, dass ich nicht allein damit fertig werden muss, sondern Gott mein
Problem kennt und mir heraushelfen wird. Ich stelle mir dann so genau wie möglich
vor, wie ich mich fühle, wenn die augenblicklichen Schwierigkeiten behoben sein
werden und es mir wieder gut geht. Dann sehe ich schon einen ersten Silberstreif
am Horizont, obwohl die Gegenwart noch finster ausschaut.
In der Bibel sagt es einer
so: „Was ist mein Herz so schwer? Ich werde Gott schon noch danken für die Hilfe,
die er mir geben wird.“ (Psalm 42)
Und du? Im Grunde deines
Herzens weißt du selbst, dass sich deine unlösbar scheinenden Probleme einmal wieder
auflösen werden. Klammere dich nicht an sie, sondern gib sie ab. Gib sie Gott. Sie
sind eine Gelegenheit für ihn, sich zu verherrlichen als der, der dir hilft. Du
weißt ja, er hat dir nicht zum ersten Mal geholfen und wird es auch nicht zum
letzten Mal tun. Und wenn schon die Gemeinde im Ansbacher Gefängnis ihn lobt
und preist, dann kannst auch du mit uns sagen: „Vater, dein ist die Kraft und
die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen“
Hans Löhr
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