Liebe Freunde,
12. September 2014. Eine Musikgruppe der australischen
Hillsong-Gemeinde gibt in Stuttgart in der Porsche Arena ein Konzert. Die Ränge
der großen Halle sind dicht besetzt. In der Mitte der Arena stehen sie dicht an
dicht – fast nur junge Leute zwischen 14 und 24. Das Licht geht aus, Schlagzeug,
Gitarre und Bass setzen ein und nach ein paar Takten sind eine junge Frau: »Ich
sehe den König der Ehren, er kommt auf den Wolken mit Feuer, die ganze Welt
bebt: Ich sehe seine Liebe und Gnade, die meine Sünden wegwischt und die
Menschen singen ‚Hosianna, Hosianna, Hosianna in der Höhe.« Und Tausende und
mehr in der Halle singen mit ihr „Hosianna in der Höhe“. [YouTube-Video „Hillsong
– Hosanna“ einspielen: Von 00:12 bis 01:50 laut. Dann leise bis 03:10]
Ein 14jähriger vor dem Grammophon
Ich war damals in Stuttgart vielleicht der älteste
Konzertbesucher. Und trotzdem ging mir dieser Augenblick unter die Haut. Ich
dachte an die Anfänge der Beat- und Rockmusik, die ich vor über 50 Jahren
miterlebt hatte, wenn auch nur am Radio oder vor meinem Plattenspieler, einem Koffergrammophon,
auf dem ich meine Singles abgespielt habe. Singles damals waren keine Menschen
ohne Partner, sondern schwarze Scheiben aus Vinyl mit einem Loch in der Mitte
und einem Song auf jeder Seite zum Preis von 4,50 DM Taschengeld. Inzwischen muss man das wohl erklären. Der Sound war jämmerlich. Doch vor dem Plattenspieler
saß ein 14, 15-jähriger Hans und hat bei „I want to hold your hand“, bei „Pretty
Woman“ und „Satisfaction“ alles vergessen, was in diesem Alter einem das Leben
sauer machen kann: Hausaufgaben, Lehrer, Noten, Eltern.
Daran dachte ich in Stuttgart und an die großen Konzerte der Rolling Stones,
die ich später in Fußballstadien besucht hatte, an Neil Young und Bob Dylan und
wie sie alle heißen.
Mein Gott, wie weit weg von dir schien mir das damals zu sein, mein Gott. Und nun, in Stuttgart, tausende junge Menschen,
die sich eine christliche Rockband aus Australien anhören und ihre Texte mitsingen: 'Hosanna, Hosianna in der Höhe!'.
Ehrlich gesagt, ich habe in diesem Moment ein
Tempotaschentuch gebraucht und mir verstohlen das Wasser aus den Augen getupft.
Die Rockmusik, die damals von den Eltern, Lehrern und Pfarrern so verteufelt
wurde – und die ich gerade deshalb umso mehr liebte – die dient nun als
Transportmittel, um die Glaubensbotschaft unter die Menschen zu bringen. Nicht
nur seit Kurzem, inzwischen schon viele Jahre. Auch unsere Lichtblick-Band tut
das. Und zu meinem Erstaunen sind es hier nicht nur die ganz Jungen, sondern
auch die nicht mehr so ganz Jungen, von denen einer 91 Jahre ist. Und wenn ich die
Älteren hier frage: Was gefällt euch am Lichtblick? Dann sagen viele: Die
Musik.
Liebe Freunde, damals vor einem Vierteljahr in
Stuttgart ist mir wieder mal klar geworden, dass Gott Sachen tun kann, die man für unmöglich hält.
Gottes Antwort
Hosianna heißt auf Deutsch: „Hilf doch!“ Damals wie
heute sehnten sich Menschen danach, dass Gott ihnen helfen möge. Ich denke,
jeder hier war schon in der Lage, wo er um Hilfe gebetet hatte. Oft beten wir
so, wenn wir nicht mehr weiter wissen: „Hosianna – hilf doch!“ Und Gott
antwortet auf alle diese Hilferufe, indem er es hat Advent werden lassen. Nein,
das war keine clevere Geschäftsidee für die Kaufleute und Händler von heute.
Das war die geniale Idee schlechthin. Denn da schickte Gott seinen Engel zu einem
vielleicht 15-jährigen Mädchen namens Maria und ließ ihr sagen: „Du wirst einen
Sohn bekommen und sollst ihn Jesus nennen!“ Jesus? Jesus! Das ist Gottes
Antwort auf die zahllosen Hilferufe. Jesus? Warum Jesus? Weiß es jemand? Weil
dieser Name auf Deutsch heißt „Gott hilft!“ Das ist mehr als ein vages
Versprechen. Das ist eine deutliche Zusage. 'Jesus!', das ist Gottes Projekt hier
bei uns auf der Erde.
Zurück in die Porsche-Arena von Stuttgart. Tausende
sangen: „Hosianna, hilf doch!“ Und die Botschaft des Konzerts war dieselbe wie
die eines jeden christlichen Gottesdienstes. Sie besteht aus nur einem einzigen
Wort und heißt ‚Jesus!‘, auf Deutsch: ‚Gott hilft!‘ Das ist die gute Botschaft.
Das ist das Evangelium. Dafür sind wir hier dar, die Mitglieder der Band, der
Technik, Raimund der Parkplatzeinweiser genauso wie die Frauen an der
Kaffeemaschine und die Dietrichs am Büchertisch und Christa, die am Samstag mithilft,
die Stühle hier aufzustellen und alle, die dann wieder beim Aufräumen helfen.
Wir alle sind dazu da, ein jeder mit seiner Aufgabe, euch diese Botschaft zu
sagen: ‚Gott hilft!‘ Du bist unglücklich in deiner Ehe? ‚Jesus!‘ - auf Deutsch: ‚Gott hilft!‘. Du machst dir
Sorgen um dein Kind? ‚Jesus!‘ auf Deutsch: ‚Gott hilft!‘. Du bist krank
und möchtest gesund werden? ‚Jesus!‘. Das ist, - er ist Gottes Antwort.
Ein schlichter Glaube
Aber ist das nicht alles ein bisschen arg schlicht und
einfach? Ja, so ist es. Der Glaube ist nicht kompliziert. Auch schlichte
Gemüter, auch einfältige Menschen, auch Kinder sollen glauben können.
Diejenigen, die damals Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem mit diesem Ruf „Hosianna“
begrüßt haben, wir haben es vorhin in der Lesung (Matthäus 21,1-11) gehört, und die ihn bis in den
Tempel nachgelaufen sind und dabei immer weiter gerufen haben, waren zu einem
großen Teil Kinder. Darüber haben sich damals die Pfarrer, Bischöfe, Theologieprofessoren
und Priester mächtig aufgeregt.
‚Jesus!‘ oder ‚Gott hilft!‘ – Diese Botschaft, dieses
Evangelium können auch die behinderten Kinder in den Förderschulen in Herrieden
verstehen, in der Strobel-Schule und in der Wolfhard-Schule, wo unsere beiden
Kirchenvorsteherinnen Johanna und Angela arbeiten. Warum nur wollen wir es komplizierter
haben, wenn es doch auch einfach geht? Aber das ist ein anderes Thema.
Kürzlich habe ich im Krankenhaus einen ehemaligen
Oberkirchenrat besucht. Vor 15 Jahren hatte er es verhindert, dass meine Frau
und ich als Pfarrerehepaar in seinen Kirchenkreis gekommen sind. Er meinte,
dass ich da zu viel Unruhe hineintragen würde. Na dann haben wir eben die
Unruhe hierher gebracht, nach Sommersdorf, Burgoberbach und Thann. Ich sagte zu
ihm: „Wissen Sie, damals haben Sie mich ziemlich verletzt. Aber jetzt kann ich
sagen, Sie haben uns unbeabsichtigt einen Gefallen getan. Sonst wären wir jetzt
nicht schon über 13 Jahre so gern in unserer Pfarrei. Ich denke, dass Gott da
seine Hand im Spiel gehabt hat. Ich habe nämlich einen schlichten Glauben.“ Und
darauf sagte der kranke Oberkirchenrat: „Ich auch.“ Und dann haben wir uns noch
gut unterhalten, haben gebetet und uns zum Abschied die Hand zur Versöhnung gegeben. Ja, ich
habe einen schlichten Glauben, und der Oberkirchenrat hat ihn, und einen
solchen wünsche ich euch auch.
‚Hosianna, hilf doch!‘ - ‚Jesus, Gott hilft!‘ Was soll man da noch grübeln
und problematisieren? Ich finde, es ist einfach nur schön, in einem solchen
schlichten Glauben durch gute und schlechte Zeiten zu gehen, geborgen im
Vertrauen auf den Vater im Himmel.
Hilft denn Gott wirklich?
Aber hilft denn Gott wirklich? Hilft er immer? Haben
nicht schon viele Menschen für einen Kranken gebetet: ‚Hosianna – hilf doch!‘
Und dann ist er doch nicht mehr gesund geworden?
Ja, so ist es. Der Preis dafür, dass du leben darfst,
ist irgendwann der Tod. Vielleicht bald schon, vielleicht in den nächsten
Monaten, vielleicht erst in Jahrzehnten. Aber irgendwann musst du sterben, auch
wenn du noch so oft ‚Hosianna, hilf doch!‘ betest. Gilt dann noch die Zusage ‚Jesus!, Gott hilft!‘?
Liebe Freunde, vielleicht müssen wir zwar nicht
komplizierter, aber größer, umfassender denken und glauben. Gott ist doch nicht
nur für einzelne Ereignisse wie Krankheiten, Enttäuschungen und Sorgen zuständig,
sondern auch für das große Ganze.
‚Jesus!, Gott hilft!‘ – Das gilt im Leben und im
Sterben. Wir haben doch nicht so einen kleinen Glücksgott, der wie ein Talisman
bei Prüfungen helfen soll. Unser Gott ist der König der Welt, der Schöpfer von
Himmel und Erde, der Herr über Leben und Tod. An seinem Sohn ist deutlich geworden,
was der Name ‚Jesus!‘ wirklich bedeutet. Kurz vor seiner Gefangennahme und
Hinrichtung hat Jesus im Garten Gethsemane noch für sich gebetet: „Hosianna, hilf
doch!“ – und hat dennoch am Kreuz sterben müssen und hat in den Händen seines himmlischen
Vaters sein Leben ausgehaucht und ist in seinen Armen wieder aufgewacht und auferstanden zum Leben in
Herrlichkeit.
Gott hilft auch dann noch, wenn wir davon nichts mehr
mitkriegen und darum vielleicht nicht mehr glauben. Seine Hilfe ist umfassend,
denn er kennt das Ganze, er ist das A und das O, der Erste und der Letzte, der
Anfang und das Ende. Wer an ihn glaubt, der bleibt in seiner Liebe, der bleibt
in seinen helfenden Händen, was auch immer geschieht.
Ob bei jenem Konzert in Stuttgart junge Leute von
diesem Glauben ergriffen worden sind? Ich weiß es nicht. Gott verkündigt
sein Evangelium auch durch Rockkonzerte und verändert das Leben von Menschen
für immer.
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