Freitag, 2. Oktober 2015

Bierdosen um halb zehn hl

Losung: Ich will deinen Namen kundtun meinen Brüdern. Psalm 22,23

Lehrtext: Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Römer 10,14

Liebe Leserin, lieber Leser,

in pietistischen Kreisen ist es üblich, dass die Mitglieder für andere Zeugnis geben von dem, was sie mit Gott bzw. mit Jesus erlebt haben. Mich hat das früher befremdet. Und so ganz angefreundet habe ich mich damit noch immer nicht. Wenn das jemand freiwillig tut, ist das okay. Doch ich reagiere allergisch, wenn auf jemand ein auch noch so leichter Druck ausgeübt wird, doch nun endlich Zeugnis abzulegen. Ich behaupte mal, Anspruch auf meinen Glauben hat nur Gott, hat nur Jesus, aber kein Mensch.
Andererseits ist es für eine Gemeinde oder Gemeinschaft unerlässlich, dass man einander auch von seinem Glauben erzählt. Meine Frau und ich tun das auch in diesen Losungsauslegungen. Aber dabei kann es nicht darum gehen, was für ein toller Christ man ist, wie vorbildlich man selbst glaubt, welche Glaubensleistungen man erbracht hat, sondern dass man von Gott immer wieder unverdient beschenkt wird (= Gnade).
Am Montag stand ich an der Kasse eines Drogeriemarktes. Vor mir ein vielleicht 60-jähriger, verwahrlost wirkender Mann, der bereits morgens um halb zehn Bierdosen eingekauft hatte. Er wirkte unsympathisch, und auch die Frau an der Kasse würdigte ihn keines Blickes. Ich spürte, wie ich auf Distanz zu ihm ging. Aber dann kam plötzlich dieser Gedanke: ‚Hans, der Mann ist genauso ein Kind Gottes wie du. Er wird nicht weniger geliebt als du. Er hat vermutlich mehr Probleme als du. Bete wenigstens für ihn. Er ist dein Menschenbruder.‘ Nein, ich habe keinen Grund, mich über andere Menschen zu erheben, gar keinen. Ich habe aber allen Grund, dankbar zu sein, dass mein unverdienter Glaube mein Leben bereichert. Doch dazu gehört auch mein Versagen, dass ich mich nicht öfter so verhalte, wie es meinem Glauben entspricht.
Und so meine ich, dass zum „Zeugnis geben“ auch die Schwierigkeiten gehören, die man mit dem Glauben haben kann. Es ist keine Schande, wenn es so ist. Es wäre aber eine, wenn einer dem andern in Glaubensdingen etwas vormachen würde.
Und dennoch, ohne dass einer dem andern von Jesus Christus erzählt, geht es nun mal nicht (Lehrtext). Es ist gut, wenn Menschen das tun, die dafür eine besondere Gabe haben und als Prediger berufen sind. Noch besser aber ist es, wenn niemand seinen Glauben aus Scham oder Angst verschweigt, sondern durch seine Worte und sein Verhalten zu erkennen gibt, dass er Christ ist und glaubt.

Gebet: Herr, jeder darf wissen, dass ich Christ bin. Doch du willst, dass ich auch lebe, was ich glaube. Du weißt, dass mir das nicht immer leicht fällt. Deshalb bitte ich dich, stärke meinen Glauben! Amen

Herzliche Grüße


Ihr / dein Hans Löhr 

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