Mittwoch, 24. Dezember 2014

Der Geruch von Weihnachten (Predigt) hl

Christvesper 2014 in Thann und Sommersdorf. Predigt von Hans Löhr
Predigttext: Philipper 2,6-9

Pfarrer schiebt eine Schubkarre mit frischem Kuhmist durch den Mittelgang der Kirche und stellt ihn vorne bei der ersten Bankreihe ab

Was für ein Glück, liebe Freunde, dass es damals in Bethlehem nach Stallmist gestunken hat! Stellt euch vor, beim ersten Weihnachten, hätte es nach Rosenwasser geduftet und nach den wohlriechenden Essenzen Arabiens. Das wäre ein untrügliches Zeichen dafür gewesen, dass Gott seinen Sohn Jesus in einem Palast hätte zur Welt kommen lassen. Dann wäre er für die oberen Zehntausend geboren. Dann hätten die wieder mal gewonnen, und ihr und ich und vor allem die vielen Armen auf der Erde hätten wieder mal verloren. Aber so ist Jesus zu denen gekommen, die ganz unten sind, die unter Brücken schlafen oder in Ställen übernachten, und da stinkt es nun mal nach Kuhmist und Eseldung. Das, liebe Freunde, ist der wahre Geruch von Weihnachten.

Ein anderer Plan

Wenn es damals nach Maria und Josef gegangen wäre, hätten die beiden in einem ordentlichen Gasthaus übernachtet und nicht in einem Stall. Aber es ist nicht nach ihnen gegangen. Da war ein anderer, der hatte einen anderen Plan. Der sagte zu seinem Sohn: „Du weißt, wenn du auf die Erde kommst um Mensch zu werden, dass du dann ganz nach unten musst. Ganz unten wirst du geboren und ganz unten musst du sterben. Willst du das?“ Und Jesus sagte: „Ja, Vater, ich will. Mir tun die Menschen leid, die selber ganz unten sind. Die mit sich selbst und anderen nicht zurechtkommen. Die sich gegenseitig das Leben schwer machen. Sie werde ich retten mit deiner Liebe, Vater, und mit meinem Leben.“
Im Bibelwort, das dieser Predigt zugrunde liegt, heißt es dazu: Jesus Christus war in allem Gott gleich, und doch hielt er nicht gierig daran fest, so wie Gott zu sein. Er gab alle seine Vorrechte auf und wurde einem Sklaven gleich. Er wurde als Mensch in dieser Welt geboren und teilte das Leben der Menschen.
Er war Gott gehorsam und erniedrigte er sich so tief, dass er sogar den Tod am Kreuzgalgen auf sich nahm. Darum hat Gott ihn auch erhöht und ihm den Rang und Namen verliehen, der ihn hoch über alle stellt.
(Philipper 2,6-9)
Was für ein Glück, liebe Freunde, dass es an Weihnachten nach Stallmist stinkt, dass Jesus Christus nach ganz unten kommt, damit er auch dich und mich erreicht, wenn wir ganz unten, wenn wir am Ende sind: finanziell oder in der Partnerschaft, gesundheitlich oder mit unserer seelischen Kraft. ‚Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand‘ heißt es. Das hat schon manchen davor bewahrt, sich nach einem Absturz auch noch das Leben zu nehmen. Ganz unten ist schon mancher dem barmherzigen Gott begegnet, dem er weiter oben noch aus dem Weg gegangen ist. Ganz unten ist er im Jesuskind zu uns gekommen, damit jeder, wirklich jeder eine neue Chance hat.

Joe Cocker: Wo die Adler schreien

Am Montag starb Joe Cocker an Lungenkrebs, der Rocksänger mit der Reibeisenstimme. Als junger Mann stieg er auf dem Woodstock-Festival wie eine Rakete in den Rock-Himmel auf, um gleich darauf in die Hölle der Drogensucht zu stürzen. Dass er überhaupt 70 Jahre werden konnte, hat er einem Engel zu verdanken, seiner Frau Pamela, die ihn vor vielen Jahren von seiner Sucht weggebracht hat. Nachdem er das Schlimmste überstanden hatte und es wieder aufwärts ging, sang er den Song: „Up where we belong“ auf Deutsch: „Oben, wo wir hingehören“ Und da heißt der Refrain: »Liebe hilft uns auf, hilft uns nach oben, wo wir hingehören, dort wo die Adler schreien auf dem Gipfel der Berge, weit weg von der Welt unten, oben wo die frischen Winde wehen.«
[2 Minuten des YouTube-Musikvideos (klick:) „Up Where We Belong“ werden eingespielt]
Ja, Liebe hilft denen, die unten sind, wieder auf; eine Liebe, die sich nicht scheut, auch dort hinzugehen, wo es schmutzig ist und stinkt. Gott ist diese Liebe. Seit dem Stall von Bethlehem damals kannst du dich darauf verlassen, dass er dir aufhilft, wenn du am Boden liegst und dich dorthin bringt, wo du hingehörst, wo die Adler schreien, oben auf den Höhen des Lebens. Up were we belong. Und er hat seine Menschen, die diesen Weg mitgehen zu denen ganz unten in Krankenhäusern und Gefängniszellen, in psychiatrischen Kliniken und Pflegeheimen, wo das Elend mit Händen zu greifen ist und das Herz empfindsamer sein muss als die Nase, um es dort auszuhalten.
Jetzt aber ist Joe Cocker dort, wo es nun wirklich nicht mehr tiefer geht, bei den Toten, zu denen auch wir einmal hinunter müssen, jeder zu seiner Zeit. Und da zeigt sich die eigentliche Kraft von Weihnachten, die Kraft der göttlichen Liebe, die in Jesus Mensch geworden ist. Er selbst hat alles auf sich genommen, Schmach und Folter, Sterben und Tod. Von ihm sagen wir im Glaubensbekenntnis: »Hinabgestiegen in das Reich des Todes.« Jetzt ist er ganz unten, ganz und gar. Gegen den Gestank des Todes dort riecht der Kuhmist hier geradezu angenehm. Tiefer geht es nicht mehr.
Aber schon im nächsten Satz unseres Bekenntnisses heißt es: »Auferstanden von den Toten.« Das, liebe Freunde, war der Plan, den Gott damals mit seinem Sohn Jesus hatte, dass er dich und mich auch dann noch rettet, wenn wir unter der Erde sind: ‚Stille Nacht, heilige Nacht – Christ der Retter ist da!‘

Das Wunder in der Atacama-Wüste

Manchmal passieren mitten in unserer Wirklichkeit Dinge, die an ein Wunder grenzen, wenn es plötzlich irgendwann und irgendwo auf der Welt Weihnachten wird, wenn plötzlich Menschen, die ganz unten sind, Gottes Hilfe erleben.
Wer weiß noch, was am 13. Oktober 2010 war? Damals waren die Nachrichten auf der ganzen Welt voll von einem Wunder, das sich in Chile ereignet hat, mitten in der Atacama-Wüste in einer Tiefe von 688 Metern unter der Erde. 33 Bergarbeiter sind am 5. August verschüttet worden. Sie hatten keine Chance, sich selbst zu befreien. Wenn überhaupt, dann konnte die Hilfe nur von oben kommen. Am 22. August konnten die Rettungskräfte mit einem Spezialbohrer zu ihnen vordringen. Mario Gomez, der älteste von den Verschütteten, kann mit dem Bohrgerät durch den 8 cm schmalen Bohrschacht einen kleinen Zettel nach oben schicken auf dem steht: »Gott ist groß, und mit seiner Hilfe werden wir es schaffen, lebend herauszukommen.« 36 Grad Celsius ist es da unten heiß. Keine Duschen. Kein Klo. Es stinkt wie die Pest. Aber Mario Gomez macht seinen Kumpeln immer wieder Mut, durchzuhalten. Oben werden Bohrungen gestartet, um einen Rettungsschacht zu graben. Am 4. Oktober sieht es danach aus, dass das Vorhaben  gelingen könnte. Nach insgesamt 69 Tagen in der Tiefe ist es dann in der Nacht vom 12. zum 13. Oktober endlich soweit.
Die oben schicken den Soldaten Manuel Gonzalez mit der Rettungskapsel Phoenix zu den Eingeschlossenen hinunter. Er soll die Kumpel auf den Aufstieg vorbereiten. Nach und nach wird ein Bergmann nach dem anderen nach oben ins Leben zurückgeholt. Dorthin, wo sie hingehören. Mario Gomez und andere Kumpel gehen oben in die Knie und danken Gott. Sie alle tragen ein T-Shirt, auf dem steht: „Danke, Herr!“ Und danach Worte aus dem Psalm 95: »In Gottes Hand sind die Tiefen der Erde, sein sind die Gipfel der Berge. Ihm gebühren Ehre und Ruhm.« Ja, damals am 13. Oktober 2010 ist in der Atacama-Wüste 688 Meter unter der Erde ein Wunder geschehen, ein Gleichnis dafür, was Weihnachten bedeutet.
‚Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand‘. Das galt für die Hirten von Bethlehem, das galt für die Bergleute aus der Atacama-Wüste, das gilt für Joe Cocker und das gilt für dich und für mich.

Wo es stinkt

Und wenn dich später irgendwann mal jemand fragt: ‚Kannst du mir sagen, was der Sinn von Weihnachten ist?‘  Dann erinnre Dich an den Heiligen Abend 2014, als es in der Kirche in Thann / Sommersdorf nach Kuhmist gerochen hat. Und dann kannst du sagen: ‚Weihnachten, das heißt: Gott ist sich nicht zu fein und nicht zu schade, in Jesus Mensch zu werden und nach ganz unten zu gehen, wo es stinkt nach Sünde und Schuld, nach Krankheit und Elend, nach Verzweiflung und Tod. Daraus will er seine Menschenkinder erlösen. Denn dort, ganz unten, will er uns nicht haben. Da gehören wir nicht hin, sondern zu ihm ins Licht, wo die Adler schreien und die frischen Winde wehen. Dahin bringt uns seine Liebe hinauf.‘
Vielleicht wirst du ja heute Abend schon, wenn du nach Hause kommst, gefragt: „Du riechst aber komisch, wo warst du denn?“ Und vielleicht sagst du dann: „Im Stall von Bethlehem. Da, wo es nach Mist riecht, da bin ich Jesus begegnet, da habe ich mich von ihm finden lassen.“
Was für ein Glück, liebe Freunde, dass es damals in Bethlehem nach Stallmist gestunken hat. Seitdem gibt es für jeden eine Hoffnung egal wie tief er gesunken ist. Amen

Frohe Weihnachten!

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